Auch in Pfaffing und Albaching
„Das bisschen Haushalt“: Wie der Interims-Kämmerer Kommunen in Personal- und Geldnot hilft
30 Kommunen und einem Landkreis, darunter Pfaffing und Polling, hat Josef Nießl, Experte für kommunale Finanzen, in dieser Saison aus der Patsche geholfen. Der Interims-Kämmerer unterstützt bei Geld- und Personalnot. Die ist derzeit groß. Über klamme Kommunen und „das bisschen Haushalt“.
Pfaffing/Albaching/Landkreis – „Ich kümmere mich um das bisschen Haushalt“, zitiert Nießl schmunzelnd den bekannten Schlager von Johanna von Koczian. Doch eigentlich ist ihm gar nicht zum Lachen zumute, denn die Aufstellung eines Haushalts bereitet den Kommunen und Landkreisen derzeit immer mehr Kopfschmerzen. Viele Finanzverwaltungen haben als Folge leerer Kassen und hoher Schulden Probleme, ihre laufenden Kosten zu decken. Und finden angesichts der schwierigen Finanzlage und der Fülle an Aufgaben keine Finanzverwalter mehr. Letzteres passierte auch der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Pfaffing-Albaching. Hier sind die Finanzen zwar in Ordnung, aber zwei Jahre lang suchte die Kommune mit einer Unterbrechung nach einer Leitung der Kämmerei. Zum 1. Januar ist dieses Problem gelöst, berichtet Bürgermeister Josef Niedermeier erleichtert.
Experte für kommunale Finanzen: „Absatz so sicher wie bei einem Beerdigungsunternehmen“
Übergangsweise haben die VG und ihre beiden Mitgliedsgemeinden mit Unterbrechung die Dienste von Nießl in Anspruch genommen. Der Diplom-Verwaltungswirt, Dozent an der Bayerischen Verwaltungsschule, ist derzeit ein gefragter Mann. Der 66-Jährige kann sich vor Anfragen kaum retten. „Der Absatz meiner Dienstleistungen ist so sicher wie bei einem Beerdigungsunternehmen“, erklärt er mit trockenem Humor. Vor zwölf Jahren hat er sich als Berater für Kommunen und Landkreise sowie Interims-Kämmerer selbstständig gemacht. Er war selber mal angestellter Kämmerer und auch im Innenministerium im Bereich Kommunalfinanzen tätig. Werbung müsse er nie machen, die Nachfrage sei derzeit so groß wie noch nie zuvor. Hauptgrund: finanzielle Sorgen: „Kommunen erfüllen 25 Prozent der öffentlichen Aufgaben, bekommen jedoch nur 14 Prozent der öffentlichen Mittel“, bringt er das Problem auf den Punkt.
Kommunen ächzen unter neuen Aufgaben
Vielen Gemeinden und Städten hätten Probleme, einen soliden Haushalt aufzustellen, etwa wenn die Gewerbesteuereinnahmen einbrechen würden. Die Aufgaben, die von oben auf die untere Ebene verteilt werden, würden immer mehr und immer komplexer. Als Beispiele nennt Nießl die Rechtsansprüche für Kita-Plätze und Ganztagsbetreuung an der Grundschule sowie die vom Bund geforderte Wärmeplanung. Hinzu komme ganz aktuell die Grundsteuerreform. Viele Straßen seien sanierungsbedürftig, Kanäle ebenso. „Die Mittel, die zur Verfügung stehen, halten da nicht mit.“ Finanzverwalter sehen sich nach seinen Erfahrungen außerdem immer aufwendigeren bürokratischen Aufgabenstellungen konfrontiert: Förderantragsverfahren beispielsweise würden komplexer und aufwendiger.
Doch Kämmerer in Kommunen und Landkreisen sehen sich nach seiner Erfahrung auch steigenden Ansprüchen ausgesetzt. Aus der Kommunalpolitik würden Wünsche herangetragen, der Trend zu Einzelinteressen befeuere Debatten um Ausgaben und Investitionen. Der Druck auf die Verwaltung steige. Interims-Fachkräfte können in diesem Zusammenhang zur Versachlichung beitragen, stellt Nießl immer wieder fest. Er habe den Blick von außen auf die Kommune, könne oft deeskalierend wirken, berichtet er.
Ständig neue Herausforderungen: Überforderungsgefühle oft die Folge
Trotzdem werfen Chefs von Kämmereien heutzutage schneller hin als früher, so seine Erfahrung. Ein personeller Aderlass, der vor allem kleine Kommunen hart treffe. 75 Prozent aller Gemeinden in Bayern hätten unter 5000 Einwohner. Höre hier der Leiter der Finanzverwaltung auf, gerate das System schnell ins Trudeln. Neubesetzungen würden sich zunehmend als schwierig herausstellen, denn eine kommunale Verwaltung mit ihrem starren Tarif- und Besoldungssystem konkurriere mit der freien Industrie, die flexibel und leistungsorientiert zahlen könne. Die geburtenstarken Jahrgänge steuern außerdem derzeit in Richtung Ruhestand, die neue Generation der Finanzexperten für die öffentliche Hand sei oft anspruchsvoller, was Arbeitszeiten oder die Work-Life-Balance angehe. Es falle viel leichter als früher, zu kündigen, wenn etwas nicht mehr passe. In der mittleren Generation der Kämmerei-Mitarbeiter sei außerdem oft die Weiter- und Fortbildung vernachlässigt worden. Die ständig auftretenden neuen Regelungen und Aufgaben würden bei Mitarbeitern, die nicht auf dem aktuellen Stand seien, schnell ein Gefühl der Überforderung auslösen, bedauert Nießl.
