Überraschendes Eingeständnis im Geschäftsbericht 2022/23
Zu hoch gepokert? Berchtesgadener Bergbahn AG trotz Millionen-Minus optimistisch für die Zukunft
Falls es noch letzte Hoffnungen gab, wurden dieses spätestens auf der Hauptversammlung der Aktionäre der Berchtesgadener Bergbahn AG (BBAG) zunichtegemacht. Es bleibt beim endgültigen Aus für den alpinen Skibetrieb am Jenner, wie Vorstand Thomas Mühlthaler versichert. Ein Blick in den Geschäftsbericht 2022/23 zeigt, wie der Aufsichtsrat versuchte, den finanziellen Druck zu lindern und den Schuldenberg zu reduzieren. Überraschend gibt es sogar eine Art Eingeständnis, bei dem die Frage aufkommt: Hat sich die BBAG beim Neubau doch übernommen?
Schönau am Königssee - Es mutet schon etwas skurril an: In der jüngsten Sitzung des Schönauer Gemeinderates werden die Zahlen zu den Geschäftsjahren 2020/21 und 2021/22 der BBAG vorgestellt, da die Gemeinde verpflichtet ist, einen jährlichen Bericht über die Beteiligungen an Unternehmen des Privatrechts zu erstellen und dem Gemeinderat zur Kenntnis zu geben. Die Gemeinde selbst hält 17,2 Prozent der Aktienanteile. In der Präsentation während der öffentlichen Sitzung sind auch die Anteile der anderen Hauptaktionäre aufgelistet. Auf Anfrage der Redaktion werden die jeweiligen Beteiligungsberichte geschickt - ohne die Zahlen zu den Hauptaktionären. Auch bei der BBAG will man die Zahlen nicht herausrücken. „Unsere Aktionäre mit kleinen Beständen kennen wir nicht, unsere Darlehensgeber kommunizieren wir nicht“, teilt Thomas Mühlthaler mit.
Der Geschäftsbericht 2022/23, der kürzlich bei der Hauptversammlung der Aktionäre vorgestellt und dieser Redaktion vorliegt, zeigt: Erneut hat das Unternehmen mit einem Minus von einer Million Euro einen Jahresfehlbetrag erzielt. Auf die Nachfrage, warum sich die BBAG trotz des erneuten Jahresfehlbetrags und der Erhöhung der Bilanzverlust auf 11,4 Millionen Euro auf einem guten Weg sieht und welche Zahlen (zum Beispiel Fahrgäste) optimistisch stimmen, verweist der Vorstand nur auf das um circa eine Million Euro verbesserte Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr.
„Liquidität war stets ausreichend gewährleistet“
Wie aus dem Lagebericht hervorgeht, wurden die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten von 27,67 Millionen Euro auf 25,69 Millionen Euro reduziert. Dagegen sind die Verbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftern aufgrund der nicht ausbezahlten Zinsen sowie neuer Darlehensaufnahmen von 25,78 Millionen Euro auf 26,9 Millionen Euro gestiegen. „Die Liquidität war im Berichtsjahr jedoch stets ausreichend gewährleistet“, so Mühlthaler. Dem Bericht zufolge liegen die Verbindlichkeiten insgesamt bei 53,37 Millionen Euro.
Sie sind sehr zufrieden mit der Neuausrichtung.
Im Kapitel „Anhang“ wird erwähnt, dass mit den Gesellschaftern bezüglich ihrer Darlehen ein sogenannter Rangrücktritt vereinbart wurde. Dabei handelt es sich um eine Möglichkeit, mit der eine insolvenzrechtliche Überschuldung verhindert werden soll. Vereinfacht gesagt stellen die Gläubiger, also die Gesellschafter, ihre Forderungen hinten an, bis die Krise der Gesellschaft überwunden wurde. Auf die Frage, wie die Kritik am radikalen Kurswechsel der BBAG und am Aus für den alpinen Skibetrieb am Jenner innerhalb des Unternehmens aufgenommen wurde und wie die Aktionäre darauf reagierten, antwortet der Vorstand: „Sie sind sehr zufrieden mit der Neuausrichtung.“
Unklarheit über weitere Optionen
Der Bericht liefert auch spannenden Einblicke aus den Aufsichtsratssitzungen: So wurde beispielsweise im Frühjahr 2023 über die Neuausrichtung für die Wintersaison 2023/24 gesprochen, für die mehrere Varianten dem Vorstand vorgestellt wurden. Schlussendlich fiel die Wahl einstimmig darauf, den Skibetrieb einzuschränken. Welche anderen Optionen und Maßnahmen noch im Raum standen, verrät Mühlthaler nicht. Schon damals zeichnete sich das Aus für den alpinen Skibetrieb ab, schon damals fielen die Reaktionen sehr kritisch aus.
