Zwei mutige Frauen und ihre Medizin
„Jackpot“: Hausarzt-Praxis in Wasserburg gerettet – Das hat ein Frauen-Duo dazu bewegt
Es ist die gute Nachricht des jungen Jahres: Claudia Eisenhut und Dr. Katrin Stöwahse übernehmen die Hausarzt-Praxis von Dr. Raimund Arnold. Damit ist ein weiteres Praxis-Sterben in Wasserburg abgewendet. Bestseller-Autorin Marie Theres Relin hat die Ärztinnen besucht. Über Freude am Heilen und Ärger über ein kränkelndes System.
Wasserburg – Immer mehr Hausärzte hören auf, weil sie keine Nachfolger finden. Auch in Wasserburg, wo Thomas Wilsmann seine Praxis an ein MVZ verkaufte und Dr. Andreas Rottenwaller seine Niederlassung aufgab und nun mit einer Privatpraxis für Selbstzahler und Privatpatienten zu reduzierten Sprechzeiten weitermacht. Beide hatten mit 72 und 73 schon längst das Rentenalter erreicht und sich vergeblich um eine Nachfolge bemüht. Gelungen ist es dagegen im Burgerfeld, wo Claudia Eisenhut und Dr. Katrin Stöwahse die Hausarzt-Praxis von Dr. Raimund Arnold übernommen haben. Wasserburgs Bestseller-Autorin Marie Theres Relin ( „Szenen keiner Ehe“) hat die Ärztinnen am ersten Tag des Neustarts besucht.
Claudia Eisenhut (59), Mutter von zwei Kindern, stammt aus Grafenau im Bayerischen Wald. Sie studierte in Regensburg und München und arbeitete drei Jahre in einer Krebsklinik in Oberbayern. Nach der Geburt ihres ersten Kindes stellte sie fest, „dass ich die Schulmedizin meinen Kindern nicht zumuten will“. Sie sattelte um und machte eine Ausbildung in Naturheilkunde und Homöopathie und arbeitete in privaten Praxen in Griesstätt, Eggstätt und Wasserburg.
Claudia Eisenhut: Schulmedizin und Homöopathie
Als ihre Ehe zu Bruch ging und sie ihre kleine Familie nicht mehr ernähren konnte, machte sie relativ spät den Facharzt nach. Seit 2016 ist sie Fachärztin und in der Praxis tätig, bereits 2020 hatte die niedergelassene Ärztin den halben Sitz von Dr. med. Raimund Arnold übernommen. Zukünftig will sie neben der Schulmedizin und Homöopathie auch naturheilkundliche Alternativen wie Neural- oder Infusionstherapie anbieten. „Ich habe das große Glück, dass Raimunds Sitz von Kati übernommen wird. Das ist ja heute überhaupt nicht selbstverständlich, dass man jemanden findet“, sagt Claudia Eisenhut über ihre Kollegin. „Und es war ein großer Zufall, dass sie genau in dem Moment gekommen ist, als ich innerlich in die Richtung gedacht habe, die Praxis zu übernehmen!“
Dr. Katrin Stöwahse (38) kommt ursprünglich aus Ebersberg und ist Mutter von einem fünf Jahre alten Sohn. „Für mich war Wasserburg schon in meiner Kindheit immer die Stadt, in die ich zum Eis essen gefahren bin. Schon als Kind habe ich mir immer vorgestellt, hier einmal zu wohnen“, schwärmt die junge Frau mit leuchtenden Augen. Katrin ist Allgemeinärztin mit Schwerpunkt Psychotherapie. Sie studierte in Göttingen und war später in verschiedenen Kliniken und Praxen in Berlin tätig. „Mein Mann ist ein Berliner mit Leib und Seele. Aber auch er hat sich in Wasserburg verliebt.“
Dr. Katrin Stöwahse: Praxisübernahme ein Jackpot
Der Orthopäde und die Ärztin haben sich die Stadt ganz gezielt ausgesucht und zogen kurz nach der Geburt ihres Sohnes um. Seit 2021 war Stöwahse Assistenzärztin von Arnold. „Ich wusste ja, dass er in Rente gehen würde und er einen Nachfolger braucht. Schon bei meinem Vorstellungsgespräch erwähnte ich, dass es für mich ein Jackpot wäre, die Praxis zu übernehmen“, schwärmt sie. Nebenbei lässt sich Stöwahse zur tiefenpsychologischen Psychotherapeutin fortbilden. „Man sammelt Tausende von Behandlungsstunden“.
