Eine Kommune als Treiberin der Digitalisierung
In Pfaffing hat es Klick gemacht: Wie Bürger und Schüler vom Rathaus 2.0 profitieren
„Digitalisierung ist keine Technikspielerei. Sie ist ein Entwicklungsprozess, der niemals aufhört“, ist Josef Niedermeier, Vorsitzender der Verwaltungsgemeinschaft Pfaffing, überzeugt. Hier hat es schon früh Klick gemacht. Pfaffing und Albaching gelten als Treiber der Digitalisierung. Warum dabei die KI und die Schule eine große Rolle spielen.
Pfaffing – Papierstapel und Aktenberge sind auf dem Schreibtisch von Pfaffings Bürgermeister Josef Niedermeier nicht zu sehen. Nur ein einsamer Stift ist auf der blitzblanken Oberfläche zu entdecken. Das liegt aber nicht daran, dass der Rathauschef und Vorsitzende der Verwaltungsgemeinschaft mit Albaching besonders ordnungsliebend ist, sondern daran, dass er fast alles am PC erledigt, also papierlos arbeitet. Das können auch die Bürgerinnen und Bürger: Wollen sie eine Nebenwohnung anmelden, eine Ausnahmegenehmigung für die Sperrzeit beantragen, einen Gegenstand als verloren registrieren lassen oder einen Baum fällen, geht das auch online.
Viele gehen noch gerne aufs Amt
Viele Bürgerinnen und Bürger gehen jedoch auch in Pfaffing, seit mehreren Jahren Vorreiter bei der Verwaltung 2.0., immer noch gerne aufs Amt. „So ein Rathaus hat schließlich auch eine soziale Komponente“, betont Niedermeier. Das soll auch so bleiben, doch Geschäftsstellenleiter Thomas stellt auch fest, dass die Pfaffinger und Albachinger immer häufiger fordern würden: „Stellt es doch online.“ Viele würden ihre behördlichen Erledigungen gerne abends vom heimatlichen Sofa aus durchführen, auch weil sie keine Zeit hätten, zu den normalen Öffnungszeiten in die Verwaltung zu gehen.
53 Vorgänge online
53 Vorgänge können die Bürgerinnen und Bürger in der Verwaltungsgemeinschaft bereits digital „fallabschließend“, wie es im Behördendeutsch heißt, vom eigenen PC oder Smartphone aus erledigen. „Unser Ziel ist es, dass alle alles, was sie gerne digital im Kontakt mit uns machen wollen, auch digital tun können“, ergänzt IT-Experte Frank Otto, zuständig für die EDV-Systembetreuung. Für diesen Aufgabenbereich hat die Verwaltungsgemeinschaft Pfaffing-Albaching vor einem Jahr sogar eine Extra-Stelle geschaffen. Otto treibt seitdem die Digitalisierung weiter voran. Nicht nur in den beiden Rathäusern, sondern auch in allen weiteren kommunalen Gebäuden, die ans IT-Netz angeschlossen sind oder werden: die Schulhäuser, die Kläranlage, die Wasserversorgung, die Feuerwachen.
Ziel: ein effizientes Datenmanagement, das sich in den Dienst der Menschen stelle und den Alltag einer Kommune sowie ihre Abläufe erleichtere, so Niedermeier, Thomas und Otto. Ein pragmatischer Ansatz, der in den Anfängen der Digitalisierung noch nicht vorhanden war, wie letzterer betont. Sie ist für ihn keine Technikspielerei, die nur wenige beherrschen, weil sie technikaffin sind, sondern ein Instrument, von dem jeder profitieren sollte: die Bürgerschaft ebenso wie das Personal im Rathaus und den kommunalen Einrichtungen.
In der Verwaltung hat jeder an seinem Schreibtisch deshalb zwei Bildschirme zur Verfügung, einen PC und einen Laptop für das Remote-Arbeiten. Hard- und Software beruhen laut Niedermeier auf einer einheitlichen Infrastruktur. Es gibt ein zentrales Datenmanagementsystem, berichtet er. Die beiden Rat- und die beiden Schulhäuser verbinde ein virtuelles „Campus Netzwerk“: Egal ob sich Mitarbeiter in Pfaffing oder Albaching einloggen, sie erhalten über ein zentrales einheitliches Speicherwerk Informationen aus beiden Standorten.
Kommunen als Musterschüler
Eigentlich gelten die Kommunen gemeinhin nicht gerade als die Musterschüler in Sachen Digitalisierung. Im Gegenteil: Ihnen wird zum Bedauern des Bürgermeisters nachgesagt, eher träge im Umgang mit der IT zu sein. „Dabei sind wir Treiber“, ist Niedermeier überzeugt. Geschäftsstellenleiter Thomas zeigt dies an einem einfachen Beispiel: der Ablesung des Wasserzählers. Früher ging dazu ein Brief aus der Verwaltung raus, mit einer Karte zum Ausfüllen, abgeschickt per Post. In den Haushalten galt es dann, den Zählerstand zu notieren, die Karte zur Post zu bringen oder abzugeben. In der Verwaltung wurden dann die Zahlen händisch übertragen. Heute geht die Datenübermittlung von Bürgern Richtung Rathaus per Mail oder per QR-Code, 24 Stunden lang, von daheim aus, ohne ein einziges Stück Papier.