Als sich die Gemeinde Schönau am Königsee dann zu einer Investition in Höhe von 300.000 entschloss, um die Talabfahrt für die gesamte Wintersaison 2023/24 zu ermöglichen, sorgte das ebenfalls für Diskussionen. Für den Bund Naturschutz „der größte Schwachsinn“, gab Mühltahler damals schon zu verstehen, dass er am Jenner keine Zukunft mehr für das alpine Skifahren sieht. Im Interview sprach er über die veränderten Rahmenbedingungen und Hintergründe des sich anbahnenden Kurswechsels, der schließlich heuer im Frühjahr komplett vollzogen wurde.
Persönliche Gespräche mit Darlehensgebern
In der Zwischenzeit versuchte die BBAG, aus den tiefroten Zahlen herauszukommen. Der Aufsichtsrat beschäftigte sich dem Bericht zufolge unter anderem mit der Verzinsung der Gesellschafterdarlehen, die durch den hohen 12-Monats-Euribor erheblich anstieg. In persönlichen Gesprächen mit den Darlehensgebern wurde vereinbart, dass die Darlehen für eine Laufzeit von fünf Jahren mit fixen zwei Prozent jährlich verzinst werden. „Durch die Neuausrichtung im Wintersport sind diverse Einsparungen zu erwarten (Beschneiung, Strom, Pistenpflege, Personalaufwand)“, heißt es weiter in dem Schreiben.
| Gäste-Ersteintritte | 2018/19 | 2019/20 | 2020/21 | 2021/22 | 2022/23 |
| Winter | 45.212 | 68.559 | 2.787 | 62.040 | 64.010 |
| Sommer | 219.970 | 204.979 | 177.910 | 179.371 | 180.765 |
Mühlthaler bestätigt auf Nachfrage, dass der Abschluss eines sogenannten Gewinnabführungsvertrages der BBAG mit der Jenneralm GmbH, einer hundertprozentigen Tochterfirma, abgeschlossen wurde, um eine körperschaftliche und gewerbesteuerliche Organschaft zu gründen und damit künftig die Gewinne der Jenneralm mit den Verlusten der BBAG zu verrechnen. Der Vorstand bestätigt auch die Einstellung des Aktienhandels an der Börse, für den sich der Aufsichtsrat einstimmig entschieden hatte. „Die Berchtesgadener Bergbahn ist eine kleine Aktiengesellschaft, ein Börsenhandel ist nicht notwendig.“ Das wiederrum heißt nicht, dass keine Aktien privat gekauft oder verkauft werden können.
Wechselhafte Witterungen
Unter dem Kapitel „Gesamtaussage zum Geschäftsjahr“ geht aus dem Bericht hervor, dass sich der Winter 2022/23 insgesamt klimatisch schwierig darstellte. Anfangs passten die Temperaturen, doch dann sorgten Warmlufteinbrüche und Tauwetter für ein Erliegen des Skibetriebs. Dagegen brachte der Februar viel Naturschnee, gute Wetterbedingungen und Skipisten, doch: Die Nachfrage fiel sehr gering aus. Der Schnee hielt sich in den höheren Lagen bis in den Mai, mit Beginn der Sommersaison herrschten keine guten Wanderbedingungen. „Die Gäste nutzten stattdessen unsere große Sonnenterrasse an der Bergstation“, heißt es. Während sich der Sommer wechselhaft zeigte, profitierte der Betrieb vom schönen Wetter im September und Oktober.
| Umsatz | 2018/19 | 2019/20 | 2020/21 | 2021/22 | 2022/23 |
| Bahn | 4,35 Millionen Euro | 6,04 Millionen Euro | 4,11 Millionen Euro | 6,23 Millionen Euro | 6,59 Millionen Euro |
| Gastronomie | 1,2 Millionen Euro | 1,67 Millionen Euro | 1,24 Millionen Euro | 1,92 Millionen Euro | 2,11 Millionen Euro |
| Gesamt | 5,56 Millionen Euro | 7,72 Millionen Euro | 5,36 Millionen Euro | 8,16 Millionen Euro | 8,7 Millionen Euro |
Große Probleme bereitete der Energiemarkt, der sich inzwischen wieder erholte: Im Geschäftsjahr 2022/23 waren die Kosten doppelt so hoch wie vor Corona. Generell würden die Kosten für Energie, Personal und Zinsen das Unternehmen maßgeblich belasten, da eine permanente Steigerung zu verzeichnen sei.
