Stadt Bad Reichenhall vs. Landratsamt BGL
Nun doch Flüchtlinge ins Hotel Alpenrose? OB Lung verärgert: „Fünf Monate bewusst im Unklaren gelassen“
Oberbürgermeister Lung ist sauer: Als der Stadtrat im Februar dachte, eine Unterbringung von Flüchtlingen im Hotel Alpenrose verhindert zu haben, ahnte niemand, dass das Landratsamt bereits einen Mietvertrag hierfür unterschrieben hatte. Der Vorwurf mangelnder Kommunikation von Seiten der Kreisbehörde kommt nicht nur aus Bad Reichenhall. Und auch unter den Gemeinden selbst sorgt das Flüchtlingsthema für Spannungen.
Bad Reichenhall – Eigentlich sollten die beiden Bestandsgebäude des Hotels Alpenrose abgerissen und zwei Mehrfamilienhäuser sowie eine Tiefgarage errichtet werden. Laut Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung ergaben sich hier jedoch zwei Problemkreise: Der erste: Das Objekt befindet sich aus stadtplanerischer Sicht im Kurviertel. Neubauten sollen hier im historischen Kontext gestaltet werden.
Der zweite Problemkreis sei politischer Natur: In den Bestandsgebäuden sollten zwischenzeitlich Flüchtlinge untergebracht werden. Die Stadt beherberge jedoch bereits sehr viele, und die Unterbringung sei an dieser Stelle nicht passend. Um diese beiden Problemkreise zu verhindern, stellte der Stadtrat im Februar den Abbruch des Hotels zurück und lehnte den Neubau parallel ab.
Die Kurstadt erfährt erst fünf Monate später von der Anmietung
Doch zu dieser Zeit war der Mietvertrag zur Flüchtlingsunterbringung mit dem Landratsamt bereits unter Dach und Fach, wie die Behörde auf Anfrage bestätigt. „Der Abschluss des Mietvertrages erfolgte zum Jahresbeginn.“ Mietkosten würden aktuell jedoch noch nicht anfallen. „Derzeit laufen noch Gespräche mit dem Eigentümer, ab wann das Objekt belegt werden kann.“
Seinem Unmut über das Vorgehen der Kreisbehörde machte der Oberbürgermeister in der jüngsten Stadtratssitzung Luft: „Herrn Landrat Kern habe ich bereits mehrfach mündlich gebeten, davon Abstand zu nehmen, am 11. Januar dieses Jahres sogar schriftlich. Über Dritte musste ich erfahren, dass ein solcher Vertrag aber längst geschlossen ist. Man hat uns über fünf Monate bewusst im Unklaren gelassen.“ Er appellierte dringend für ein besseres Miteinander und dafür, dass man ehrlich miteinander sprechen möge.
Wenig Transparenz von Seiten des Landratsamts
Mit seiner Kritik ist Lung nicht der Einzige. So hatte auch Martin Strobl, Dritter Bürgermeister von Ainring, in der Bürgerversammlung moniert, dass die Gemeinde nicht vom Landratsamt über mögliche Gebäudebelegungen mit Flüchtlingen informiert werde. „Fakten werden da geschaffen und die Gemeinde erfährt nichts.“ Man wisse erst über neu angekommene Migranten Bescheid, wenn diese einziehen und sich beim Rathaus anmelden, so Strobl damals. Dabei bleibt ein Teil der Leistungen an den Gemeinden hängen. OB Lung zur Situation: „Integrationsleistungen können so nicht mehr sinnvoll erbracht werden. Kindergartenplätze sind nicht ausreichend vorhanden, die Arbeit an den Schulen ist großartig aber auch hier schon gelegentlich am Limit und darüber hinaus.“
Das Landratsamt weist den Vorwurf, nicht ehrlich miteinander umzugehen, klar zurück. „Bevor von einer schlechten Vorgehensweise gesprochen wird, müssen sich alle Beteiligten auch im Klaren sein, was es bedeutet, wenn dem Landkreis ein- bis zweimal pro Monat 50 Flüchtlinge zugewiesen werden und diese bei einem derart angespannten Wohnungsmarkt untergebracht werden müssen“, so die Kreisbehörde.