Zu hundert Prozent werden Verwaltungsvorgänge jedoch wohl nie digital abzuwickeln sein, räumt Otto ein. Denn es gebe immer noch Vorgänge, bei denen aus rechtlichen Gründen eine Original-Unterschrift notwendig sei. Doch in der großen Mehrzahl aller Prozesse müsse eine moderne Verwaltung wie ein Industrieunternehmen denken, findet der Bürgermeister. Er kommt aus der Privatwirtschaft, kennt sich aus in der Digitalisierung und hat es sich zum Ziel gemacht, Pfaffing so modern zu führen wie einen Betrieb. „Agile Verwaltung“, nennt Niedermeier seine Vision eines Rathauses, „beweglicher werden“ hat er als Arbeitsprinzip ausgegeben. Wobei Otto bedauert, dass die deutsche Bürokratie der Digitalisierung oft im Wege stehe. Manche gesetzliche Vorgaben seien eher hinderlich als förderlich, so seine Erfahrung.
KI hilft und schafft Freiräume
Oft stehe auch ein generelles Misstrauen im Wege. Beispiel Künstliche Intelligenz. „Ich benutzte die KI täglich“, betont Pfaffings Bürgermeister offen. Er kennt die Vorbehalte vieler Menschen vor allem in Deutschland gegenüber der Künstlichen Intelligenz, kann die Bedenken auch sehr gut nachvollziehen. Und trotzdem: Die KI helfe ihm beim Ausformulieren von Texten, beim Generieren von Grafiken, bei der Informationsvermittlung. „Das schafft mir neue Freiräume, die den Bürgern zugutekommen. Dieses sehr einfache Werkzeug bei der Textgenerierung gibt mir schlichtweg mehr Zeit“, stellt er fest.
Welche Anwendungsmöglichkeiten für die Künstliche Intelligenz eine Kommune hat, wie sie den Spagat zwischen ethisch-rechtlichen Fragen und der Ablaufoptimierung schafft, analysiert eine Masterarbeit an der TH Rosenheim, die Pfaffings Vorreiterrolle untersucht.
Digitalisierung als Entwicklungsprozess
Pfaffing sieht die Digitalisierung jedoch nicht als Projekt mit Anfang und Ende, sondern als Entwicklungsprozess, der immer weiter gehe. Doch der Digitalpakt des Bundes mit hoher Bezuschussung von Investitionen in die IT ist ausgelaufen, die Fortführung unsicher. Die Gemeinde Pfaffing sorgt sich nach Angaben des Bürgermeisters um die Weiterfinanzierung. Eine Dauerinvestition, denn Soft- und Hardware müsse immer wieder modernisiert und an neue Anforderungen angepasst werden, so Niedermeier. Außerdem verschlinge die Wartung und Pflege viel Geld.
Droht ein Rückfall in alte Zeiten? Für Niedermeier, Thomas und Otto undenkbar. Auch für die Grundschule Pfaffing, Musterbeispiel für die Digitalisierung an Bildungseinrichtungen. 2020 hat die Verwaltungsgemeinschaft hier bereits Laptops und Tablets, Dokumentenkameras und QR-Scanner für alle Klassenzimmer, 2022 die digitalen Tafeln angeschafft, alle Ausstattungen aus einem Guss. Der elektronische Schulmanager, über den auch mit Eltern kommuniziert wird, wurde schon vor der Pandemie eingeführt.
„Technik unterstützt“
Die Kollegen reagierten laut Rektorin Daniela Kunerl trotz vieler notwendiger Schulungen aufgeschlossen, die Kinder „total begeistert“. Kunerl empfindet die Digitalisierung als „Bereicherung“ des Schulalltags. „Die Technik unterstützt und hilft“, sagt sie. Und wenn es mal hake, fühle sich die Bildungseinrichtung nicht alleingelassen, sondern kontaktiere den kommunalen Digitalisierungsexperten. „Ein Anruf genügt und er ist zur Stelle. Herr Otto hat eine Engelsgeduld“, freut sie sich, „wir Lehrer sind schließlich keine ITler.“
Beliebteste Errungenschaft an der Grundschule: die digitale Tafel, die Aufgeschriebenes und Einprogrammiertes speichert und immer wieder per Mausklick hervorrufen lässt. Wegwischen heißt hier nicht, dass Infos auch wirklich weg sind. Sie können per Mail an Kinder geschickt werden, die wegen Krankheit daheim geblieben sind. Tafelbilder werden unter Kollegen beider Standorte ausgetauscht, im Musikunterricht produziert die digitale Tafel sogar Töne und Melodien. Es gibt allerlei Werkzeuge, mit denen die Grundschüler arbeiten können: eine Lupe, einen Scheinwerfer, eine Kamera, Möglichkeiten, Texte und Bilder zu verschieben und zu sortieren. Neben der Tafel: weiße Flächen, auf denen Bilder und Bastelarbeiten aus der analogen Welt ergänzend aufgehängt werden können.
Digitale Tafel als Brücke
Die digitale Tafel ist für Klassenleiterin Margret Mandetzky eine Brücke zwischen alter und neuer Unterrichtswelt: eine perfekte Ergänzung, jedoch kein Ersatz für das Schreiben im Heft und Lesen im Buch. Das sei nach wie vor notwendig, denn ein Laptop könne den Lernprozess nicht ersetzen, der entstehe, wenn mit dem Stift aufgeschrieben werde.


