Altenheim schließt: So geht es den Bewohnern
Aus für Wasserburger Seniorenheim: Hochbetagte sitzen auf gepackten Koffern – Wehmut beim Abschied
„Einen alten Baum verpflanzt man nicht“, sagt Hermann Weigel. Doch er und seine Frau müssen sich im hohen Alter noch einmal verpflanzen lassen, denn das Seniorenheim St. Konrad in Wasserburg schließt. Über betagte Menschen, die auf gepackten Koffern sitzen, Tage voller Wehmut und mutige Entschlossenheit.
Wasserburg/Edling – In den Balkonkästen stehen die Blumen noch in voller Blüte. Über die Fluren eilt das Pflegepersonal. Im Eingangsbereich sitzt eine Gruppe Seniorinnen auf ihren Rollatoren und ratscht. Sie sind die letzten Bewohner im Seniorenheim St. Konrad in Wasserburg. Es wird geschlossen, das heißt zusammengelegt mit dem Caritasheim Sonnengarten in Edling. Ein wenig ist diese Phase des Abschieds im sechsstöckigen Gebäude aus dem Jahr 1971, das die Caritas als Trägerin aufgrund baulicher Probleme nicht mehr saniert, zu spüren. Der Umzugswagen steht vor der Tür. Die große Tafel mit den Namen der Bewohner, die bereits weggezogen sind, füllt sich zusehends.
Aus für Seniorenheim St. Konrad in Wasserburg: „Wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft“
Auch das Ehepaar Weigel sitzt quasi auf gepackten Koffern. Hermann Weigel, 81, und seine Frau Gisela, 78, sind auf den Tag genau vor drei Jahren im Caritasheim St. Konrad eingezogen. „Das Haus war unser Zuhause“, sagt Hermann Weigel, „wir haben uns sehr wohlgefühlt. Wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft hier im fünften Stock, die jetzt auseinander gerissen wird“, berichtet er wehmütig und schaut ein letztes Mal aus dem Fenster, sein Lieblingsplatz, Richtung Burg, wo sich die Bäume bunt eingefärbt haben.
Diesen Ausblick hat er am 21. Oktober 2021 nicht genießen können. Liegend kam Hermann Weigel nach Wasserburg, nach einer schweren Operation ging es ihm gesundheitlich sehr schlecht. Der Sohn des Ehepaars lebt in Soyen, deshalb fiel die Entscheidung für den Umzug aus Oberfranken nach Oberbayern. Ein Beschluss, den die Weigels und ihre beiden Kinder, die sich intensiv um die Eltern kümmern, nicht bereut haben. Im Gegenteil: Im Caritas-Seniorenheim St. Konrad kam Hermann Weigel wieder auf die Beine. Er ist zwar ebenso wie seine Frau auf einen Rollator angewiesen, aber agil und unternehmungslustig. Der 81-Jährige ist so fit, dass er sich als Vorsitzender des Bewohnerbeirats engagiert.
Hermann Weigel (81): „Ich bin ein Optimist“
An diesem Morgen, an dem es heißt Abschied zu nehmen vom Zimmer im fünften Stock und der herrlichen Aussicht, bemüht sich Hermann Weigel auch aufgrund dieser Position um eine positive Ausstrahlung. „Ich bin ein Optimist“, sagt er. Und deshalb sei er „guten Mutes“, dass es ihm und seine Frau auch im Sonnengarten in Edling gefallen werde. Das Paar hat das neue Zuhause bereits angeschaut und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das dortige Doppelzimmer zwar etwas kleiner ist als in Wasserburg, das Gebäude jedoch wohnlich und modern, ausgestattet mit einem schönen Garten. Auch St. Kunigund in Haag, ebenfalls unter Trägerschaft der Caritas, wäre aufgrund der Nähe nach Soyen infrage gekommen, sagen die Weigels. Doch der Großteil der Bewohner aus Wasserburg ziehe nach Edling um, „wir wollen da hin, wo auch unsere Bekannten und die meisten unserer vertrauten Pflegerinnen sind“, sagen sie.
Trotz der Bereitschaft, im hohen Alter die Hürde eines weiteren Umzugs zu nehmen, hat Hermann Weigel seit Bekanntwerden der Nachricht, dass das Heim St. Konrad schließt, manchmal vor Sorge wach gelegen, räumt er ein. „In den letzten zwei Nächten habe ich jedoch wie ein Engel durchgeschlafen“, freut er sich. Denn jetzt habe das Hadern ein Ende, der Umzug stehe an. Die Weigels wollen es packen.
