Einweihung mit Markus Söder
Aicherpark-Brücke endlich fertig: Welche Projekte für Rosenheim nun zu stemmen sind
Der Löwenanteil ist abgeschlossen, die Aicherpark-Brücke in Rosenheim endlich frei für den Verkehr. Ministerpräsident Markus Söder und weitere Ehrengäste feierten das Jahrhundert-Bauwerk. Und stellten Forderungen für ein weiteres Projekt.
Rosenheim – Die zierlichen hellen Damenschuhe rechts, sie gehörten der Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig (CSU). Mit den schwarzen Straßenschuhen links davon war der Verkehrsstaatssekretär Michael Theurer (FDP) gekommen. Dazwischen saß in der ersten Reihe der Ehrengäste Christian Bernreiter (CSU) in schwerem, um nicht zu sagen geländegängigem Schuhwerk. Hatte sich der Bayerische Bau- und Verkehrsminister auf eine Baustelle vorbereitet?
Vergebliche Mühe. Die Aicherpark-Brücke präsentierte sich am Donnerstagvormittag (21. September) fix und fertig und frisch wie aus dem Ei gepellt. Mit einem Asphalt, den auch die Radfahrer, die bis kurz vor dem feierlichen Akt auf der Riesenbrücke umhergerollt waren, als Reifenschmeichler bezeichnet hätten. Darüber ein wolkenlos blauer Himmel. Kurz: Feierlich, gut und reibungslos ging die Eröffnung des Schlüsselstücks der Westtangente vonstatten. Mit einer Reihe prominenter Gäste.
Deutschland muss wieder schneller arbeiten, fordert Markus Söder
„Was lange währt, wird endlich gut“, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in seiner Begrüßung, und es klang wie ein Stoßseufzer. Denn es hatten zwar diverse Bundesverkehrsminister aus Bayern auf Planung und Fertigstellung der Westtangente gedrängt. Das Vorhaben kostete dennoch viel Zeit. 2012 erfolgte der Spatenstich, jahrelange Diskussionen und Planungen waren vorangegangen, seit 1991 war ein Korridor für die Planungen festgelegt worden. Erst 2025 wird die Tangente ganz fertig sein. 61,3 Millionen Euro sollte sie laut Bundesverkehrswegeplan 2003 kosten. Auf 263,5 Millionen Euro kommt sie nach aktuellen Berechnungen.
Ein großer Schritt für Rosenheim: Aicherpark-Brücke eröffnet




Deutschland müsse wieder schneller und strukturierter arbeiten und Großprojekte angehen, forderte Söder denn auch. Nicht ohne zuvor eine Spitze an eine Ampel-Partei abgegeben zu haben. Bundespolitiker Theurer hatte sich verspätet, Söder sprach das Grußwort also auch an seiner Statt. „Normalerweise spreche ich für Bayern“, sagte also Söder; „ich mache das aber auch gerne für Deutschland.“
Eine große Entlastung für Rosenheim, da sind sich alle einig
Die paar Minuten Verzögerung – Theurers Fahrer hatte sich im Aicherpark verirrt – trübten die Laune der 300 Gäste vermutlich nicht. Denn da waren sich viele Menschen einig. Das Projekt dauerte lang, sehr lang, es halfen viele mit, es bringt Rosenheim und auch der Umgebung viel. Söder sagte zum Beispiel: „Die Westtangente steigert die Lebensqualität in Rosenheim und senkt die Verkehrsbelastung.“ Oder Peter Kloo (SPD), der Bürgermeister vom Kolbermoor; die Westtangente, die Aicherbrücke vor allem, sei ein „beeindruckender Bau“, der für Kolbermoor eine „wichtige Rolle spielen“ werde. Landrat Otto Lederer (CSU) rechnete vor: Weniger Staus, Verringerung von CO2-Emissionen, weniger Lärm, weniger Kosten. Kurz: „Mehr Lebensqualität“. Von 5000 bis 6000 Autos und Lkw weniger auf der Äußeren Münchener Straße sprach Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März (CSU).
Wo bleibt der Brückenschlag zur Verkehrswende?
