Zwischen Medizinmännern und Gerätemedizin
Missionsarzt Dr. Thomas Brei: Wie ein Wasserburger in Tansania den Armen hilft
Er ist Pfarrer und Arzt, arbeitet in beiden Berufen rund um die Uhr – in Tansania. Jetzt war Dr. Thomas Brei auf Heimatbesuch in Wasserburg. Über einen Missionsarzt, die Heilkraft von Medizinmännern und seine Überzeugung, dass Tansania ein Symbol für die Lösung der Flüchtlingsproblematik ist.
Wasserburg – Zwei Wochen lang ist er durch das Gebiet der Erzdiözese München und Freising gereist, hat vor kirchlichen Gruppen und Pfarreien, Vereinen und Organisationen, die seine Arbeit seit langem unterstützen, über seine Erfahrungen gesprochen. Auch beim Besuch in der Redaktion der Wasserburger Zeitung und von wasserburg24.de nimmt sich Dr. Thomas Brei, begleitet von Andreas Burlefinger vom Wasserburg Lions-Club, viel Zeit. Der Missionsarzt spricht unaufgeregt, empathisch und offen über seine wohltätige Arbeit in einem Hospital in Mwanza (Tansania). Brei hat es selber aufgebaut, mit Geld- und Sachspenden aus der Heimat, er ist Krankenhausdirektor und ärztlicher Leiter zugleich. Seine Arbeitswoche hat sieben Tage, denn am Sonntag zelebriert er regelmäßig in seinem zweiten Beruf als Priester die Heilige Messe in einem Kloster der Klarissenschwestern. Freizeit: „Morgens vor 9 Uhr und abends ab 21 Uhr“, sagt er lächelnd.
Zurück in der Heimat: Dr. Thomas Brei auf Vortrags-Marathon
Ein anstrengendes Leben konträr zur Zeit von heute, in der die Work-Life-Balance eine immer wichtigere Rolle spielt. Doch Brei wirkt entspannt, überhaupt nicht gestresst, obwohl er einen regelrechten Vortrags-Marathon hinter sich hat. Denn wenn er in der alten Heimat zu Gast ist, wollen viele kirchliche Gruppen und Vereine wie auch der Lions Club Wasserburg wissen, was mit ihren gespendeten Geldern geschieht und wie Brei vorankommt bei seiner wohltätigen Arbeit. Mit ihr kann der Wasserburger seine beiden Leidenschaften verbinden: das medizinische Wirken und die Vermittlung von Gottes Worten.
Das St.-Clare-Hospital ist sein Lebenswerk
Als junger Mann konnte er sich nämlich nicht entscheiden, ob er lieber Pfarrer oder Arzt werden soll. Als es nach seinem Abitur in Wasserburg Anfang der 90er Jahre hieß, es gebe eine Mediziner-Schwemme, beschloss er deshalb, Priester zu werden. Doch die Medizin ließ ihn nicht los, er entschied sich, auch dieses Studium noch anzupacken, zum Teil sogar parallel zur seelsorgerischen Tätigkeit. Als Arzt im Praktikum kam er 2011 zum ersten Mal nach Ostafrika, arbeitete dort an einem großen Spital. 2014 erhielt er schließlich die Chance, eine Krankenstation in Tansania aufzubauen, im Auftrag des Erzbistums München und Freising, bis heute Breis Arbeitgeber. Daraus ist ein großes Krankenhaus geworden: Das St. Clare-Hospital ist sein Lebenswerk. Er hat es aufgebaut, ausgerüstet, er managt es verwaltungstechnisch und ist hier auch als leitender Arzt tätig. „Ich bin zu 100 Prozent Krankenhausleiter, lebe zu 100 Prozent wie ein Priester“, berichtet er.
Missionsarzt also, wobei das Missionieren heute anders aufgefasst und mit Leben erfüllt wird als früher: Menschen werden nicht zum christlichen Glauben bekehrt, was in Tansania auch nicht möglich ist, weil die Mehrheit muslimischem Glaubens sind. Brei will mit Taten überzeugen. Er verkündet die christliche Botschaft indirekt durch Zuwendung zu den Menschen, nach dem Beispiel seines großen Vorbilds: Pastor Albert Schweitzer. Brei zitiert dafür den Jakobusbrief: „Glaube ohne die Werke ist tot.“
Aus einer Krankenstation wurde ein Hospital
Ins Tun kommen: Dafür steht er seit 2014, als er die Krankenstation in einem Klarissinnen-Kloster aufbaute. Der Bedarf an medizinischer Hilfe war so groß, dass daraus ein Hospital wurde. Es steht auf dem Grund der Ordensschwestern, die in Klaus leben, wird organisiert von einer Non-Profit-Organisation (NGO) mit kirchlichen und nicht kirchlichen Mitgliedern, alle aus Tansania. Vorstandsvorsitzende ist laut Brei eine evangelisch-lutherische junge Frau, er selber ist Ehrenmitglied. Brei hat den Förderverein für das Krankenhaus, die SC Clinic-Foundation, gegründet. Das Krankenhaus beschäftigt 75 Mitarbeiter, darunter vier Ärzte.