Diamantene Hochzeit in Edling geplant
Ihre diamantene Hochzeit werden sie 2025 in Edling feiern, haben sie sich fest vorgenommen. Die Eheschließung vor 60 Jahren, an einem wechselhaften Tag in Thüringen mit Sonne, Wind und niedrigen Temperaturen ist für sie Sinnbild ihres Lebens: viele Höhen, viele Tiefen. Sie haben auch letztere immer bewältigt. „Und deshalb schaffen wir auch den Umzug nach Edling“, sagt Hermann Weigel lächelnd und schaut seine Gattin, die etwas blass um die Nase ist, aufmunternd an.
„Wir müssen uns noch einmal verpflanzen lassen“
In den vergangenen Tagen haben ihm und seiner Frau vor allem die Schwiegertochter und die Enkelinnen „tüchtig beim Einpacken geholfen.“ Außerdem hat sich das Mitarbeiterteam intensiv um sie gekümmert. Überhaupt: Die Weigels sind voll des Lobes für die Pflege und Betreuung im Caritasheim Wasserburg. „Beide Daumen hoch“, sagt Hermann Weigel. „Wir haben uns gefühlt wie in einer Familie.“ Die Einrichtung habe zudem viel angeboten: Feste, kirchliche Feiern, Sport, Training fürs Fit bleiben und Beschäftigung. Das sei auch für die neue Heimat in Edling versprochen worden.
„Einen alten Baum verpflanzt man nicht, doch wir müssen uns noch einmal verpflanzen lassen“, sagt Hermann Weigel. „Sie schaffen das“, macht Heimleiter Franz Bachleitner beim Abschied Mut. Er steht vor der Glastür im Eingangsbereich und reicht dem Ehepaar ein letztes Mal die Hand. „Chef“ nennen die Weigels ihn. Und stellen ihm ein tolles Zeugnis aus: „Er war ein super Chef, besser geht es nicht.“ Bachleitner lächelt verlegen. Zuvor hatte das Paar noch viele Hände geschüttelt: von Pflegekräften und von drei Mitbewohnerinnen, die sich extra im Foyer eingefunden haben, um alles Gute zu wünschen. Wehmütige Stimmung liegt in der Luft, auch bei Bachleitner. Acht Jahre lang war er Heimleiter in St. Konrad, ein halbes Jahr auch für das Haus Sonnengarten in Edling. Wenn das Wasserburger Heim leer ist, wird er sich bei der Caritas neuen Aufgaben widmen, sagt der Sozialpädagoge.
Wehmut und manchmal auch Tränen zum Abschied
Doch bis dahin heißt es noch, weitere Umzüge organisieren. Carmen Krippl, stellvertretende Pressessprecherin des Caritasverbandes für die Erzdiözese München und Freising, betont: „Zeitdruck gibt es nicht.“ Bis sich zum letzten Mal die Tür hinter Bewohnern schließen werde, würden diese versorgt. Das Haus habe schließlich noch eine Zulassung bis zum Jahr 2031. Doch das Ende des Betriebs sei in Sicht. Das prägt auch die Stimmung im Haus. „Da gibt es auch schon mal Tränen, bei Bewohnern und auch bei uns, den Mitarbeitern“, sagt Bachleitner.
Dies bestätigt auch Conny Saremba, Alltagsbegleiterin in Wasserburg und neue Leiterin der Tagespflege in Edling. Sie sitzt bereits zwischen zwei Stühlen, arbeitet drei Tage in St. Konrad, zwei Tage im Sonnengarten. Saremba begleitet die Umzüge, unterstützt, berät, hilft. Auch ganz praktisch: Sie packt mit an, wenn es gilt, eine Kiste zu verstauen oder einen Koffer zu packen, eine im Durcheinander des Umzugs verlegte Jacke zu finden oder tröstende Worte.
Alltagsbegleiterin: Hochbetagte gewöhnen sich schnell an neue Situation
Als die Nachricht von der Schließung kam, waren viele Senioren verunsichert, berichtet sie. Die Bewohner hätten sich zum Teil überfordert gefühlt und Angst gehabt vor der neuen Herausforderung. Schließlich habe niemand damit gerechnet, noch einmal eine örtliche Veränderung erleben zu müssen. Doch wenn die Bewohner das neue Haus in Edling gesehen hätten, die schönen Zimmer mit modernen Bädern, dann sei die Stimmung stets mit einem Schlag besser geworden. „Ich bin überrascht, wie schnell sich die Hochbetagten an die neue Situation gewöhnt haben“, berichtet sie.