Nun mag es Zweifel geben, ob die Einweihung einer Straße so viel Lobpreis verdient, wenn doch Verkehrswende mehr Rad, mehr Schiene und mehr ÖPNV bedeuten soll. Söder betonte, dass derlei Lösungen gut und erstrebenswert seien, aber nicht ausreichten. Der ländliche Raum werde weiterhin Autos benötigen, so wie ein Land, das wachse, auf Verkehrsachsen angewiesen sei. Auch werde das Auto nicht nur als Verkehrsmittel, sondern auch als Industriezweig weiterhin eine wichtige Rolle spielen – auch in der herkömmlichen Form als Verbrenner. Dem stimmte Michael Theurer zu. „Es wäre ja ein Treppenwitz, wenn Verbrenner-Motoren künftig aus China kämen.“
So wichtig die Westtangente ist, sie schluckt auch Grund und Boden
Daran, dass ein solches Bauwerk wie die Aicherpark-Brücke Kosten jenseits der genannten Viertelmilliarde verursacht, erinnerten die Redner ebenfalls. Die Aicherpark-Brücke sei eine Brücke, die „tatsächlich verbindet und überbrückt und nicht trennt“. Anders als andernorts, wo große Bauwerke ganze Viertel zerschneide, sagte Pfarrer Dr. Bernd Rother, der zusammen mit Pfarrer Sebastian Heindl den Segen spendete. Aber die Westtangente tangiere eben auch Mensch und Natur. Vorredner wie Stefan Leitner, Bereichsleiter Straßenbau beim Bauamt Rosenheim, hatten Anwohnern gedankt, dass sie Grund und Boden zur Verfügung gestellt hatten. Ja, auch das wird mancher nicht vergessen: Der Widerstand gegen die Umfahrung war beträchtlich.
Söder und Lederer fordern Verbesserungen bei Brenner-Nordzulauf
Nach der Eröffnung ist vor dem Baustart. Und so blickten die Politiker auch auf die nächsten Projekte. Söder wiederholte seine Forderungen für die Planung des Brenner-Nordzulaufs. Von der neuen Strecke mit zwei Gleisen müsse „so viel wie möglich“ unter der Erde verschwinden. Landrat Lederer mahnte Theurer, Berlin etwas auszurichten: „Mehr Akzeptanz für die Anliegen aus der Region.“ Da hatte Lederer etwas in Worte gepackt, was viele Menschen in der Region Rosenheim umtreibt: Weder wegen der Blockabfertigung noch wegen des Brenner-Nordzulaufs hat sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bislang blicken lassen.
Bahn frei: Kurz nach Mittag rollten die ersten Autos
Am Ende spielte nochmals die „Kapelle der Autobahndirektion Südbayern“, dann ließen sich Gäste und Mitarbeiter des Staatlichen Bauamts auf Biergarnituren im Schatten der Brücke für eine Brotzeit nieder. „Meine Kinder sind schon ganz traurig, weil sie jetzt nicht mehr mit dem Radl drüberfahren können“, hatte Rosenheims Rathaus-Chef März gesagt. Seit Donnerstag, 21. September, 13.55 Uhr dürfen sie‘s endgültig nicht mehr: Da rollten die ersten Autos übers zentrale Stück der Westtangente. Für Jogger, Gassi-Geher und Radler ist die Brücke nun tabu.
Westtangente fast fertig: Nun fehlt nur noch ein Kilometer
Nicht mehr lang, dann wird der Verkehr dort richtig brummen. Die Prognosen liegen bei 20.000 Fahrzeugen nach Freigabe der Westtangenten-Gesamtstrecke. Nun ist noch ein etwas über ein Kilometer langes Teilstück zu bewältigen, tausend Meter mit ebenso vielen Herausforderungen: Die Unterfahrung der Eisenbahn-Verbindung München - Rosenheim - Salzburg bei Wernhardsberg gehört wegen des instabilen Seeton-Untergrund zu den kompliziertesten Aufgaben, die das Straßenbauamt je lösen musste. Mitte 2025 sollen aber auch dort die Arbeiten abgeschlossen sein.