Aus für Heim St. Konrad: „Nicht mit uns!“
„Senioren behandelt fast wie ein Stück Vieh“: Caritas in Wasserburg im Fokus der Kritik
„Unmenschlich“ – „unanständig“: Der Wasserburger Stadtrat reagiert extrem sauer auf das Aus des Seniorenheims St. Konrad. Im Fokus der Kritik steht der Caritasverband, der die Bewohner noch im Januar für die Instandhaltung des Hauses zur Kasse gebeten hatte. Wie es für die Heimbewohner jetzt weitergeht.
Wasserburg – So sauer wie in der ersten Sitzung nach Bekanntwerden der Nachricht, dass das Seniorenheim St. Konrad geschlossen wird, hat bisher wohl noch niemand den Wasserburger Stadtrat erlebt. Quer durch alle Fraktionen: Empörung, Entsetzen, Wut. Und Applaus für die Seniorenreferentin: Friederike Kayser-Büker (SPD) nahm in ihrer Abrechnung mit dem Caritasverband kein Blatt vor den Mund. Denn öffentlich wurden auch die Pläne, die Bewohner aus Wasserburg nach Edling zu verlagern. Und dass Senioren im Haus „Sonnengarten“ in Edling wiederum gebeten worden waren, ebenfalls umzuziehen – beispielsweise in ein Caritashaus nach Kolbermoor.
„Alte Menschen werden hin- und hergeschoben“
Angehörige hatten schon im Gespräch mit der Wasserburger Zeitung und wasserburg24.de von einem „Verschiebe-Bahnhof“ gesprochen. Öffentlich mag sich niemand äußern, berichtete auch Kayser-Büker – aus Angst davor, dass dies die Bewohner ausbaden müssten. „Ich habe den Eindruck, der alte Mensch kann verschoben werden, egal wohin. Da gibt es kein Recht auf Inklusion, hier findet Exklusion statt. Das Alter per se und die dazukommende Pflegebedürftigkeit bedeuten hier, dass man Bedürfnisse nach Geborgenheit, guter Verpflegung, Wertschätzung der Individualität und gesellschaftliche Teilhabe sowie Heimat nicht als Grundwerte im Alter betrachten kann“, ärgerte sich Kayser-Büker.
Vorwurf: Weit weg statt nah am Menschen
Markus Bauer (CSU) warf dem Caritasverband vor, seinem Motto „nah am Menschen“ nicht mehr gerecht zu werden. Der Wohlfahrtsverband sei stattdessen „weit weg von den Menschen“. Senioren würden in Wasserburg und Edling „fast wie ein Stück Vieh behandelt“. „Ich werde meine persönlichen Konsequenzen aus diesem Verhalten ziehen“, so Unternehmer Bauer. „So geht das nicht, von heute auf morgen eine Schließung verkünden, Bewohner, Angehörige und Stadt vor vollendete Tatsachen stellen. Nicht mit uns.“ Christian Flemisch (ÖDP) pflichtete ihm bei: „Mit Nächstenliebe hat das Verhalten der Caritas nichts mehr zu tun.“
Stadtrat plant Resolution
Das will der Stadtrat auch in einer Resolution zum Ausdruck bringen. Die Verwaltung wird ein Schriftstück vorbereiten, dass ein Umdenken der Caritas und den Erhalt des Heimes fordert. Einstimmig beschloss das Gremium diese Vorgehensweise, die Dr. Martin Heindl (SPD) vorgeschlagen hatte.
Außerdem will die Stadt erkunden, ob sich für das Haus St. Konrad nicht doch noch ein anderer Träger findet. Das war unter anderem eine Anregung von Steffi König (Grüne). Bürgermeister Michael Kölbl (SPD) teilte mit, erste Telefongespräche diesbezüglich hätten stattgefunden, noch ohne Ergebnis. Das Haus hat noch eine Betriebserlaubnis bis 2031, mit Chance auf Verlängerung, so der Rathauschef.
Hilfe und eine Not-Lösung
Kayser-Büker hat außerdem bereits mit dem Betreuungszentrum geredet, das das Seniorenheim auf der Burg von der Stiftung Attl übernommen hatte. Kölbl kündigte an, dass die Unternehmensgruppe Krohn-Leitmannstetter bereit sei zu helfen. Auf der Burg 9 und 11 hat das Seniorenheim eigentlich ein betreutes Wohnen geplant. Die Räumlichkeiten seien noch nicht bezogen und könnten übergangsweise etwa zehn Not-Plätze für Senioren bieten, die St. Konrad verlassen müssten. Denn fest steht: In St. Konrad leben laut Bürgermeister Kölbl in großer Mehrzahl „Alt-Wasserburger“, die in der Stadt bleiben möchten, weil sie hier ihre Freunde und Familien haben. Soziale Kontakte, von denen sie abgeschnitten würden, wenn sie Wasserburg verlassen müssten. „Das kann man mit Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet und Steuern für diesen Staat gezahlt haben, nicht machen“, war sich der Stadtrat mit Dr. Hermann Budenhofer (Freie Wähler Reitmehring-Wasserburg) einig.
