Fachkräftemangel, Wohnraum, Leerstandbekämpfung
Neuaufstellung beim Reichenhaller Unternehmerforum: „Wir dürfen keine Angst vor Wachstum haben“
Erst wenige Monate im Amt, haben Klaus Unterharnscheidt und Stefan Hagn als neues Führungsduo des Reichenhaller Unternehmerforums (RUFO) einiges zu tun. Sie sind überzeugt: Die Kreisstadt kann mehr, doch das geht nur gemeinsam mit anderen Akteuren. Das sind die Pläne des neuen Vorstandsduos.
Bad Reichenhall - Als Nachfolger von Michael Rupin, der die Geschicke des ehemaligen Gewerbe- und Handelsvereins über ein Jahrzehnt geleitet hat, ist der 61-jährige Unterharnscheidt seit April erster Vorsitzender des RUFO. Noch in seiner Zeit als Geschäftsführer der Predigtstuhlbahn kam der mittlerweile freiberufliche Unternehmensberater über die Fachgruppe Tourismus mit dem Unternehmerforum in Kontakt und wurde gefragt, ob er sich dort noch stärker engagieren könnte. „Zusammen mit Stefan Hagn, Thomas Gleinig und Andreas Steinbacher haben wir uns zugetraut, als Team das RUFO zu führen“, erzählt er.
Über den neuen Rufo-Vorsitzenden
Gebürtig und aufgewachsen im Rhein-Main-Gebiet bei Frankfurt, war Unterharnscheidt über 30 Jahre als Diplom-Kaufmann in verschiedensten Leitungsfunktionen für Chemiekonzerne- und Stahlzulieferunternehmen weltweit tätig. 20 Jahre lebt er mit seiner Familie im Ausland, ehe ihn ein Angebot der Max Aicher Gruppe ins Berchtesgadener Land führte. Dort übernahm er zuletzt die Leitung der Predigtstuhlbahn, eher er nach dreieinhalb Jahren den „Un-Ruhestand“ antrat. „Als Familie haben wir uns für Bad Reichenhall entschieden, weil man sich hier sehr schnell wohlfühlen und einleben kann. Die Kombination aus urbaner Struktur und nahen Freizeitangeboten hat uns überzeugt, und wir wollten nach 20 Jahren in anderen Ländern endlich sesshaft werden“, erzählt er.
Die Arbeit ihrer Vorgänger rund um Rupin will das neue Vorstandsteam fortführen und gleichzeitig klarere und stärkere Strukturen aufbauen. Das RUFO soll ein Ansprechpartner für die Stadtverwaltung rund um Oberbürgermeister Christoph Lung, aber auch für die Stadträte sein. „Wir wollen die berechtigten Anliegen unserer Mitglieder bündeln und mit eigenen konstruktiven Vorschlägen versehen, zum Wohle der Unternehmen und der Stadtentwicklung. Das Forum war immer und muss auch künftig ein ernstzunehmendes und gern gehörtes Sprachrohr bleiben“, skizziert er.
„Eine einmalige Mischung“
Als wichtiger Impulsgeber, der viele Arbeitgeber aus der Kreisstadt als Interessengemeinschaft vertritt, will er zusammen mit seinem Stellvertreter Hagn und dem Vorstandsteam die Herausforderungen angehen. Der Charakter der Stadt soll dabei nie aus den Augen verloren werden. „Wir kommen aus der Historie einer Kur-, Urlaubs- und Einkaufsstadt. Das ist eine einmalige Mischung, die ich bislang noch in keiner Stadt in dieser Form so erlebt habe“, findet Unterharnscheidt.
Neben dem Fachkräfte- und Wohnraummangel will er sich auch der Leerstandbekämpfung widmen. „Leere Geschäfte helfen dem aktiven Geschäft sicherlich nicht, weil das die Atmosphäre der Innenstadt nicht fördert. Jeder Leerstand ist einer zu viel und wir haben hier in Bad Reichenhall durchaus einige betroffene Ecken.“ Ursula Friedsam, die neue Geschäftsführerin der Tourismus und Stadtmarketing GmbH (BRM), mit der das RUFO sehr gut und eng zusammenarbeite, sei mit ihrem Team bereits dabei, neue Geschäfte für Bad Reichenhall zu interessieren und zumindest für optische Verschönerungen in den leeren Geschäften zu sorgen.
