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Erst Spuren, dann Schafsrisse - hält sich ein Bär in den Bergen hoch über Oberaudorf auf?
Tiefe Spuren im Schnee waren nur die Vorboten für den Bären in der Region. Jetzt werden erste, grausame Schafsrisse gemeldet - im Gebiet Bichlersee und Wildbarren. Und die Hinweise, dass sich der Bär in den Bergen hoch über Oberaudorf aufhält, verdichten sich. Nervosität und Unbehagen steigen.
Oberaudorf - Das Unbehagen wächst im Raum Oberaudorf und Kiefersfelden: Offensichtlich hält sich ein Braunbär in der Region auf. Die Hinweise verdichten sich. Erste Bilder sind aufgetaucht, mit teils grausigen Details von Schafsrissen, was die Nervosität ansteigen lässt.
Dabei hatte es vergleichsweise harmlos begonnen. Noch zu Wochenbeginn machten Meldungen von Spuren im Schnee die Runde. Das zuständige Bayerisches Landesamt für Umwelt in Augsburg (LfU) bestätigte am Montagabend (17. April): Es wurden Bärenspuren in den Landkreisen Rosenheim und Miesbach nachgewiesen. Wo konkret, dazu wollte sich das LfU nicht äußern. Die Behörde wiegelt auf OVB-Anfrage ab.
Bärenspuren an der Felix-Alm entdeckt
OVB-Recherchen ergaben nun: Der Bär hält sich offenbar im Bereich Wildbarren und Bichlersee auf. Südlich des Wildbarrens, unweit der Felix-Alm (1052 Meter), fanden sich am Montag (17. April) die Spuren des Kraftprotzes in der verschneiten Landschaft. Entdeckt hatte sie Christian Antretter (59) aus Oberaudorf, Hüttenwart der Felix-Alm, bei einer turnusmäßigen Kontrollfahrt. Und er traute seinen Augen kaum. „Mir sind diese seltsamen Spuren aufgefallen, etwa 100 Meter von der Alm entfernt“, sagt er gegenüber dem OVB. „Als ich sie mir genauer angesehen habe, kam mir der Gedanke an einen Bären, aber man ist ja doch nur Laie.“ Also machte er Fotos und übermittelte sie dem LfU. Dort bestätigte man: Es handelt sich in der Tat um Bärenspuren.
Bei Christian Antretter löst die Bestätigung gemischte Gefühle aus. Angst? Hat er keine, verneint er. Schließlich halte er sich nur tagsüber auf der Alm auf, dann bei der Holzarbeit oder anderen Arbeiten. „Das ist laut, da haut der Bär schon ab“, klingt er zuversichtlich.
Die Felix-Alm an sich ist aktuell, im Frühjahr, noch verwaist. Sie befindet sich im Kirchenbesitz, wird nur für vorgebuchte Seminare genutzt, und das auch nur im Sommer. „Dann ist die Alm auch bewirtschaftet, aber nicht für die Öffentlichkeit“, erklärt Antretter. Die Alm ist damit kein klassisches Ziel für Bergsteiger - sie wird dennoch passiert, da sich unweit ein Wanderweg zum Gipfel des Wildbarrens (1448 Meter) befindet, ein beliebtes Ziel in den Voralpen mit Blick weit übers Inntal.
Das sind die Spuren des Bären




Schafe in Panik am Bichler See
Ebenfalls beliebt bei Ausflüglern und Urlaubern: der Bichlersee, zwischen Niederaudorf und Tatzelwurm gelegen mit Blick auf das Kaisergebirge, Traithen und das Sudelfeld. Und auch dort, am Berggasthof Bichlersee, ist Nervosität eingekehrt: Seit Montagabend (17. April) gegen 21:30 Uhr die Schafherde verrückt gespielt hat. Allen voran: Schafbock „Kurt“, stattliche 14 Jahre alt, der an diesem Abend in schiere Panik ausgebrochen ist.
Gastwirtin Mina Berger erinnert sich noch gut an den Abend: „Ich bin raus, konnte aber nichts entdecken und habe dann das Gatter zum Stall geöffnet. Da sind die Tiere dann in Panik reingestürmt.“ Und sie waren seither auch nicht wieder dazu zu bewegen, ins Gehege zurückzukehren. „Sie weigern sich, nicht mal mit Kraftfutter lassen sie sich rauslocken“, sagt Mina Berger. Das stellt die Wirtin nun vor eine gewisse Herausforderung: „Denn das Heu ist alle, das ist jetzt wirklich schwierig für uns.“ Ob auch hier ein Bär im Spiel war? Man weiß es nicht. Mina Berger konnte in dieser Nacht nichts entdecken, doch das Unbehagen am Bichler See ist nun doch groß.