Das Landratsamt sei auf die Unterstützung der Gemeinden angewiesen, die jedoch in den vergangenen Monaten eher mäßig ausgefallen sei. „Der Bau von mehreren geplanten Containerunterkünften hat sich aus denselben Gründen immer wieder kurzfristig zerschlagen und Mietverhältnisse sind kurzfristig im Sande verlaufen. Daher kann eine Information an die Gemeinden im Regelfall erst nach Unterzeichnung des Mietvertrags erfolgen. Es handelt sich hier um eine gemeinschaftliche Aufgabe, bei der gegenseitige Vorwürfe nicht weiterhelfen.“
Ungleichgewicht bei der Verteilung unter den Gemeinden
Nicht nur zwischen den Kommunen und dem Landratsamt, sondern auch unter den Gemeinden selbst führt die Zuteilung von Geflüchteten und Asylbewerbern zu Spannungen. Der Vorwurf: Einige Gemeinden würden sich wegducken, während andere mehr Menschen aufnehmen als sie verkraften können. „Es kann und darf nicht sein, dass wenige Kommunen in diesem Landkreis die Last überproportional zu tragen haben“, so etwa Bürgermeister Hans Feil in der Laufener Bürgerversammlung.
Hannes Rasp, Bürgermeister von Schönau am Königssee, mahnt schon lange, dass es seiner Gemeinde zu viel wird. Aus Bad Reichenhall derselbe Tenor: „Ich halte es politisch für schädlich, wenn eine einzelne Kommune übermäßig mit der Aufnahme von Flüchtlingen beaufschlagt ist“, so Lung. „Die Stadt Bad Reichenhall hat im Landkreis mit Abstand am meisten Menschen untergebracht, sowohl in absoluten als auch in relativen Zahlen. Und das bedeutet für uns, dass wir bis an die Schmerzgrenze gegangen sind und gelegentlich auch darüber hinaus, wenn ich Sie an die Beispiele Axelmannstein und Hainbuchenstraße erinnern darf.“ Eine Aufschlüsselung, welche Gemeinde wie viele Flüchtlinge aufgenommen hat, bekommt man auf Anfrage aus dem Landratsamt nicht.
Landratsamt kann „auf die Belange der Kommunen keine große Rücksicht mehr nehmen“
Achtet das Landratsamt zu wenig auf eine ausgeglichene Verteilung auf die Gemeinden? „Aufgrund der stetigen Zuweisungen durch die Regierung von Oberbayern kann das Landratsamt auf die Belange der Kommunen keine große Rücksicht mehr nehmen“, antwortet hier die Behörde.
„Außerdem ist zu beachten, dass in manchen Gemeinden im Landkreis schlicht kein Wohnraum und keine leerstehenden Hotels zur Verfügung stehen, wohingegen dies in anderen Kommunen häufiger der Fall ist. Eine gleichmäßige Verteilung aller Flüchtlinge ist somit nie möglich.“ Das Landratsamt habe die staatliche Aufgabe, ankommende Flüchtlinge unterzubringen und sei sich sehr wohl bewusst, dass die Aufnahme und Integration der Flüchtlinge auch die Gemeinden im Landkreis vor große und schwierige Herausforderungen stellt.
Was wird aus dem Hotel Alpenrose?
Wie es am Hotel Alpenrose weitergeht, ist derzeit noch unklar. OB Lung: „Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt also nicht abschließend sagen, ob man seitens des Staates eine Einquartierung von Asylbewerbern in der Alpenrose erzwingen wird.“ Entscheidend sei hierzu das Baurecht, aber auch die Haltung vom Landratsamt und der Regierung von Oberbayern. Derzeit werden die beiden Bescheide (Zurückstellung des Abbruchs und Ablehnung des Neubaus) beklagt.
Des weiteren ist laut Lung noch ein Antrag auf Umnutzung in eine Asylberwerberunterkunft anhängig. „Sollte dieser nicht aus anderen Gründen abzulehnen sein, beabsichtigen wir auch hier eine Zurückstellung.“ Da es für die Umnutzung aktuell noch keine Genehmigung von Seiten der Stadt gebe, „wäre eine Unterbringung von Asylbewerbern in dem Gebäude aktuell rechtswidrig.“
Die aktuellen Flüchtlingszahlen im Landkreis BGL
Derzeit leben 1117 Asylbewerber und 1433 ukrainische Flüchtlinge im Berchtesgadener Land. Ein Großteil hiervon ist in staatlichen Unterkünften untergebracht. Laut Landratsamt sind sämtliche Kapazitäten im Landkreis ausgeschöpft. Weitere Unterkünfte stünden nicht zur Verfügung. Zudem würden auch einige Unterkünfte wegen auslaufender Mietverträge wegfallen. „Dies zeigt nochmal die Notwendigkeit, weitere – vor allem größere – Unterkünfte anzumieten“, so das Landratsamt. Grundsätzlich werden den Landkreisen alle zwei Wochen etwa 50 Asylbewerber oder ukrainische Kriegsflüchtlinge zugewiesen. „In den vergangenen Wochen hat diese Zahl jedoch aufgrund eines geringeren Ankunftsgeschehens etwas abgenommen. Da gerade in den Sommermonaten stets ein Anstieg der Ankunftszahlen zu verzeichnen ist, rechnet das Landratsamt auch wieder mit einer Erhöhung der Zuweisungen.“
mf