Hoffnung auf baldige Lösungen bei mehreren „Schandflecken“
„Wir haben große Baustellen, die sich zum Glück langsam lösen“, verweist der RUFO-Vorsitzende unter anderem auf den geplanten Neubau in der Poststraße 32/34. Große Bedeutung hat für ihn auch, das Thema Axelmannstein zu lösen. Positiv bewertet er die Pläne zur Sanierung der denkmalgeschützten Gaststätte Hofwirt mit Salettl und der Neubau des 4*-Superior Hotels. „Das wird auch Kaufkraft bringen, in dem es Gäste und Geschäfte anlockt“, ist sich Unterharnscheidt sicher. In der Stadt müsse eine unternehmer- und tourismusfreundliche Atmosphäre aufrechterhalten werden. „Es hilfts nicht zu sagen, dass drei Autos mehr in einer Straße die Lebensqualität ruinieren würden. Wir brauchen eine mit Augenmaß wachsende Stadt, ansonsten bekommen wir langfristig Probleme.“
Auch Stefan Hagn, Betreiber des Avalon-Hotels am Bahnhofsplatz, betont: „Uns ist an einer guten Entwicklung der Stadt gelegen, dass alles am Laufen gehalten wird und nicht ausstirbt.“ Das Einkaufserlebnis wandere zunehmend ins Internet und dem wolle man als Unternehmerforum entgegenwirken. „Viele Gäste kommen zu uns, weil die Fußgängerzone nicht so überfüllt ist wie in München oder Salzburg. Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) bietet dafür die geeignete Plattform, alles auf den Tisch zu bringen und dank verfügbarer Fördermittel die Maßnahmen gegebenenfalls auch umsetzen zu können.“
Neuer Fachbeirat für den gemeinsamen Austausch
Auch deshalb wurde seitens der Stadt der Fachbeirat Tourismus gestartet: Zusammen mit den Fraktionssprechern und dem OB wurde eine Diskussionsplattform außerhalb der Stadtverwaltung als Unterstützung für die BRM gegründet, um sich mehrmals im Jahr über die grundsätzliche Ausrichtung der touristischen Entwicklung der Stadt auszutauschen. Dazu gehören auch die Bereiche Kultur, Gesundheit, Handel und Gewerbe. Hier werden keine Beschlüsse gefasst, wie Unterharnscheidt erklärt, der zugleich zum Sprecher des Fachbeirats gewählt wurde.
„Aber mit dieser Plattform machen wir einen großen Fortschritt bei der gemeinsamen Entwicklung der Stadt und schaffen zumindest eine gewisse Verbindlichkeit der gemeinsam besprochenen Vorschläge unter allen Teilnehmern.“ Er lobt, dass zwischen dem RUFO, dem Oberbürgermeister und dem Stadtrat ein kooperatives Verhältnis gefunden wurde und dank der regelmäßigen Kommunikation Missverständnisse ausgeräumt und unterschiedliche Positionen besser verstanden werden. Ein stärkeres Gehör gerade für die Anliegen des Tourismus beim Stadtrat zu finden, war bereits seit längerem ein wichtiges Anliegen des RUFO.
Gegen den Leerstand vorgehen
Für ihn ist klar, dass der Leerstand nicht weiter zunehmen darf. Damit hätten sicherlich auch viele andere Städte zu kämpfen. „Aber den Touristen ist das egal: Die gehen durch die Fußgängerzone und wollen nicht nur von Restaurant zu Restaurant schlendern, sondern auch Geld ausgeben für Bekleidung oder Souvenirs. Das gehört zum Urlaubserlebnis dazu, und vom Tourismus profitiert die ganze Stadt.“
Vor 15 Jahren hatten wir doppelt so viele Übernachtungen in Bad Reichenhall und von diesen Zeiten sind wir noch weit entfernt.
Dem RUFO-Vorstandsduo ist es wichtig zu betonen, dass sie in Bad Reichenhall noch mehr touristisches Potenzial sehen. Auch die Bewohner müssten verstehen, dass viele Möglichkeiten und Freizeitangebote wie zum Beispiel die Therme ohne den Tourismus nicht möglich wären. „Wir dürfen keine Angst vor Wachstum haben. Vor 15 Jahren hatten wir doppelte so viele Übernachtungen in Bad Reichenhall und von diesen Zeiten sind wir noch weit entfernt.“ Ein Hauptgrund für diesen massiven Einbruch: der Wegfall der Bäderkur, die erst seit 2021 wieder von den Krankenkassen bezahlt wird.
