Einschätzungen vom Bayerischen Gemeindetag
Droht Ramerberg die Pleite? Wie arme Gemeinden aus der Finanzmisere rauskommen
Als „äußerst angespannt“ beschreibt das Landratsamt Rosenheim die Finanzlage in Ramerberg. Droht jetzt die Pleite? Und ist Ramerberg ein Einzelfall oder Teil eines strukturellen Problems? Hans-Peter Mayer, Geschäftsführer vom Bayerischen Gemeindetag, gibt Antworten.
Ramerberg – Die Finanzlage in Ramerberg: Sie ist düster. Das Landratsamt Rosenheim beschrieb sie als „äußerst angespannt“. Im Gemeinderat kam die Frage auf, ob sogar ab 2025 eine Pleite drohe. Kann das sein? Was passiert, wenn eine Kommune, so wie es Ramerberg eventuell passieren kann, auf Dauer ihre laufenden Kosten in der Verwaltung nicht mehr stemmen kann?
Zumindest die Frage nach der Pleite kann Hans-Peter Mayer, Geschäftsführer vom bayerischen Gemeindetag, mit einem klarem „nein“ beantworten. Rechtlich können Kommunen nicht in Konkurs gehen, es gibt in Deutschland kein Insolvenzverfahren für Gemeinden und Städte, sagt er. „Das ist auch gut so“, so Mayer. Schließlich gehe es um staatliche Aufgaben, die gestemmt werden müssten. „Die Funktionsfähigkeit des Staates muss aufrechterhalten werden. Staatliche Organe sollen nicht einfach zusperren können, entsprechend können sie auch keine Insolvenz beantragen“, erklärt Mayer. Denn die Auswirkungen wären fatal. „Stellen Sie sich das vor, Bürger könnten keinen Personalausweis mehr beantragen, nicht mehr heiraten. Es ist gut, dass es kein kommunales Insolvenzverfahren gibt.“ Zudem könnten Kommunen durch die fehlende Insolvenzfähigkeit bessere Konditionen bei Krediten aushandeln als eine Privatperson.
Ramerberg kein Einzelfall
Doch wie kann sich Ramerberg dann aus der Misere retten? Zunächst, so Mayer, sei festzustellen, dass Ramerberg „kein Einzelfall“ sei. Insbesondere im Nord-Osten Bayerns gebe es große strukturelle Probleme und viele Gemeinden, die ähnlich wie Ramerberg ihre Kosten nur über ihre Rücklagen oder mithilfe von Grundstücksverkäufen finanzieren könnten. Dass es Kommunen finanziell schlecht gehe, sei auch grundsätzlich nichts Neues. „Zwischen der Finanzkrise 2008 und der Corona-Pandemie hatten wir zehn sehr gute Jahre, in denen viel investiert werden konnte. In den 2000er Jahren sah das ganz anders aus“, sagt Mayer. „In Zukunft werden wir so etwas wieder öfter sehen“, sagt der Experte.
Dabei stellt er fest: „Das Problem sind grundsätzlich nicht die Einnahmen, sondern die Ausgaben.“ In ganz Deutschland gebe es ein massives Ausgabenproblem, so müssten viele Landkreise hohe Defizite von Krankenhäusern stemmen, Kommunen mehr Kindergartenplätze anbieten und hätten grundsätzlich mehr und mehr Pflichtaufgaben zu stemmen. „Es ist eine Situation, auf die der bayerische Gemeindetag schon lange hinweist“, sagt Mayer. Für finanziell schwache Kommunen komme hinzu, dass die Schlüsselzuweisungen, als die staatlichen Ausgleichszahlungen, die diesen Gemeinden helfen sollen, nicht im gleichen Maße wie die Ausgaben steigen würden. „Die Schere ist gewaltig“, sagt Mayer. Auch zwischen den Kommunen: So gebe es Gemeinden, die „nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Geld“ und dann gebe es Kommunen, die keinen genehmigungsfähigen Haushalt aufstellen könnten.
„Dann müssen die Schlaglöcher halt bleiben“
Orten wie Ramerberg bleibe nur übrig, zunächst alle Ausgaben streng zu analysieren. Jegliche freiwillige Leistungen, wie Ausgaben im Freizeitbereich, Zuschüsse an Vereine und seien sie noch so gering, müssten geprüft werden. Auch Pflichtaufgaben müssten eventuell hinausgezögert werden. „Dann müssen die Schlaglöcher in der Straße bleiben, auch wenn diese eigentlich dringend saniert werden müsste“, sagt Mayer.
Auch Ramerberg hat an den Ausgaben für die Pflichtausgaben gefeilt, so wurde der Neubau für den Kindergarten aus dem Haushalt gestrichen, obwohl das Gebäude eigentlich sanierungsbedürftig und zu klein ist. „Das Problem ist oft auch die Zwischenfinanzierung“, sagt Mayer. Zwar seien Bauten wie ein neuer Kindergarten immer auch an hohe Fördersummen geknüpft. „Aber dieses Geld kommt oft auch erst, nachdem die Rechnung fällig ist. Zwischenzeitlich muss eine Gemeinde meistens große Summen aus eigener Tasche finanzieren, was oft nicht möglich ist“, so der Geschäftsführer des bayerischen Gemeindetags.
Verlust der Selbstständigkeit droht nicht
Ein Verlust der Selbstständigkeit in Form einer Eingemeindung beispielsweise nach Rott drohe aber nicht, selbst wenn die Gemeinde ihre Pflichtaufgaben nicht stemmen könnte. „Ein solcher Vorgang könnte nur auf Initiative der Gemeinde selbst durchgeführt werden“, sagt Mayer. Schlussendlich ergebe es aber wenig Sinn. „Das macht die Situation nicht besser“, sagt er. „Im Gegenteil, die Bürger identifizieren sich weniger mit ihrem Ort und am Ende leidet das Ehrenamt, was gerade in finanziell schwachen Gemeinden oft sehr wichtig ist“, sagt Mayer.
Allerdings könne Ramerberg eine Stabilisierungshilfe beantragen, eine Sonderform an finanziellen Zulagen. Um diese Finanzspritze zu erhalten, müsse die Gemeinde alle Einnahmen und Ausgaben offen legen und sich einem strengen Regime der überörtlichen Behörden stellen, die dann über etwaige Ausgaben entscheiden würden.
Hebesätze erhöhen?
Es gebe aber auch andere Möglichkeiten für Ramerberg, mehr Einnahmen zu generieren. „In Bayern haben wir zum Beispiel sehr geringe Hebesätze für die Grund- und Gewerbesteuer im Vergleich zu anderen Ländern“, so Mayer. So sei im Freistaat ein Satz von 360 Prozent üblich bei der Grundsteuer. Im Norden des Landes gebe es aber durchaus Teile, in den Hebesätze von 1000 bis 1200 Prozent normal seien. Gesetzlich sei vorgeschrieben, dass steuerliche Hebesätze nicht „erdrosselnd“ auf den Bürger wirken dürften. „Bei den Hebesätzen von 1000 bis 1200 hat der Gesetzgeber aber noch lange kein Problem“, sagt Mayer. Allerdings gibt er zu: Eine solch massive Steigerung der Steuern sei unbeliebt, genau wie das Kürzen der freiwilligen Ausgaben.
Es seien „schwere Prozesse“, die eine Gemeinde wie Ramerberg in einer solch prekären finanziellen Lage durchmachen müsse. Oftmals wolle die Gemeinde schließlich investieren und könne schlichtweg nicht. „Das den Bürgern zu vermitteln, ist oft schwierig“, bedauert Mayer.