Überraschung mitten im Geschäftsbericht
Einer Art Eingeständnis kommt die nächste Passage gleich: Die betriebliche Erfahrung der letzten Jahre zeige, dass, entgegen den ursprünglichen Erwartungen, die Nachfrage für den klassischen alpinen Skibetrieb in Relation zu den dafür notwendigen Aufwendungen für den zusätzlichen laufenden Betrieb (von bis zu drei weiteren Seilbahnanlagen, Pistenpräparierung, etc.) sowie zur Herstellung der Betriebsbereitschaft, also der technischen Beschneiung, in keinem ökonomisch vertretbaren Verhältnis standen. Daher erfolgte das neue Angebotskonzept ab der aktuellen Wintersaison.
Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine Insolvenzgefahr, aber kein Unternehmen kann auf Dauer wirtschaftlich unrentabel arbeiten.
Auf die Frage dieser Redaktion, warum beim alpinen Skibetrieb nicht die Möglichkeit bestand, die Folgen der Corona-Pandemie sowie die Entwicklung der Fahrgastzahlen noch für zwei oder drei Jahre abzuwarten und ob der BBAG dann die Insolvenz gedroht hätte, teilt Mühlthaler mit: „Der alpine Skibetrieb mit schwacher Nachfrage wird schon seit Jahren beobachtet. Dazu kamen Kostenexplosion bei Strom, Diesel und Schnee-Erzeugung. Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine Insolvenzgefahr, aber kein Unternehmen kann auf Dauer wirtschaftlich unrentabel arbeiten.“
Wende bei asiatischen Gästen
Mit Blick auf künftige Risiken geht aus dem Lagebericht unter anderem hervor, dass die BBAG aufgrund der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank für die kommenden Monate eine leichte Entspannung erwartet. „Der Höhepunkt der Fremdkapitalkosten dürfte erreicht sein. Die Gesellschafter haben durch eine deutliche Reduzierung der Kosten für Gesellschafterdarlehen auf zwei Prozent auch dazu beigetragen“, heißt es im Kapitel Risikobericht.
Die Beeinträchtigungen durch die Corona-Pandemie während der vergangenen Geschäftsjahre seien nicht mehr gegeben. Allerdings fehlten nach wie vor Gäste aus dem asiatischen Bereich, denen in den vergangenen Jahren ein erheblicher Anteil an Umsatzaufkommen zugerechnet wurde. Doch hier zeichne sich bereits eine Wende an und „wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten Jahren wieder neues Potenzial finden können“.
Steigen die Preise?
Insgesamt fällt der Blick nach vorne durchaus optimistisch aus. Aufgrund der modernen Seilbahnanlagen, Infrastruktur, der ansprechenden Gastronomiebereiche sowie der attraktiven Zusatzangebote ergebe sich „eine zeitgemäße Attraktivität und Exklusivität des gesamten Ganzjahreserholungsgebietes am Jenner“.
Um die Umsatzerlöse zu steigern, will die BBAG eine selbstbewusste Preispolitik in der Sommer- und auch der Wintersaison verfolgen, welche unter Berücksichtigung des vorhandenen Standortpotenzials, einer darauf aufbauenden klaren Markenprofilierung für den Jenner sowie der Umsetzung eines stimmigen und im Wettbewerb differenzierenden Attraktions- und Erlebnisangebotes „eindeutig noch ausbaufähig“ ist.
„Ziel ist es weiterhin, den Jenner zu einem Ausflugsziel zu entwickeln, das auf den ,must-do‘-Listen der Urlaubsgäste, der Tagesausflügler und vor allem auch der einheimischen Bevölkerung nicht fehlen darf“, heißt es zum Abschluss des Lageberichts.