Der 61-jährige Vorsitzende glaubt noch an einen weiteren Trend: „Für Bad Reichenhall ist es eine große Chance, dass vor allem junge Menschen verstärkt präventiv in Richtung Gesundheitstourismus tendieren. Der Trend geht zu Spa-Hotels, in denen alles unter einem Dach angeboten wird. Und Bad Reichenhall kann Gesundheit: Wir haben hier viele Fachärzte und Kliniken, die Sole, das Kurhaus und das Krankenhaus.“
Verkehr und Kultur hervorgehoben
Neben attraktiven Arbeitsbedingungen wie dem Homeoffice hebt Unterharnscheidt auch Verkehrsthemen wie ein mögliches Tempolimit, wie es die SPD erst kürzlich für das Stadtgebiet vorschlug, hervor. „Die Stau-Situation ist bei uns, selbst während der Hauptsaison, überschaubar. Und wir leben auch von den Österreichern, die bei uns einkaufen.“ Eigentlich seien genügend Parkplätze vorhanden und auch die Stadt arbeite am öffentlichen Nahverkehr. „Das eine oder andere lässt sich noch machen, aber wir haben viele gute Ansätze.“
Eine große Bedeutung räumt er auch der Kultur ein. „Natürlich sind wir nicht mit Salzburg vergleichbar. Aber Reichenhall hat als Kulturstandort durchaus eine Strahlkraft“, findet er mit Blick auf die Philharmoniker, das Theater mit seinen 600 Plätzen und auch den ehrenamtlichen Kunst- und Kulturverein Sternenzelt. „Auch die Kunstakademie bringt jährlich über 6000 Übernachtungen in die Stadt. Wir müssen die Angebote, auch für die Bewohner, noch sichtbarer machen. Wir haben noch Luft nach oben.“
Natürlich befinden wir uns auch in dieser Situation wegen Themen, für die wir als Stadt nichts können, zum Beispiel wegen der KSOB oder der Kreisumlage.
Natürlich ist auch dem Forum bewusst, dass sich die Stadt momentan in einer schwierigen finanziellen Situation befindet. Das zeigte sich auch in der jüngsten Sitzung des Stadtrates, als es unter anderem um eine Baumaßnahme an der Feuerwache ging. „Natürlich befinden wir uns auch in dieser Situation wegen Themen, für die wir als Stadt nichts können, zum Beispiel der KSOB oder der Kreisumlage. Es braucht einen gesunden Mittelweg, um die Strukturen zu erhalten, die uns als Alpenstadt ausmachen“, fordert der 61-Jährige.
Bad Reichenhall soll zur Marke werden
Ein weiteres Anliegen ist das Herausarbeiten und die Positionierung von Bad Reichenhall als Marke. „Wir müssen damit bald loslegen, um eine Strategie für die nächsten Jahre und Jahrzehnte zu verfolgen“, so Hagn. Er befürwortet auch die Überlegungen, die Budgets der Stadt für die unterschiedlichen Institutionen in einem Marketingbudget zu bündeln. „Davon profitiert jeder, weil wir dann eine gemeinsame Sprache sprechen.“
Beim Thema Wohnraum gebe es aktive Diskussionen, unter anderem über die Steigenberger Akademie, die nun ihre Pforten geschlossen hat. Doch der Vorsitzende schränkt ein, dass sich das Gebäude im Privatbesitz befindet. „Auch die Stadt hat nicht beliebig viele Grundstücke. Wir diskutieren, wo es nur geht, aber der Wohnraum lässt sich nicht aus dem Hut zaubern und Bauplätze sind rar gesät.“
Und sein Stellvertreter fügt hinzu: „Das Landratsamt muss auch Wohnungen für die Unterbringung von Flüchtlingen anmieten, dadurch verschärft sich die Situation noch zusätzlich. Aber auch dort hat man keine andere Wahl.“
Große Hoffnungen liegen auf dem Stadtentwicklungskonzept
Mit Blick auf die Zukunft antworten die beiden, dass die Ergebnisse des Stadtentwicklungskonzepts (ISEK) mit Spannung erwartet werden. „Wie schaut es mit dem Verkehr aus? Wo gibt es Parkplatzprobleme, haben wir überhaupt welche? Wie kann die Innenstadt für Fahrräder und E-Bikes gestaltet werden? Das Konzept umfasst die ganze Stadt“, schildern sie. Damit würden nicht nur Daten und Fakten geliefert, sondern auch Finanzierungsoptionen vonseiten des Staates. „Aus eigener Kraft werden wir diese Themen momentan nicht lösen können“, glaubt Unterharnscheidt.
Auf der Agenda des RUFO steht auch die Belebung der Nebensaison von November bis März. Davon würden nicht nur die Übernachtungszahlen profitieren, sondern auch der Handel, die Gastronomie und auch die Reichenhaller selbst. „Wir arbeiten daran, Veranstaltungen auf das ganze Jahr zu verteilen. Denkbar sind ein längerer Zeitraum für den Christkindlmarkt oder Festivals im Kurtheater. Oder eine Eisbahn, das wäre der Knaller“, findet der 61-Jährige.
Am wichtigsten ist es dem Vorstandsduo, dass alle Beteiligten gemeinsam an einem Strang ziehen und die Stadt voranbringen wollen. „Nur so machen wir als Bad Reichenhall einen Schritt nach vorne.“ (ms)