Schafe grausam zugerichtet
Insbesondere, seit am Mittwoch (19. April) Schafsrisse in der Umgebung gemeldet wurden, etwa 1000 Meter Luftlinie vom Bichler See entfernt, an der südlichen Bergflanke des Wildbarrens. Die Almbäurin machte in den Morgenstunden die grausame Entdeckung: Zwei Schafe waren auf das Übelste zugerichtet, lagen verendet auf der Almwiese. Ein weiteres Tier überlebte den Angriff schwer verletzt, mit einer klaffenden Wunde am Hals. Die übrigen Tiere, knapp zwei Dutzend, hatten sich in den angrenzenden Wald geflüchtet. Die Zäune waren niedergetrampelt.
Der zuständige Revierjäger, Sepp Hoheneder, war am Mittwochvormittag informiert worden - und zeigt sich entsetzt. Für ihn kommt als Angreifer nur ein Bär infrage. „Ein Tier wurde regelrecht angefressen, das kann nur ein Bär gewesen sein“, ist er überzeugt. Er verständigte umgehend das LfU, das Spuren sichern und Proben entnehmen ließ. Die Behörde bestätigt auf OVB-Anfrage die Risse, als Verursacher nennt sie am Mittwochabend einen Bären. Die weiteren Untersuchungen laufen.
Jäger folgt den Spuren ins Dickicht
Revierjäger Sepp Hoheneder ist alarmiert - und besorgt. Denn mit dem Gedanken an einen Braunbären in seinem Revier befasst er sich seit Montagmorgen. Als Christian Antretter die Spuren im Schnee an der Felix-Alm entdeckt hatte. Und Hoheneder umgehend zum Fundort geeilt war. „Die Spuren waren deutlich im Schnee zu sehen und ich bin ihnen dann einfach nachgegangen, natürlich hatte ich mein Gewehr dabei“, sagt Hoheneder im OVB-Gespräch. Die Spuren, sie führten über die Almwiese und weiter ins Gebüsch - und schließlich ins Dickicht. „Dort wurde es dann so dicht und auch nass, dass ich nicht mehr weiter hinterher bin“, erzählt der Revierjäger. Und gesteht, dass ihn durchaus ein ungutes Gefühl beschlichen habe. Was, wenn der Bär dort lauert? Wie schnell würde er auf ihn zukommen?
Auf der Suche nach Nachweisen
Hoheneder als erfahrender Jäger wollte, auch wenn sich die Prankenspur, in der Fachsprache „Trittsiegel“, im Dickicht verlor, mehr über den gewaltigen Vierbeiner erfahren. Er wollte möglichst Fellspuren oder Kot sichern, um eine Genanalyse zu ermöglichen. Also suchte er weiter die Umgebung ab. „Plötzlich sah ich ein etwa acht Zentimeter langes Haar im Schnee und ich dachte mir, ein Treffer“, berichtet der Jäger. Doch schnell folgte die Ernüchterung: Sein geschultes Auge identifizierte es als Hirschhaar - womit dieses Bärengastspiel am Wildbarren nun wohl ohne genetischen Nachweis bleiben wird.
Ein Paradies für den Bären?
Nachweise könnten nun die jüngsten Schafsrisse bringen, doch das wird laut LfU noch etliche Tage andauern. Was Jäger Hoheneder große Sorge bereitet, ist die Tatsache, dass sich der Bär nun schon einige Tage in demselben Gebiet aufhält - und offenbar keinen Grund sieht, die Region wieder zu verlassen. „Rein nach Wanderschaft und Durchziehen sieht das nun nicht mehr aus“, befindet er. Zumal er im Raum Bichlersee und Wildbarren ein wahres Paradies vorfindet, wie Hoheneder befürchtet: mit Hochlandrindern, Schafen und selbst Ponys waren hier auf den Almen - wobei letztere bereits flugs von der Regauer Alm geholt und in Sicherheit gebracht wurden. Hoheneder fordert deshalb Behörden und Politik zum Handeln auf - zumal die Weide- und Auftriebszeit im Mai nun unmittelbar bevorsteht.



