Infoveranstaltung in Rettenbach: ‚NEIN zum Windpark Kammer‘
Windpark bei Kammer: „Die Dinger verschandeln unsere schöne Landschaft“
Heftiger Gegenwind: „Wir sind besorgte Bürger aus Kammer und Waging“, hieß es zu Beginn des Infoabends in Rettenbach. Bislang habe es nur Veranstaltungen pro Windräder gegeben - diesmal sprachen die Gegner. Befürworter waren trotzdem da, die Stimmung entsprechend energiegeladen.
Traunstein - Am Dienstagabend (7. Mai) hatte die Initiative ‚NEIN zum Windpark Kammer‘ in das Wirtshaus Jobst in Rettenbach geladen. Der große Saal war voll, fast 200 Menschen waren aus der Umgebung angereist und warteten gespannt, denn: Infoabende gab es schon ein paar - allerdings meist organisiert von Befürwortern wie dem Aktionsbündnis Bürgerwindräder. Heute sollten die Gegner zu Wort kommen.
Offener Brief an Politik: Nein zu Windpark
Schon im Vorfeld der Veranstaltung hatte die Initiative ‚Nein zum Windpark Kammer‘ einen offenen Brief verfasst und an Politiker wie Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, aber auch Traunsteins Landrat Siegfried Walch und Oberbürgermeister Christian Hümmer geschickt. Darin machen sie ihren Ängsten und ihrem Unmut über einen möglichen Windpark in der Region Platz. Hintergrund: Der sogenannte Wind an Land Gesetz verlangt jetzt auch von Bayern, dass Windparks gebaut werden. Zur Diskussion stand auch an diesem Abend, ob das sinnvoll ist oder nicht. Unstrittig - es ist Gesetz:
Bayern geht die Luft aus - keine Chance mehr Windkraft zu verhindern
Deutschlandweit wurde im Juli 2022 das sogenannte `Wind-an-Land-Gesetz‘ verabschiedet. Es soll zur Erhöhung und Beschleunigung von Windenergieanlagen beitragen. Zwei Prozent der Bundesrepublik sollen demnach zur Nutzung von Windkraft zur Verfügung gestellt werden. Je nach Bundesland wurde eine bestimmte Teilfläche festgelegt. Für Bayern bedeutet das: 1,1 Prozent bis zum Jahr 2027, 1,8 Prozent bis zum Jahr 2032.
Durch eine Studie des TÜV wurden im Oktober 2022 bereits zwölf mögliche Standorte im Landkreis Traunstein bekannt gegeben. Im Gebiet östlich des Stadtteils Kammer und im Traunsteiner Stadtwald in Froschham auf Waginger Gemeindegebiet sollen bis zu sechs Windkraftanlagen errichtet werden. Vorgesehen sind drei bis vier Windräder in Froschham und zwei östlich von Kammer. Dabei spielt vor allem die Windgeschwindigkeit eine entscheidende Rolle. Gebiete, in denen der Bau eines Windkraftwerkes lukrativ betrieben werden könnte, werden als sogenannten Vorranggebiete ausgewiesen.
Befürworter und Gegner: Schlagabtausch bei den jeweiligen Infoveranstaltungen
Wie schon zuvor in Nachbargebieten wie Altötting, formiert sich jetzt auch im Chiemgau Widerstand: Man will die bis zu 260 Meter hohen Windkraftanlagen hier nicht - nicht vor der Haustür, nicht in Froschham und überhaupt nicht im schönen Chiemgau. Kirchturmdenken? Bei einer Infoveranstaltung Anfang April hatte das Aktionsbündnis Bürgerwindräder um den Sprecher Georg Huber versucht, die Bedenken der Anwohner auszuräumen.
Unter anderem erklärte die Kreisvorsitzende und stellvertretende Landesvorsitzende des Bund Naturschutz, Beate Rutkowski, damals, warum auch für Umweltschützer die Kosten-Nutzen-Bilanz von Windkraftanlagen in der Region Sinn mache. Stefan Schindler vom Windparkunternehmen reencon erzählte Details zu technischen Fakten, Kosten und Rentabilität.
Netzüberlastung, Blackout, Windstille?
„Ihr hattet die Chance, uns in Palling zu überzeugen, das ist nicht gelungen.“ Seine Worte richtete Stefan Spiegelsperger direkt in Richtung Rutkowski, Huber und Schindler, die auch gekommen waren. Dass der bekannte Kritiker von alternativen Energiequellen in Bayern, Prepper und YouTuber Spiegelsperger, sich hätte überzeugen lassen, ist anzuzweifeln. Seine Kritik trifft bei den Anwohnern der geplanten Windparks ins Schwarze - auch an diesem Abend.
Zum einen seien die Windgeschwindigkeiten in der Region nicht ausreichend, um rentablen und stabilen Strom herstellen zu können. Dazu zeigte er Zahlen aus dem Windenergieatlas. Selbst bei den, für die Region sehr hoch konzipierten Anlagen würde eine Rentabilität nicht gegeben sein. Spiegelsperger jonglierte im gesamten Vortrag mit sehr vielen Zahlen und Tabellen und gab selbst zu: „Tut mir leid, dass ich euch hier so zuschütte mit Zahlen, aber ich habe euch ja nur jetzt hier und will euch das alles zeigen.“
Auch beim zweiten Argument - die Stromnetze seien zu instabil für Wind und Sonnenenergie - viele Zahlen. Das Problem sei, so Spiegelsperger, dass Wind und Sonne nicht konstant Strom produzieren, die deutschlandweite Einspeisung also je nach Wetter variiere. Genauso wie der Verbrauch, der an Feiertagen oft gering sei. Den Überschuss beziehungsweise das Defizit müssten die Steuerzahler teuer bezahlen, indem importiert oder exportiert werden müsse. Denn sonst bräche das Stromnetz zusammen. Ein völliger Blackout könne die Folge sein. Das Stromnetz in Deutschland sei noch nie so instabil gewesen wie jetzt.
