Warum der Waginger Stefan Spiegelsberger immer vorbereitet ist
Preppern für den Ernstfall: „Niemand serviert euch dann Butterbrezn auf dem Silbertablett“
Hochwasser, Sturm, Stromausfall - Katastrophen kündigen sich meist nicht langfristig an. Sie überrollen uns und dann? Der totale Blackout? Zusammenbruch der Infrastruktur? Durch die Corona-Pandemie oder den Ukraine-Krieg sind solche Szenarien näher gerückt. Immer mehr Menschen wollen auf Tag X vorbereitet sein. Clever oder Panikmache? Was sagt der Waginger Prepper „Mister Blackout“ dazu?
Waging am See – „Nach 24 Stunden ist hier Feierabend, dann gibt es kein Wasser mehr, kein Essen, du kannst nicht tanken.“ Im Falle eines Blackouts, also eines großräumigen Stromausfalles, hätten laut Stefan Spiegelsberger sehr viele Leute ein Problem. Er nicht, er ist Prepper. Gut vorbereitet zu sein ist für ihn von zentraler Bedeutung und mittlerweile verdient er auch sein Geld damit.
Preppern - Mehr als nur Marmeladengläser im Kellerregal?
Von den Medien „Mister Blackout“ getauft, hat er auf seinem Videokanal auf YouTube schon 142.000 Abonnenten, und es werden immer mehr. Als „Fachjournalist für Energie- und Katastrophenschutz“ gibt Stefan sein gesammeltes Prepperwissen dort zum besten. Noch vor einigen Jahren wurden Leute wie er als verschrobene Spinner belächelt.
Dann das: Erst leere Regale während der Pandemie - kein Klopapier mehr - Streit um die begehrte Rolle. Und kurz darauf der Ukrainekrieg und der damit einhergehende Wunsch nach Unabhängigkeit vom russischen Gas. Da war plötzlich der Gedanke eines möglichen Katastrophenszenarios auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Nicht für alle Generationen ein neues Phänomen, weiß Spiegelsberger:
„Was wir heute als Krisenvorbereitung bezeichnen, das war bei meinen Eltern eine normale Vorratshaltung. Meine Mutter ist einmal in der Woche einkaufen gegangen. Das heißt, für zwei, drei Wochen war bei uns immer genug da.“ Unsere Eltern und Großeltern waren also eigentlich Prepper? So bezeichnet hätten sie sich nicht. Der Name ist abgeleitet vom englischen Wort ‚prepare‘ für ‚sich vorbereiten.‘ Ein Prepper ist also erklärtermaßen ein Mensch, der sich gezielt auf eine, wie auch immer geartete Katastrophe oder Krise vorbereitet. Bei der Ausprägung ist das Spektrum dann weit gestreut.
Prepper: Rechte Spinner im Luxusbunker?
Durch Dokumentationen und Reportagen von Preppern aus der ganzen Welt kennen wir sie: Bis an die Zähne bewaffnete Männer, die im Luxusbunker darauf warten, dass die Apokalypse beginnt. Es gäbe immer auch extreme Fälle. Aber eigentlich seien Prepper ganz normale Menschen, so Spiegelsberger: „Ich glaube, wenn die Leute wüssten, wie viele Nachbarn sich vorbereiten, das würden die nie für möglich halten.“
Preppern eilt auch der Ruf voraus, eine gewisse Nähe zur rechtsradikalen Szene zu haben: Waffen, Tarnanzug und das heroische Bild des Überlebenskünstlers im Kampf gegen die Katastrophe. Das passt natürlich auch in ein patriarchales, militantes Weltbild von Nazis gut rein. Auch Stefan Spiegelsberger wurde bereits eine AFD-Verbindung und rechte Gesinnung nachgesagt. Stimmt das?
„Also definitiv nicht. Ich weiß auch nicht, wie ich mit drei Dosen mehr im Regal einen Weltumsturz machen sollte, was ja auch teilweise schon gesagt wird.“ Es gäbe immer Leute, die übertreiben, aber die gäbe es auch bei der Feuerwehr oder dem Trachtenverein. Ihm ginge es aber wie fast allen Preppern darum: „Ich weiß, meine Familie ist abgesichert, ich bin abgesichert, wir haben einen Plan, wenn irgendwas passiert.“
Mister Blackout, Atomstrom und die AFD: „Ich kenne keinen einzigen, der Nazi ist“
Als „Mister Blackout“ hat Stefan Spiegelsberger bereits für die AFD über sein namensgebendes Szenario referiert: den Blackout. Eine Annahme von ihm ist nämlich: Solar- oder Windenergie würden unsere vorhandenen Stromnetze gefährlich überlasten und es wäre nur eine Frage der Zeit, bis alles in einem Blackout zusammenbricht.
