Bürgerversammlung
Mega-Projekte und Millionen-Investitionen: Wie Rott das schultern will
Über zwei Stunden Vortrag des Bürgermeisters: Da läge es auf der Hand, dass viele Zuhörer abschalten. Nicht so in Rott, denn der Bericht von Daniel Wendrock zeigte, wie viel in der Gemeinde los ist. Die Kommune stemmt gewaltige Vorhaben. Über Millionen-Investitionen und Bürger-Appelle.
Rott – Rott ist eine lebendige Gemeinde, bewies der Vortrag von Rathauschef Daniel Wendrock bei der Bürgerversammlung. Er räumte auch engagierten Ehrenamtlichen wie Theresa Bauer, Leiterin der Bibliothek, Platz am Podium ein. Denn die Bücherei ist ein Beispiel dafür, wie sich die Rotter für die Rotter einsetzen. Mit Erfolg, wie die eindrucksvollen Zahlen aufzeigten: Die Anzahl der Leser ist 2024 auf Rekordniveau: 766. Die Bibliothek hat außerdem einen wichtigen Bildungsauftrag: den Nachwuchs zum Lesen zu bringen. Eine kleine Lehrstunde gab es von Theresa Bauer auch für die etwa 100 Anwesenden im Gasthof Stechl: Sie erklärte dem Publikum, in großer Mehrzahl aus der Generation 50 und 60 plus, was ein „Tonie“ ist: eine Spielfigur, über die ein Hör-Spiel für Kids angeboten wird, ein Mega-Trend bei Kindern. Auch die Feuerwehr, stark im Einsatz beim Sommer-Unwetter, die Rotter Tafel, die Jugend- und Senioren- sowie Behindertenbeauftragten und ihre Arbeit fanden Würdigung, ebenso wie die Senioren- und Nachbarschaftshilfe.
Zwei Discounter wollen nach Rott
Thema Nummer eins im Ort ist jedoch nach wie vor die geplante große Flüchtlingsunterkunft. In dieser Dimension und an diesem Standort im Gewerbegebiet Eckfeld will die Gemeinde die Erstaufnahme-Einrichtung verhindern. Ganz anders beim geplanten neuen Nahversorgungszentrum: In Meiling-Süd (nördlich der Sportplätze) wollen sich auf einem 9000 Quadratmeter großen Areal der Discounter Lidl und die Drogerie-Kette Rossmann ansiedeln.
Bis 2010 war Lidl in Rott schon einmal ansässig, bis 2011 auch ein Drogerie-Markt: Schlecker. Viele Rotter trauern diesen Angeboten nach, ergab laut Wendrock eine Umfrage. Die Gemeinde habe sich deshalb auf den Weg gemacht, einen neuen Einzelhandelsstandort zu entwickeln. Vom Tisch sei die Ansiedlung eines Discounters an der B 15. Meiling-Süd sei ein weitaus besserer Vorschlag, weil dieses Areal relativ eng an den Zentralort angebunden sei und trotzdem den Einzelhandel im Kern nicht gefährde.
Der Rathauschef machte jedoch deutlich, dass noch viele Hürden zu nehmen sind, bevor die beiden Discounter wirklich gebaut werden. Denn mit der Ansiedelung gehe ein „erheblicher Flächenverbrauch“ einher. Deshalb habe der Gemeinderat dem Investor aufgegeben, zu untersuchen, ob es möglich sei, die Gebäude im ersten Obergeschoss mit Wohnungen oder Räumlichkeiten für Dienstleistungsbetriebe auszustatten. Auch vertraglich seien viele Fragen zu klären. „Der Ausgang ist noch offen“ so Wendrock.
Baugebiet mit Einheimischen-Grundstücken und Geschosswohnungsbau
Nördlich vom neuen Einzelhandelsstandort entsteht das Baugebiet „Rotter Feld“. Hier wird Rott Einheimischen-Baugrundstücke anbieten, außerdem ist laut Wendrock ein Geschosswohnungsbau mit sozialer Bindung geplant. Für letzteres habe es noch bis 2021 Interessenten gegeben, sie seien jedoch in Folge der wirtschaftlichen Krisenjahre von Bord gesprungen: „Umsetzung noch unbekannt“, bedauerte der Rathauschef. 2025 gehe es trotzdem weiter: Der Bebauungsplan könnte im Frühjahr Rechtskraft erlangen, die Erschließung dann ebenfalls beginnen. Frühestens im zweiten Halbjahr 2025 würden die Grundstücke ausgeschrieben.