Infoveranstaltungen der Befürworter „reine Verkaufsveranstaltungen“
Weniger Zahlen, mehr Emotionen: Bei den anderen Reden des Abends schlug Ärgernis durch. Die Bevormundung des geplanten Baus und die schon vorher einseitige Informationslage ausschließlich pro Windkraft sei nicht hinnehmbar. Es hätte sich, so Gerlinde Hohenadel, lediglich um Verkaufs-, aber nicht Infoveranstaltungen gehandelt. Sie kritisierte auch: „Die in unserem offenen Brief gestellten Fragen wurden von den Verantwortlichen bis zum heutigen Tag nicht beantwortet.“ Danach verlass sie die Fragen, auch in Richtung der anwesenden Windkraftbefürworter. Darin enthalten - ein Rundumschlag gegen Windkraft:
Globaler Klimaschutz versus lokaler Umweltschutz?
„Warum werden wir nicht informiert darüber, dass Windräder den Boden austrocknen?“- eine der als Frage getarnten Kritikpunkte. Der Boden sei aber wichtiger Wasserspeicher, und somit sei es unverständlich, wie man als Umweltschützer Umwelt zerstören wolle. Auch der Abrieb der Rotorblätter durch Erosion und das dadurch entstehende Mikroplastik sprach Hohenadel an. Gesundheitsschäden wie Tinnitus, ja sogar Geschwüre könnten Folgen des Schalls der Rotorblätter sein. Ein Windrad würde soviel Lärm wie sechs Kettensägen erzeugen: „Da braucht mir niemand erzählen, dass man das nicht hört“
Energiegeladene Diskussion über Pro und Contra Windkraft
Im Anschluss an die Redebeiträge des Abends startete eine hitzige Diskussion. Denn jetzt hatten die Windparkbefürworter die Chance, auf die gestellten Fragen zu antworten. Spiegelsperger übernahm die Rolle des Moderators. Er ließ als erstes Georg Huber vom Aktionsbündnis Bürgerwindräder auf die Bühne. Eine Dame im Publikum fragt: „Würden sie, wenn jetzt alles stimmt, was Herr Spiegelsperger hier vorgetragen hat, sich immer noch für Windräder einsetzten?“
„Was ist die Wahrheit?“, erwiderte Huber. Stefan Spiegelsperger habe viele Zahlen genannt, die es zu überprüfen gilt: „Wenn es eine bessere Alternative gibt, werde ich mich nicht für Windkraft einsetzten.“ Das seien für ihn aber weder Atomstrom noch Kohle. Über Wasserkraft könne man allerdings schon nochmal sprechen.
Zurück zum Atomstrom - oder gleich zu den Dinosauriern?
Laut Spiegelsperger, der sich, wie viele andere an diesem Abend, auch für die Rückkehr zu Atomstrom einsetzte, sei Wasserkraft im Landkreis die weitaus bessere Option. Eine Dame im Publikum kritisierte dann auch die Politik bezüglich kleiner Wasserkraftwerke: „Hier werden unmögliche Auflagen gemacht.“ Oberbürgermeister Christian Hümmer gabt der Rednerin lautstark recht. Einige Wortmeldungen sprachen schlicht aus, was sicherlich auch ein großer Kritikpunkt bei den Anwohnern sein wird: „Die Dinger verschandeln unsere schöne Landschaft.“
Andere Redebeiträge sorgten bei den lokalen Politikern eher für Kopfschütteln. Ein Herr wollte mitteilen, dass er die Debatte um Klimaerwärmung generell verurteile und entsprechend die Suche nach erneuerbaren Energieträgern für überflüssig hielte. Im Jura zu Zeiten der Dinosaurier hätte es wesentlich mehr Kohlenstoffdioxid gegeben und da sei alles gut gewachsen. Ein anderer beschuldigte Stefan Schindler, der auf die Bühne gekommen war, um sich den Fragen und Vorwürfen der Gegner zu stellen:
Die Debatte geht bereits in die nächste Runde
„Der einzige, der hier das große Geld einstreichen wird, steht da oben.“ Schindler erklärte, er sei nur Angestellter der Projekttierfirma reencon und nicht Investor. Reencon sei wiederum von den Traunsteiner Stadtwerken beauftragt worden, nach möglichen Standorten in der Region zu suchen. Ein sicherlich nicht immer einfacher Job - nicht an diesem Abend.
Die Organisatoren von ‚NEIN zu Windpark Kammer‘ gaben sich gegen Ende entschlossen. Mit Unterschriftenlisten und weiteren Kampagnen wolle man den Bau der sechs Windräder verhindern. Aber auch die Befürworter, diesmal die Stadtwerke, laden bereits zur nächsten Veranstaltung: Dienstag, 14. Mai, um 19 Uhr beim Oberwirt in Otting. Die Debatte geht weiter.