Die Klinik unterscheidet sich jedoch grundsätzlich von einem deutschen Krankenhaus, denn in Tansania gibt es laut Brei keine niedergelassenen Ärzte mit eigenen Praxen. Wer erkrankt, geht ins Hospital, auch bei kleineren Leiden. Deshalb bestehe das St. Clare-Hospital aus einer Ambulanz, die täglich etwa 100 Menschen aufsuchen würden, und aus einer stationären Einrichtung mit 23 Betten. Hier werden nur Patienten behandelt, die schwer oder lebensbedrohlich erkrankt sind, so der Missionsarzt: etwa Menschen, die eine Operation hinter sich haben oder palliative Betreuung benötigen.
Größtes gesundheitliches Problem: der Blasenkrebs
Größtes gesundheitliches Problem auf dem Land in Tansania: der Blasenkrebs als Folge einer Infektion, ausgelöst durch Parasiten im Wasser. Die Harntumore nehmen nach Breis Erfahrungen oft dramatische Verläufe. Hauptbetroffene: Bauern, Fischer, Viehzüchter, Bauarbeiter. Sie kommen oft erst dann ins Hospital, wenn es oft schon zu spät ist, bedauert Brei. Viele Familien könnten sich medizinische Behandlungen und Medikamente nicht leisten. Eine staatliche Krankenversicherung gebe es zwar, doch diese hätten nur etwa 50 Prozent der Bevölkerung abgeschlossen. Die Leistungen seien außerdem oft nicht ausreichend.
Eine wichtige Rolle im Gesundheitssystem spielen außerdem die Medizinmänner, berichtet Brei. „Mganga“ heißen die Heiler, deren Amt innerhalb von Familienverbünden oft von einer Generation an die nächste übergeben wird und die nach Angaben des Wasserburgs eher im Dunkel tätig sind. „Fremde bekommen da wenig Einblicke“, sagt Brei. Doch er weiß auch: „Glaube kann heilen.“ Die Menschen in Tansania würden selten eine psychosomatische Betreuung benötigen. Seelische Probleme gebe es zwar auch, vor allem weil viele Familien im Stress seien. „Viele Eltern arbeiten sich auf für das Schulgeld ihrer Kinder.“ Die Folge sei häufig Gastritis, eine Entzündung der Magenschleimhaut.
Medizinmänner in Tansania: Heilkräfte, die nicht immer helfen
Manchmal komme die medizinische Hilfe bei schweren Erkrankungen jedoch zu spät. Offene Brüche, schwere Infektionen, Krebserkrankungen, Malaria und Typhus: All das könne ein Medizinmann nicht heilen. Aufklärung und medizinische Hilfe sind also überlebenswichtig. Das St.-Clare-Hospital in Mwanza ist deshalb zu einer wichtigen Anlaufstelle geworden. Doch es hat zu kämpfen. Es ist laut Krankenhausdirektor Brei schwer, die laufenden Ausgaben durch die Einnahmen zu decken. 35.000 Euro pro Monat benötigt der Trägerverein für Personal-, Material- und Betriebskosten. Reparaturen und Neuanschaffungen zu finanzieren, gerät deshalb stets zu einem „großen Kraftakt“, berichtet Brei.
Die Spendenbereitschaft in Deutschland sei nach wie vor groß, vor allem wenn es um den Bau einer Klinik gehe, doch es falle schwer, die Menschen für die Notwendigkeit zu interessieren, den laufenden Betrieb zu unterstützen, bedauert er. Aktionen wie vom Lions Club Wasserburg, vom Burgstallhof oder von den Sternsingern, die im Wasserburger Land oft für Breis Entwicklungshilfeprojekte unterwegs sind, seien deshalb sehr willkommen. Es gelte Krisen wie im Jahr 2022, als das Hospital in eine kritische Situation geriet, zu vermeiden, so Brei. Damals hatte er die Leitung abgegeben, sie dann wieder übernommen. Er arbeitet jetzt halbtags als Arzt, halbtags als Verwaltungsmanager.
„Es sollte mehr Länder wie Tansania geben“
Der 53-Jährige ist überzeugt, dass Entwicklungshilfe in Tansania, so wie er sie im Auftrag der Erzdiözese betreibt, nachhaltig wirkt. Tansania habe sich trotz Armut und vieler Probleme wie der Korruption sowie einer Demokratie, die nur auf dem Papier bestehe, zu einem Land des Friedens und der Stabilität entwickelt. Die Menschen seien stolz auf ihre Heimat. Die verschiedenen Religionen kämen gut miteinander zurecht. Wünsche, das Land zu verlassen und nach Europa zu fliehen, gebe es selten. „Es sollten mehr Länder wie Tansania geben. Sie sind eine Antwort auf die Flüchtlingsproblematik“, findet Brei. Er sieht Deutschland außerdem in der Verantwortung, die unrühmliche Kolonialvergangenheit in Ostafrika aufzuarbeiten.