Zum reinen Gewerbegebiet wird laut Bürgermeister das Areal am Eckfeld entwickelt. Ein Rahmenplan stärke das Gewerbe, Wohnnutzung werde in Zukunft nicht mehr erlaubt, auch nicht für Betriebsleiter. Alte Genehmigungen für das Wohnen bleiben nach Wendrocks Angaben jedoch bestehen. Der Rahmenplan ist auch ein Versuch, baurechtlich die große geplante Flüchtlingsunterkunft am Eckfeld 10 zu verhindern.
Kommunale Wärmeplanung
Ein Mega-Projekt ist die kommunale Wärmeplanung. Rott steht als kleine Kommune nicht in der Pflicht, hier einzusteigen, tut es also freiwillig, berichtete Wendrock. Derzeit würden die Potenziale für eine erneuerbare Wärmeversorgung untersucht. Bürger und Unternehmen werden laut Rathauschef beteiligt. Die Wärmeplanung solle bis zum Frühjahr 2025 abgeschlossen werden. Die Kosten würden zu 90 Prozent aus Bundesmitteln gefördert.
Rott benötigt eine neue Kläranlage
Eine gewaltige Aufgabenstellung ist der Neubau der Kläranlage. Die wasserrechtliche Erlaubnis läuft laut Wendrock Ende 2026 aus. Bereits jetzt sei die Anlage an ihrer Belastungsgrenze. Vorplanungen ständen. Ziel sei eine Kapazität für 7.500 Einwohner. Derzeit hat Rott 4.250 gemeldete Bürger. Die Kosten sind enorm: etwa acht Millionen Euro. Der Zeitplan sehe vor, 2025 und 2026 auszuschreiben und neu zu bauen. Die Finanzierung müsse über Gebühren und Verbesserungsbeiträge erfolgen, denn die Abwasserentsorgung ist nach gesetzlichen Vorgaben eine kostendeckende kommunale Einrichtung. Was die Rotter mehr bezahlen müssen, steht noch nicht fest, so Wendrock. Er wies auch auf eine finanzielle Sorge der Kommune hin: Sie ist hoch verschuldet, sehr hoch sogar: pro Einwohner sind es 3.381. Zum Vergleich: Im Durchschnitt sind es im Freistaat 500 Euro. Der Grund für Rotts hohe Verschuldung: der Schulhausneubau. 9,5 Millionen der Gesamtkosten von 19 Millionen muss die Gemeinde allein schultern, so Wendrock. Ein Eigenanteil, der allein kreditfinanziert sei.
Rott ist giga-fähig geworden, doch es gibt ein Problem
Rott ist nach seinen Angaben giga-fähig geworden: Die Telekom hat das Glasfasernetz hier ausgebaut. Neben der Stadt Rosenheim sei Rott die erste Gemeinde mit abgeschlossenem eigenwirtschaftlichen Glasfaserausbau. Derzeit seien lediglich noch Restarbeiten zu tätigen. Doch es gibt etwa 80 Häuser in Au, Zainach und Eich, die nicht dabei sind. Der Grund: Sie liegen in einem kleinen Areal, das nach Angaben von Wendrock nicht von der Telekom ausgebaut werde, sondern von der Firma ip-fabric.
Bürger Reinhard Axenböck legte nach dem Vortrag des Bürgermeisters den Finger in die Wunde. Die Situation in den Gebieten, die nicht von der Telekom ausgebaut würden, sei „nicht tragbar“. „So geht es nicht mehr weiter“, appellierte er an die Gemeinde, hier auf eine Lösung zu drängen. Wendrock berichtete, die Kommune habe die Problematik bereits juristisch prüfen lassen. Die Gemeinde sei jedoch nicht die Auftraggeberin, habe deshalb keinen direkten rechtlichen Einfluss. Die Reaktion des Unternehmens ip-fabric auf die Kritik aus Rott sei zu „hundert Prozent unzufriedenstellend“. Axenböck forderte die Kommune auf, beim Amt für Digitalisierung Beschwerde einzulegen, schließlich gehe es auch um öffentliche Fördergelder, die eingestrichen würden, ohne dass eine Leistung erbrachte werde.