Wobei: Eigentlich sei es so verwunderlich nicht, denn die Senioren würden einer Generation angehören, die es gewohnt sei, mit Veränderungen umzugehen. Die Biografien würden viele Höhen und Tiefen aufweisen, die Bereitschaft, sich noch einmal eine Herausforderung zu stellen, sei groß. Erleichternd wirke die Tatsache, dass viele Mitarbeitende aus St. Konrad in den Sonnengarten gewechselt seien oder wechseln würden. Das Wiedersehen dort helfe sehr bei der Eingewöhnung.
So ist die Lage im Seniorenheim St. Konrad in Wasserburg
Das Altenheim St. Konrad hatte nach Angaben des Caritasverbandes als Träger früher eine Zulassung für 98 Plätze. Vor der Corona-Pandemie lebten hier 80 Senioren, für die die Caritas einen Versorgungsauftrag hatte. Im März 2024, als die Nachricht von der Schließung kam, waren es nur noch 56, auch weil es zu wenig Personal für die Betreuung gab. Das sechste Stockwerk musste aus diesem Grund geschlossen werden.
Im Frühjahr kam die Nachricht vom Aus der Einrichtung in Wasserburg, die mit dem Haus Sonnengarten in Edling zusammengelegt werde. Im September starteten die ersten Umzüge nach Edling. Einige Bewohner entschieden sich auch zu einem Wechsel ins Betreuungszentrum Wasserburg, einige zog es laut Caritas zudem in die Einrichtung des Trägers nach Haag.
Im Seniorenheim Edling wurden sechs Einzel- in Doppelzimmer umgewandelt. Hier können, Stand heute, maximal 70 Senioren betreut werden, berichtet die Caritas. Derzeit leben hier 58. Es gebe also noch Platz für zwölf weitere Bewohner.
In Wasserburg sei der Auszug so weit gediehen, dass hier nur noch 22 Bewohner ansässig seien. Einige ständen auf einer Warteliste im Betreuungszentrum Wasserburg, für andere hätten sich ebenfalls Lösungen ergeben. Es bleiben sieben Betroffene, die noch keinen Ersatz für den Heimplatz in Wasserburg gefunden haben, berichtet die Caritas.
Carmen Krippl aus der Pressstelle legt Wert auf die Feststellung: „Niemand wird auf die Straße gestellt.“ Es würden sich Regelungen finden. Auch in Edling gebe es noch Räumlichkeiten, die zusätzlich übergangsweise in Bewohnerzimmer umgestaltet werden könnten.
So ist die Lage im Seniorenheim Sonnengarten in Edling
Große personelle Probleme, Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Traunstein wegen mutmaßlicher Pflegemängel, Aufnahmestopp: Das Altenheim Sonnengarten in Edling hat turbulente Zeiten hinter sich. Dass es mit St. Konrad in Wasserburg zusammengelegt wird und die Bewohner aus der Nachbarstadt aufnehmen soll, hatte für viel Kritik im Wasserburger Stadtrat gesorgt.
Personell sei das Haus wieder in ruhigen Gewässern angelangt, ist Wasserburgs Heimleiter Franz Bachleitner, der bis vor wenigen Tagen auch die Hausführung in Edling innehatte, überzeugt. Durch Umbaumaßnahmen seien im Seniorenheim Sonnengarten in Edling, ebenfalls betrieben von der Caritas, 70 Plätze entstanden. Hinzu kämmen noch 20 Plätze für die Tagespflege. Die Küche in Edling kann die notwendigen 90 Essen pro Tag auf Dauer nicht stemmen, sie wird also geschlossen, bestätigt der Caritasverband entsprechende Gerüchte. Das warme Mittagessen werde aus dem Altenheim St. Kunigund in Haag nach Edling geliefert. Frühstück und Abendessen sowie Kaffee und Kuchen würden weiterhin vor Ort in Edling zubereitet. Der Transport des Mittagessens sei an einen externen Anbieter vergeben worden. Jedem Mitarbeitenden aus Wasserburg sei ein Arbeitsplatz im Sonnengarten in Edling angeboten worden. Auch das Personal aus der Küche könne hier weiter tätig sein.
Das Altenheim in Edling hat am 15. Oktober mit Michael Klotz einen neuen Leiter erhalten. Klotz verfügt laut Caritas über große Erfahrung im Management eines Seniorenheims. Er betreute bis zum Wechsel nach Edling eine Einrichtung in München. Bachleitner bleibt der Caritas erhalten: Er wird innerhalb des Verbandes neue Aufgaben übernehmen, teilt er mit.