„Kurzfristigkeit ist eine Katastrophe“
Das Seniorenheim auf der Burg, betrieben durch Krohn-Leitmannstetter, zeigt laut Kayser-Büker: „Es geht doch.“ Große personelle Problemen seien dort nicht vorhanden. Es gebe auch Caritasheime wie jenes in Haag oder in Kolbermoor und Traunstein, die würden reibungslos laufen. Heindl spricht deshalb von „einem dilettantischen Management“, das die Häuser in Wasserburg und Edling ins Trudeln geraten lassen habe. Es sei ein Fehler gewesen, die Einrichtung in Edling zu übernehmen, obwohl die Caritas gewusst habe, dass sich das Haus mit existentiellen Fragen herumschlage, ist Kayser-Büker überzeugt. Eine personelle Stabilisierung sei nicht erreicht worden. Jetzt bestehe sogar die Gefahr, dass in Edling aus den appartementähnlichen Alterswohnungen Zweibettzimmer gemacht würden. Das sei dann nicht nur für die Edlinger Bewohner, sondern auch für jene aus Wasserburg, die hier hinziehen würden, ein Rückschritt.
„Die Kurzfristigkeit ist eine Katastrophe“, so Kayser-Büker angesichts der überraschenden Entscheidung, die Heime zusammenzulegen und St. Konrad zu schließen. „Das ist unmenschlich.“ Ihr liege die Abrechnung einer Bewohnerin vor, die im Januar noch eine Erhöhung des Investitionskostenzuschlages habe hinnehmen müssen. „Wusste der Caritasverband im Januar noch nicht, dass er im März die Schließung verkündigen wird? Oder hatte man die Entscheidung bereits gefällt und die Bewohner trotzdem zur Kasse gebeten? Egal, welche Variante: Beides lässt den Betrachter höchst irritiert zurück.“ Mittlerweile sei die Caritas zwar zurückgerudert, so Kayser-Büker, doch ein fader Beigeschmack bleibe.
Appell für Zusammenhalt
Der Aufnahmestopp bringe die stationäre Altenpflege in Wasserburg und auch in Edling schon jetzt in eine schwierige Situation. Denn Plätze müssten aus- statt abgebaut werden, weil auch der Bedarf an Kurzzeitpflege nach Krankenhausaufenthalten immer größer werde. „Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn andere Einrichtungen es dem Caritasverband gleichtun. Stellen wir dann die Leute auf die Straße oder werden sie in den Bayerischen Wald verlegt?“
Die Stadt Wasserburg müsse jetzt zusammenhalten: nicht nur im Kampf um das Heim St. Konrad, sondern auch generell, um die Situation für alte Menschen zu verbessern: durch Wohnraum für Pflegekräfte, Bebauungspläne für Altenheime, Immobilienangebote für ambulante Pflegedienste und Praxen, gute Busanbindungen und den Abbau von Barrieren, so Kayser-Bükers Appell.
Edlings Bürgermeister Schnetzer hofft auf „geordnete Verhältnisse“
Auch im Edlinger Gemeinderat am Donnerstagabend (21. März) war die Situation rund um die beiden Caritas-Häuser in Wasserburg und Edling kurz Thema. Bürgermeister Matthias Schnetzer (CSU) verkündete die Nachrichten offiziell im Gemeinderat. „Die meisten werden es aber ohnehin aus der Presse erfahren haben“, sagte er. Die Schließung des Hauses St. Konrad sei ein „schwerer Schlag für Wasserburg.“ Um den Weiterbestand der Einrichtung „Sonnengarten“ in Edling müssten sich die Anwohner aber keine Sorgen machen. „Tatsache ist, das Haus St. Konrad wurde in den 70er Jahren erbaut. Das Gebäude des ‚Sonnengarten‘ wurde im Jahr 2014 errichtet. Hier zu schließen, stand also nie im Raum.“ Dennoch gebe es auch in Edling massive personelle Probleme, die zu einem Qualitätsverlust geführt hätten. „Vorerst wird es deshalb auch im Sonnengarten einen Aufnahmestopp geben und ein kompletter Teil der Wohnbereich wird geschlossen.“ Er hoffe, dass mit dieser Maßnahme bald wieder „geordnete Verhältnisse“ im Sonnengarten herrschen würden.