Problem: Es fehlt ein zweiter Zahnarzt in Rott
Ein weiteres Thema, das die Bürger umtreibt, ist die ärztliche Versorgung. Zwar sei es gelungen, nach dem plötzlichen Tod von Hausarzt Dr. Fritz Jäger einen Ersatz zu finden, doch es fehle ein zweiter Zahnarzt, klagte Sebastian Mühlhuber Senior. „Ich bin ein alter Mann, da wird auch mal was locker“, brachte er sein Problem humorvoll auf den Punkt. „Seht zu, dass wir einen zweiten Zahnarzt herbringen“, so sein Anliegen. Der Bürgermeister versprach, sich einzusetzen. Die Kommune könne, wenn sich ein Standort finde, Räumlichkeiten anbieten. Doch oft gehe es gar nicht um Immobilien für eine Ansiedlung, sondern darum, dass Praxen das Personal fehle. Oder eine Nachfolge. Sie fehlte bei einer der beiden Apotheken im Dorf, die deshalb schließen musste.
Christian Schaber forderte außerdem eine Verkehrsberuhigung für die Rosenheimer Straße. Ob es möglich sei, sie für Lkw über 20 Tonnen zu sperren, wollte er wissen. Der Bürgermeister versprach, das Thema bei der nächsten Verkehrsschau vorzutragen, erinnerte jedoch auch daran, dass die Kreisstraße R 41 und die Staatsstraße St 2079 als die beiden überörtlichen Einfallswege nach Rott gelten würden. Die Bahnunterführung sei zwar ein Nadelöhr, schwere Lkw raus, ein durchaus berechtigtes Anliegen, doch nicht so einfach durchsetzbar.
„Kreative Lösungen“ bei der Kinderbetreuung
Rott ist außerdem bekannt für schnelle Reaktionen, etwa im Bereich Kinderbetreuung. Eine neue Krippe am Haupthaus an der Pfarrer-Freiberger-Straße ist entstanden – in Rekordzeit von nur drei Monaten. Rott verzichtete auf staatliche Zuschüsse, ersparte sich laut Bürgermeister viele bürokratische Umwege, konnte das Vergaberecht „kreativ auslegen“. Nur heimische Firmen kamen zum Zug, auch deshalb sei es so schnell gegangen, berichtete Wendrock. Die Baukosten lägen vermutlich bei etwa 575.000 Euro. Rott wird weiterbauen: In Lengdorf entstehe ein Kindergarten. Der Gemeinderat habe die Planung bereits grundsätzlich gebilligt. Frühestens 2026/2027 werde das vier-gruppige Haus errichtet.
2025 geht es laut Rathauschef weiter mit den Planungen für die Kläranlage. Auf der Agenda stehe außerdem unter anderem Neubau und Sanierung des Kiosks am Rotter Ausee, der Abschluss des Solarfeld Zainach, die energetische Sanierung des Rathauses.
Bürgermeister wünscht sich M-Zug für die Mittelschule
Wendrock hatte auch persönliche Wünsche: ein M-Zweig für die Rotter Mittelschule, eine bessere Resonanz auf den Volkstrauertag durch die Bevölkerung, wichtig in diesen unruhigen Zeiten, und eine Lösung für das Mega-Thema große Erstaufnahme-Einrichtung für Geflüchtete. 2025 werde er außerdem alle einladen zu einer Bilanz über seinen Plan für Rott, den er zur Kommunalwahl aufgestellt habe und nun gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürger unter die Lupe nehmen wolle. Tritt Wendrock 2026 erneut als Bürgermeisterkandidat an? Eine Aussage machte er dazu nicht. Nur so viel: „Es macht Spaß, in diesem Laden zu arbeiten.“ Ein Satz, der fast schon eine Ansage war.