Wenn es eng wird, springt er ein, so wie Pfaffing und Albaching, wo die Haushaltsaufstellung aufgrund einer soliden finanziellen Basis kein Problem war. „Noch nie ist ein von mir aufgestellter Etat abgelehnt worden“, berichtet der Interims-Kämmerer. Er verweist außerdem darauf, dass eine Kommune nicht pleitegehen kann. Das Schlimmste, was möglich ist: dass der Staat eingreift. Es gibt Stabilisierungshilfen, die dabei unterstützen, finanziell wieder auf die Füße zu kommen. Das klinge eigentlich gut, doch Nießl betont: „Wer zahlt, schafft an.“ Kommunen, die diese Hilfen anfordern würden, müssten in der Regel starke Einschnitte vollziehen: freiwillige Leistungen kappen ( „dabei sind das doch die Angebote, die eine Gemeinde liebenswert machen“), Steuern und Gebühren erhöhen.
Ein aufwendig bepflanzter Kreisel heißt: Dieser Gemeinde geht es gut
Auf den ersten Blick erkennt der kommunale Finanzexperte, ob es einer Gemeinde oder Stadt gut geht. „Das ist eine Berufskrankheit von mir, dass ich immer in allen Orten, in denen ich zu Besuch bin oder durch die ich durchfahre, auf die Zeichen achte“, sagt er. Ein aufwendig bepflanzter Kreisel, eine kommunale Musikschule oder eine Bücherei, gepflegte Straßen: Das seien Hinweise auf geordnete Finanzen.
Folgekosten nicht vernachlässigen
Laufen sie aus dem Ruder, liegt das nach seinen Angaben oft auch daran, dass in guten Zeiten Investitionen getätigt und dabei die Folgekosten für Unterhalt und Betrieb „sträflich vernachlässigt“ wurden. Wenn die Zuführung vom Verwaltungs- zum Vermögenshaushalt, die wichtige „freie Spitze“ für Investitionen, nicht mehr erwirtschaftet und die Tilgungsraten für die Kredite nicht mehr gezahlt werden könnten, sei die Krise da. Auch dann werde er oft gerufen, als Retter in der Not. Viele Gemeinden, Städte und Landkreise empfänden ihn als Entlastung. „Ich bin kein Prüfer, sondern ein Helfer.“ In dieser Funktion war Nießl schon einmal nur drei Tage im Einsatz, schon einmal vier Jahre am Stück. In Orten wie Pfaffing und Albaching läuft ihm die Arbeit leicht von der Hand, sagt er. Die Verwaltung sei gut aufgestellt. „Es war eine sehr entspannte Situation und angenehme Zusammenarbeit.“ Doch er hat auch Einblicke in Kommunen, in denen die Kassen leer sind. Vor allem die Rathauschefs und Gemeinde- sowie Stadträte ständen in solchen Orten stark unter Druck, berichtet Nießl. „Jeder Bürgermeister hat in meinen Augen heutzutage generell eine Tapferkeitsmedaille verdient.“
Warum es nichts Ehrenunwürdiges ist, Schulden zu machen
Nießl sieht sich deshalb auch als Vermittler, Berater und Unterstützer. Er hilft, Haushalte zu ordnen, Finanzverwaltungen professionell auf die Beine zu stellen, bis sie selber laufen können. Und fordert mit Nachdruck ein, dass die Kommunen und Landkreis besser mit öffentlichen Mitteln ausgestattet werden. Um auf Probleme hinzuweisen, ist er vor 20 Jahren sogar auf die Straße gegangen: Verkleidet als „Bettler“ prangerte er 2003 mit einem Kollegen in der Oberpfalz einen in seinen Augen steuerpolitischen Fehler an. Heute lässt er es ruhig angehen. Der Finanzexperte sieht sich als Stratege, der dafür sorgt, dass Projekte und Vorhaben, die eine lebenswerte Kommune ausmachen, mit Geld versorgt werden. „Es ist grundsätzlich nichts Ehrenunwürdiges, auch mal Schulden zu machen“, sagt er. Es gebe gute und schlechte Schulden, das gelte für das Privatleben ebenso wie für die Führung einer öffentlichen Verwaltung. So halte er es auch selber. „Ich denke, ich kann ganz gut mit Geld umgehen“, sagt er. Er gönne sich jedoch auch mal was Schönes, „wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.“
