Bär zog im Frühjahr 2023 durch die Region
„Etwas mehr Aufwand“: Ein Jahr nach dem Bären-Besuch – Wie Almbauern jetzt ihre Tiere schützen
Im April 2023 machte der Bär von Oberaudorf Schlagzeilen. Und nun, ein Jahr danach? Scheint sich die Region einerseits auf gelegentliche Besuche großer Raubtiere eingestellt zu haben. Und überdies auf die Mithilfe der Nachbarn zu hoffen.
Oberaudorf – Andrè Sigl hatte damals Tränen in den Augen. Da lagen, übel zugerichtet, die Kadaver zweier Schafe aus seiner Herde. „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll“, sagte er vor ziemlich genau einem Jahr. „Wir können uns doch nicht vertreiben lassen von Wolf und Bär.“
Schafzüchter Sigl sprach stellvertretend für viele im Inntal. Es war Mitte April vor einem Jahr, als sich erstmals ein ganz neuer und doch schon lang erwarteter Gast ankündigte. Erst machten Gerüchte die Runde, dann bestätigte das Landesamt für Umwelt am 17. April 2023: Ein Bär hat in den Landkreisen Rosenheim seine Spuren im Schnee hinterlassen. Gekommen war er aus Tirol, im weiten Bogen über den Landkreis Miesbach tappte er in die Berge des Mangfallgebirges.
Almbauern fürchteten um ihre Kinder
Die Verunsicherung war groß. Almbauern brachten ihre Kinder mit dem Auto zum Bus, aus Furcht, dass sie auf dem Marsch durch den Wald vom Bär angefallen werden könnten. In den folgenden Wochen schrieb der Bär immer wieder Schlagzeilen: durch Risse von Schafen, durch Spuren im beliebten Skitourengebiet am Sudelfeld, durch Spekulationen, dass er sogar Inn und Autobahn gequert haben könnte. Schließlich bekam der Bär ein Gesicht: In Siegsdorf tappte er in eine Fotofalle. Noch ein paar Risse, noch ein, zwei Auftritte in Fotos von Wildtierkameras, dann verschwand er von der Bildfläche. Erst tot wurde er wiederum gesichtet: Er war von einem Zug im Salzburger Land überfahren worden. Seine Ruhestätte fand er ausgerechnet im Jagdzentrum Stegenwald der Salzburger Jägerschaft.
Ein großer, aber unauffälliger Bär
Es war ein großer und doch weitgehend unauffälliger Bär, der doch meistens Abstand zu den Menschen hielt. Das kann man im Abstand von einem Jahr sagen. Wie sieht es aber zu Beginn der neuen Alm-Saison aus? Was ist von Wolf und Bär im Inntal zu erwarten?
Simone Braun, Wirtin vom Berggasthof Bichlersee in den Bergen oberhalb Oberaudorfs, wandte sich seinerzeit an die Öffentlichkeit. Umgeben unter anderem von Ministerpräsident Markus Söder, Landtagspräsidentin Ilse Aigner, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Umweltminister Thorsten Glauber sprach sie von den Sorgen der Menschen im Inntal. Nun, ein Jahr später, fühlt sie sich gut vorbereitet auf einen Frühling und Sommer mit vielen Wanderern. „Die Stimmung hat sich ziemlich normalisiert“, sagt sie.
Sommer in den Bergen: Die Urlauber dürfen kommen
Zu Beginn, nachdem Spuren aufgetaucht und drei vom Bär gerissene Schafe entdeckt worden waren, da sei die Verunsicherung groß gewesen, Urlauber sagten ihren Besuch ab. Mittlerweile habe sich die Aufregung gelegt. Allerdings setze man schon darauf, dass die Politik das Problem auch nach dem schlagzeilenträchtigen April 2023 im Blick behalte und notfalls eingreife. Schon um die Infrastruktur mit Almbauern und Gastronomie zu bewahren. „So viele Wirtschaften gibt‘s hier auch nicht mehr“, sagt Braun.
Höhere Zäune, stärkerer Strom: Wie sich Bauern vorbereiten
„Ein bisserl angespannt“ fühlt sich Schafhalter Sigl. Er habe sich vorbereitet, „etwas mehr Zaun, etwas mehr Aufwand“ mit mehr Weidegeräten für gleichmäßigeren Strom habe er schon betrieben, um seine Tiere zu schützen. Zum Glück habe man einen milden Winter hinter sich, der Aufbau und Pflege des Zauns erleichtert habe. Er hofft, von Besuchen „großer Beutegreifer“ – so werden Wolf und Bär von den Behörden genannt – verschont zu werden. Die Entschädigung nach den Rissen im vergangenen Jahr sei erst spät gekommen, für die Trauer und den Schrecken beim Anblick der übel zugerichteten Tiere gebe es ohnehin keine angemessene Entschädigung.
Hunde und Zäune sollen helfen
Vorbereitet haben sich auch Josef Regauer und seine Familie. Auch die Regauers waren im vergangenen Jahr betroffen. Nun sind seine Weiden eingezäunt, zudem hat er mit Hilfe des Landesamtes Hütehunde angelernt, die Bär und Wolf abschrecken sollen. Ein Modell für die Zukunft? „Da müssen wir erst schauen“, sagt Regauer. Schließlich gebe es auch Winter, in denen Schnee und Sturm dem zusetze, was der Mensch zum Schutze von Tieren da aufbaue. Und: „Es gefällt auch manchem nicht, dass da kilometerlang Zäune aufgestellt werden“.
Zäune sind teuer und funktionieren nicht überall
Auch Kreisbäuerin Katharina Kern sieht die Nachteile von Zaun und Hütehund. Da werde schon mancher Wanderweg eingezäunt, und mit den Hunden sei nicht zu spaßen. Der Aufwand sei überdies hoch, „das kostet schon viel Steuergeld“. Besser sei es, die Raubtiere im Zaum zu halten. „Der Wolf ist schließlich längst nicht mehr vom Aussterben bedroht.“ Aber, das sagt sie auch: Angst oder gar Panik gebe es bei den Landwirten gerade nicht, die Stimmung sei vergleichsweise gelöst.
Tirol nimmt den Bayern Arbeit ab
Das kann an der Nachrichtenlage lliegen. Hierzulande wurde letztmals im Mai 2023 im Allgäu ein Bär gesichtet, nach Auskunft des Landesamtes für Umwelt befindet sich Bayern immer noch auf Stufe eins seines „Bärenmanagements“ – der Freistaat geht lediglich von vereinzelten, männlichen Besuchern aus.
Aus Tirol kommen zwar regelmäßiger Nachrichten über Sichtungen von Bären, aber die spielten sich weit von der bayerischen Grenze entfernt ab. Tirol befeuert die Zuversicht der Almbauern in Bayern auch aus anderen Gründen. „Wir haben den Vorteil, dass die Tiroler bei den Wölfen etwas weiter sind“, sagt André Sigl. „Die entnehmen schneller. Davon profitieren wir mit Sicherheit.“