Grundsätzlich sei er zwar nicht gegen alternative Energiequellen, bestätigt er im Gespräch auf Nachfrage. Aber er spricht sich auch in der Öffentlichkeit für die Rückkehr zum Atomstrom aus. Positionen, die der AFD entgegenkommen. Nichtsdestotrotz: Im Interview versichert uns Spiegelsberger: „Ich kenne viele Prepper, aber ich kenne keinen einzigen, der jetzt ein Nazi ist.“
Es gehe dem Waginger, der ehrenamtlicher Helfer des technischen Hilfswerkes (THW) ist, vor allem um einen guten Plan im Worst-Case-Szenario. Also dann - Tacheles - was sind mögliche Szenarien? „Das fängt eigentlich schon damit an, wenn man zu einem Autounfall dazustößt“, antwortet Stefan überraschend. Mit einem Erste-Hilfe-Kurs und der richtigen Ausrüstung sei man dann auch hier gut vorbereitet. Und dann sei eben der besagte Blackout in Deutschland ein immer wahrscheinlicheres Szenario:
Ein Blackout würde verheerende Auswirkungen haben
„Wenn ich von Blackout spreche, nutze ich die Definition vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz. Das heißt, es dauert mindestens drei Tage und betrifft mindestens mehrere Bundesländer. Dann spricht man tatsächlich erst von einem Blackout.“ Wir sind komplett auf Strom angewiesen. Unter anderem fasst die Bundeszentrale für politische Bildung den Ablauf bei einem Blackout in einem Artikel zusammen und nennt Auswirkungen: Schon Sekunden nach einem Blackout hätten sich Internet und Telefon verabschiedet, die Kommunikation ist dann lahmgelegt. Hilfe am Telefon rufen? Keine Chance. Einzige Informationsbeschaffung: Batteriebetriebenes Radio. Die Flucht in eine andere Region? Schwierig:
Man könnte weder Geld abheben, noch Tanken. Ampeln würden ausfallen, auf den Straßen käme es unweigerlich zu Verkehrschaos. In Krankenhäusern würden für eine geraume Zeit noch Notstromaggregate lebenserhaltende Maschinen am Laufen halten. Bereits nach einem Tag wären Supermärkte leergekauft, tausende Tiere in Mastanlagen beginnen zu verenden. Die Müll- und Wasserentsorgung kommt zum Erliegen und kündigt Seuchen und Krankheiten an.
Bundesamt für Katastrophenschutz rät zur Vorsorge
Das klingt nach Endzeitfilm. Wie wahrscheinlich ist, dass so etwas in Deutschland passiert? Da gehen die Meinungen auseinander. Fakt ist: Das Bundesamt für Katastrophenschutz ruft alle Bürger dazu auf, sich mindestens für zehn Tage im Krisenfall selbst versorgen zu können: In einer extra herausgegebenen Broschüre, der „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“, heißt es: Deutschland ist gut vorbereitet … wenn jeder gut vorbereitet ist. Und auch Stefan warnt:
„Wer dann denkt, dass im Katastrophenfall die Hilfskräfte kommen und servieren einem Butterbrezn auf dem Silbertablett, das passiert halt einfach nicht. Und das muss jedem klar sein.“ Ich sitze mit Stefan bei einer tiefschwarzen Tasse Espresso im Büro und komme ins Grübeln. Doch mal ein paar Dosen Bohnen mehr in die Schublade packen? Wasserkanister in den Keller stellen? Reicht das? Tipps vom Profi für „Einsteiger-Prepper“:
„Notfall-Broschüre ist eine gute Grundlage, mir reicht das nicht“
„Bestellt euch echt die Broschüre vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz, die ist kostenlos, am besten gleich auch welche für den Nachbarn.“ Stefan gibt auch mir den orange leuchtenden Ratgeber in die Hand. In der Mitte des Heftchens eine Checkliste für Lebensmittel. Das wäre eine gute Basis. Für Stefan aber zu wenig. Wenn der Strom für sechs Tage weg ist, heiße das ja nicht, dass der Supermarkt gleich wieder voll ist, wenn der Strom wieder da ist. Er habe für drei Wochen vorgesorgt und das kann er auch jedem empfehlen. Spannend auch: Im Anschluss an das Gespräch zeigt uns Stefan den Inhalt seines Notfallrucksacks, den ihr auch in seinem YouTube Video ansehen könnt.
Prepper trifft Outdoorfan - Facetten der Redundanz
Tarp in Tarnfarbe, Wechselkleidung, kalorienreiche Fertignahrung, Kocher und vieles mehr hat Stefan im Fluchtrucksack immer bereit, damit er im Ernstfall die ersten Tage in freier Natur überleben könnte. Hier bewegt sich Stefan auch in meiner Komfortzone: Im Vergleich zur Vorratskammer bin ich als Bergsteigerin und Camperin hier im Vorteil und kann tatsächlich mitreden. Und bei Vor- und Nachteilen zu den verschiedenen Schlafsäcken, Isomatten und Zelten vergeht die Zeit dann im Flug - und ich verstehe langsam die Leidenschaft am Preppern.
Schließlich bin auch ich bei der Bergtour gut vorbereitet, schaue auf das Wetter, packe Erste-Hilfe-Set und Regenjacke ein. Ich tausche mich auch aus über geeignete Bergschuhe oder Wanderstöcke. Auch ein Lawinenkurs ist im Winter obligatorisch. Ich bräuchte wahrscheinlich auch nicht vier verschiedene Rucksäcke oder mehrere Daunenjacken - aber man weiß ja nie. Und so kann ich zumindest mit einem von Stefans Leitsätzen voll und ganz mitgehen: „Wer es geschafft hat, sich vorzubereiten, ist vorbereitet, es zu schaffen.“ Eine letzte Frage: Immer das schlimmste Szenario im Kopf - macht das nicht schlechte Laune?
Ein Espresso zum Weltuntergang? Wer kann, der kann
Gerade weil er so gut vorbereitet sei, müsse er keine schlechte Laune haben, antwortet er mit einem siegessicheren Lächeln: „Das erste, was ich dann mache, ist ein Espresso an meiner mit Notstrom versorgten Kaffeemaschine. Ich bin auf alles vorbereitet, deswegen bin ich so relaxed und das ist echt ein gutes Gefühl, muss ich sagen. Ich hätte eher das Problem, wenn ich jetzt nicht darauf vorbereitet wäre, dass ich mir dann denke, scheiße, was ist, wenn es jetzt doch passiert.“