„Dr. Katrin Stöwahse (38) kommt ursprünglich aus Ebersberg und ist Mutter von einem fünf Jahre alten Sohn. „Für mich war Wasserburg schon in meiner Kindheit immer die Stadt, in die ich zum Eis essen gefahren bin. Schon als Kind habe ich mir immer vorgestellt, hier einmal zu wohnen“, schwärmt die junge Frau mit leuchtenden Augen. Katrin ist Allgemeinärztin mit Schwerpunkt Psychotherapie. Sie studierte in Göttingen und war später in verschiedenen Kliniken und Praxen in Berlin tätig. „Mein Mann ist ein Berliner mit Leib und Seele. Aber auch er hat sich in Wasserburg verliebt.“
Der Orthopäde und die Ärztin haben sich die Stadt ganz gezielt ausgesucht und zogen kurz nach der Geburt ihres Sohnes um. Seit 2021 war Stöwahse Assistenzärztin von Arnold. „Ich wusste ja, dass er in Rente gehen würde und er einen Nachfolger braucht. Schon bei meinem Vorstellungsgespräch erwähnte ich, dass es für mich ein Jackpot wäre, die Praxis zu übernehmen“, schwärmt sie. Nebenbei lässt sich Stöwahse zur tiefenpsychologischen Psychotherapeutin fortbilden. „Man sammelt Tausende von Behandlungsstunden“.
Der Mensch, seine Bedürfnisse und eine individuelle Heilbehandlung ständen im Vordergrund. „Unser Ziel ist das Gesamtbild“, sagen beiden unisono, „eine maßgeschneiderte Beratung im Doppelpack. Wir ergänzen uns gut.“ Mit Psychotherapie, Suchtmedizin, Homöopathie und Schulmedizin ist das Team jetzt schon breit aufgestellt. Auch Kinder seien in der Praxis willkommen. „Wir schicken hier niemanden einfach wieder weg. Je nachdem behandeln wir an oder verweisen auf den Facharzt.“
Bürokratie kaum noch zu bewältigen
Die Bürokratie, die die Ärzte zu bewältigen haben, sei es bei der Sitzübernahme, der Patienten-Historie oder bei E-Rezepten, ist kaum zu bewältigen, bedauern die Ärztinnen. „Es wird immer mehr. Rezepte auszustellen ist mindestens fünf Sekunden länger geworden und das summiert sich einfach. Früher habe ich unterschrieben, heute muss ich zig Klicks machen. Auch die elektronischen Arztbriefe sind aufwändiger als die auf Papier gedruckten. Eine verlorene Zeit, die eigentlich den Patienten zugute hätte kommen sollen“, sagt Eisenhut. Dazu komme der Medikamentenengpass. „Bei Antibiotika gibt es Alternativen, um auszuweichen, aber es gibt auch Medikamente, da geht es nicht“, sagt Stöwahse. „Wir müssen durch den Mangel ‚schlechtere’ Medizin machen und beispielsweise breitere Antibiotika geben, die gar nicht nötig wären. Oder manche Patienten müssen weite Anfahrtswege zur Apotheke in Kauf nehmen.“
Initiative: elektronische Patientenakte ablehnen
Zum Schluss des Gesprächs legen die Ärztinnen den Patienten ans Herz, die elektronische Patientenaktie (ePA) vorerst schriftlich abzulehnen. „Das System ist einfach noch nicht ausgereift. Eine Datenmenge, die niemandem hilft. Es ist ein Wust an ungefilterten Informationen. Ein elektronischer Medikamentenpass mit Diagnosen und Allergien für Notfälle hingegen wäre wünschenswert. Aber davon sind wir noch weit entfernt“, sagt erklärend Claudia Eisenhut. „Als Notfallchirurg fände mein Mann es spitze, wenn er in der Rettungsstelle sofort wüsste, was der Patient hat. Aber bei dem jetzigen System findet man auf den ersten Blick nicht die wichtigen Informationen. Es fehlt die richtige Formatierung“, ergänzt Stöwahse. „Und darum waren sich die anwesenden Wasserburger Ärzte bei unserem letzten Treffen einig, ihre Patienten im aktiven Widerspruch zu unterstützen.“