Oberarzt und Seniorenheim-Bewohner ermordet
Zwei Morde erschüttern das Wasserburger Land: So wirken sie bis heute nach
Wasserburg im Schockzustand: Der Mord an Oberarzt Rainer Gerth, der am 8. April auf dem Gelände des Inn-Salzach-Klinikums getötet wurde, ließ viele Bürger fassungslos zurück. Der Täter wurde im November verurteilt. Doch die Tat hinterlässt Spuren über das Jahr 2024 hinaus.
Wasserburg – Eigentlich sind es sogar zwei gewaltsame Todesfälle, die sich 2024 im Altlandkreis ereigneten. Schon der erste Vorfall erschütterte die Region. Er ereignete sich Ende Januar in einem Seniorenheim im Wasserburger Land. Ein 93-Jähriger demenzkranker Heimbewohner tötete, wahrscheinlich im Streit, seinen Zimmergenossen. Es war ein ungewöhnlicher Fall auch für die Ermittlungsbehörden. Er warf viele Fragen auf, denn wie geht ein Rechtsstaat um mit einem Täter, der sich nicht erinnern kann? Drei Tage dauerte die Verhandlung vor dem Landgericht Traunstein, zwischenzeitlich kollabierte der hochbetagte Beschuldigte im Gerichtssaal und musste ins Krankenhaus gebraucht werden. Bis zuletzt blieben viele Details, was genau am 22. Januar in dem Seniorenheim passiert ist, ungeklärt. Am Ende wurde der Mann verurteilt, im schuldunfähigen Zustand eine gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge begangen zu haben. Das Gericht ordnete eine Unterbringung in der Forensik des kbo-Inn-Salzach-Klinikums Wasserburg an.
Forensischer Arzt wird ermordet
Genau Ort, der am 8. April 2024, Schauplatz eines des zweiten grausigen Verbrechens war. Für die gesamte Stadt war es ein Schock, als sich die Nachricht verbreitete, dass Rainer Gerth, Oberarzt der Forensik, ein beliebter und erfahrener Mediziner der Klinik am Aprilabend gewaltsam zu Tode kam.
Schnell verbreitete sich die Nachricht, dass es sich bei dem Täter um einen ehemaligen Patienten von Gerth handelte, der extra mehrere hundert Kilometer angereist war, um den Oberarzt zu töten. Die genauen Umstände wurden aber erst in der Gerichtsverhandlung bekannt. Am 19. November verurteilte das Landgericht Traunstein Dominik S. des heimtückischen Mordes, durchgeführt im schuldunfähigen Zustand. S. ist schwer an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt und von Opiaten abhängig. Seine Wahnvorstellungen konzentrierten sich, so wurde es am Landgericht deutlich, zuletzt auf die Psychiatrie. Vor Gericht sprach er von Experimenten an kleinen Jungen, die dort durchgeführt würden und von Gift, das ins Essen gemischt werde.
Täter hatte Wahnvorstellungen
S. hatte Gerth mehrere Wochen zuvor bereits nachgestellt, er kannte den Oberarzt zumindest flüchtig aufgrund eines Aufenthalts zur Entgiftung am Klinikum mit anschließender Unterbringung in der Forensik aufgrund der beginnenden Wahnvorstellungen in den Jahren 2010 bis 2013. Am 8. April stach er schließlich auf den arglosen Mediziner mit einem Küchenmesser ein. Die Klinge drang bis in die rechte Herzkammer, der Arzt verblutete, trotz sofort eingeleiteter Rettungsmaßnahmen, noch am Tatort. Für S. war Gerth wohl ein Stellvertreter des Systems „Psychiatrie“ und „musste“ deshalb als Folge der Wahnvorstellungen sterben, so die Überzeugung des Gerichts. Auch bei ihm wurde eine Unterbringung in einer forensisch-psychiatrischen Klinik angeordnet.
Angehörige und Klinikfamilie leiden
Für die Angehörigen, auch das wurde vor Gericht deutlich, schwer zu verstehen, warum der Familienvater Rainer Gerth so scheinbar grundlos sterben musste. „Mit deiner Tat hast du nicht nur eine Institution, sondern auch einen Menschen getroffen“, erklärte Gerths Tochter, die als Nebenklägerin auftrat, noch im Gerichtssaal. „Du hast nicht nur Rainer Gerth, den Psychiater, getötet, sondern auch meinen Vater. Du hast unseren Papa umgebracht und uns dadurch den Boden unter den Füßen weggerissen.“
Schwer zu verarbeiten war der Mord auch für die Klinikfamilie des Inn-Salzach-Klinikums selbst. Auch 2025 wird hier noch einiges aufzuarbeiten sein. Fest steht laut Ärztlichem Direktor Professor Dr. Peter Zwanzger: Das Fachkrankenhaus auf einem parkähnlichen Gelände in Gabersee soll sich auch weiterhin nicht nach außen abschotten. „Ein Ghetto wäre schlimm für unsere Patienten“, sagt Zwanzger. Transparenz sei wichtig, um der Stigmatsierung psychischer Erkrankungen entgegenzuwirken. Doch das bereits bestehende Sicherheitskonzept auf dem Gelände wurde nach dem Mord trotzdem noch einmal überarbeitet. Eine extra gegründete Arbeitsgruppe hat laut Klinikleitung Optimierungen bei der Beleuchtung, weitere Notrufsäulen auf dem Areal und besser geschützte Parkplätze für Mitarbeitende als ergänzende Maßnahmen beschlossen.