Sternchen, Binnen-I, Doppelpunkt verboten
Das Gender-Verbot kommt! – Das sagen Schulen und Behörden aus der Region
Plan wird zum Beschluss: Markus Söders Gender-Verbot in bayerischen Schulen und Behörden soll nun durchgesetzt werden. So werden Sternchen, Binnen-Is und Doppelpunkte aus den Elternschreiben und im Unterricht verbannt. Das sind die Reaktionen aus der Region.
Von Cordula Wildauer/Mathias Weinzierl/Michael Bartel/Andrea Klemm/Sophia Huber/Amelie Marschall/Markus Honervogt
Landkreise – Für Magdalena Singer, die Schulleiterin der Mädchenrealschule Rosenheim, war schon lange klar, wie gegendert werden soll. „Wenn ich Frauen meine, dann schreibe ich die weibliche Form auch direkt hin – ohne Stern und Doppelpunkt“. Das sei in ihrer Schule schon seit etwa zwei Jahren beschlossen worden. Es habe sich noch keine ihrer insgesamt 642 Schülerinnen durch diese Ansprache benachteiligt geführt.
Diese Punkte und Sterne sollen nun laut Markus Söder in allen bayerischen Schulen und Behörden verboten werden. Genauer gesagt der Gender-Gap, der Genderstern, das Binnen-I und der Doppelpunkt oder Mediopunkt. In den Elternbriefen, im Unterricht und in der internen Kommunikation der Schule soll von Lehrern und Lehrerinnen beziehungsweise von Lehrern oder Lehrkräften die Rede sein. Laut der Bayerischen Staatskanzlei gilt das unabhängig von Entscheidungen des Rates für deutsche Rechtschreibung zu der Frage der Verwendung von Sonderzeichen.
Schüler müssen nicht um Noten fürchten
Ein offizielles Schreiben des Kultusministeriums ist laut Georg Suttner, dem Schulleiter des Finsterwalder Gymnasiums, bei ihm noch nicht angekommen. „Ich habe bis jetzt nur aus den Medien von dem Beschluss gehört“, sagt er. Daher sei er mit seiner Meinung dazu noch zurückhaltend. An seiner Schule habe es vorher keine einheitliche Regelung gegeben. „Aber es fällt keiner durch, weil gegendert wurde“, sagt Suttner. Wichtiger als die Sprache sei es ihm, im täglichen Verhalten alle Menschen gleichberechtigt zu behandeln.
Auch nach Söders Beschluss soll kein Schüler, der die Genderschrift benutzen möchte, um seine Noten bangen. Laut der Präsidentin des Bayerischen Lehrerverbands, Simone Fleischmann, sei es wichtig, dass die Schulen frei im mündlichen Sprachgebrauch bleiben und die Schülerinnen und Schüler nicht um ihre Noten fürchten müssen. Daher soll die Gender-Schreibweise in Aufsätzen nicht als Fehler gewertet werden.
„Haben schon vorher darauf verzichtet“
Für Matthias Wabner, Schulleiter der Wilhelm-Leibl-Realschule Bad Aibling, sowie dessen Team ändert sich durch die Anweisung der bayerischen Staatsregierung, auf Genderschreibweise zu verzichten, nichts. „Wir haben auch in den vergangenen Jahren zugunsten einer guten Lesbarkeit der Texte darauf verzichtet“, sagt er.
Als das Thema vor einigen Jahren aufgekommen war und Kollegen angefangen hatten, Texte in Gendersprache zu verfassen, hatte es nach Angaben von Wabner eher negative Rückmeldungen vonseiten der Eltern gegeben. „Ich habe es dann in der Lehrerkonferenz angesprochen und darum gebeten, die Schreibweisen erst einmal so zu belassen, wie es bislang üblich war.“
Dass der Freistaat jetzt nochmals per Anweisung für klare Verhältnisse gesorgt hat, freut den Bad Aiblinger Schulleiter. Schließlich gehe es an seiner Schule auch darum, den Schülern „die Rechtschreibung richtig beizubringen“, was mit gendergerechter Schreibweise deutlich komplizierter sei. Und zudem Schüler, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, noch zusätzlich verwirren würde.
„Alle wundern sich, warum das Ganze so hochgespielt wird“
Andreas Schaller, Schulleiter des Ludwig-Thoma-Gymnasiums (LTG) in Prien, sieht dem kommenden Verbot entspannt entgegen. „Also ich, und ich glaube auch der Rest der Schulfamilie des LTG, hat das ganz unaufgeregt aufgenommen“, sagt Schaller. „Wir hatten vorher mit diesem Thema gar kein Problem.“ Im Schulalltag habe es alle Ausprägungen gegeben, und alle seien „damit wunderbar zurechtgekommen“, berichtet der Schulleiter. „Jetzt soll man es halt nicht mehr machen.“
Einen kleinen Mehraufwand werde das Verbot für die Schule mit sich bringen, meint Schaller. Bei schriftlichen Beiträgen auf der Schulwebseite, die teilweise auch von Schülern verfasst werden, müsse ab sofort ein Deutschlehrer die Texte kontrollieren, damit beispielsweise kein Gendersternchen mehr darin auftauche. Schaller selbst habe bisher schon wenig gegendert und meint, dass sich im Kollegium „letztendlich alle wundern, warum das Ganze so hochgespielt wird.“
„Jeder soll selbst entscheiden dürfen“
„Für mich ist das, jetzt nichts Neues“, sagt Christine Neumaier, Schulleiterin am Gymnasium Mühldorf. Für sie sei es nur ein klarstellender Hinweis auf die bestehenden amtlichen Regelungen. „Wir sind eine staatliche Behörde und amtliche Regelungen sind umzusetzen. Ich sehe das ganz unaufgeregt.“
Maria Partsch, Schülersprecherin am Gymnasium Waldkraiburg, findet ein Verbot dagegen schwierig. „Jeder sollte fähig sein, selbst zu entscheiden, ob er gendert“, sagt sie. Im Privaten würde sie die Gendersprache verwenden. „Ich will, dass die weibliche Gruppe nicht im generischen Maskulinum untergeht“, sagt sie. Wenn sie in der Schule eine Rede halte, würde sie nun von Schülern und Schülerinnen sprechen.
Entsetzen an der Volkshochschule Wasserburg
Auch Dr. Agnes Matrai, Geschäftsführerin der Volkshochschule Wasserburg, sieht den Beschluss kritisch. „Als promovierte Linguistin bin ich entsetzt“, sagt sie. Bisher hat die Volkshochschule ebenfalls in den Programmheften gegendert, sogar Kurse zum Gendern habe die Volkshochschule angeboten. „Sprache schafft Realität“, sagt Matrai. Es gebe viele Studien, die nachweisen würden, dass hinter Menschen das verbreitete generische Maskulinum als männlich wahrnehmen. Also, dass Menschen beispielsweise mit dem Wort Ärzte eben Männer und keine Frauen oder nicht-binäre Personen verbinden würden, so die Sprachwissenschaftlerin und Volkshochschul-Leiterin. Eine „Offenheit gegenüber unseren Kursteilnehmern“ sei der Volkshochschule immer wichtig gewesen, weshalb bisher auch gegendert wurde.
Dennoch ist Matrai nicht für eine Vorschrift zum Gendern. „Weder Vorgaben noch Verbote zum Gendern sind der richtige Weg, um mit diesem Thema umzugehen“, findet die Sprachwissenschaftlerin. Vielmehr sei sie dafür, der Entwicklungen ihren „natürlichen Verlauf“ zu lassen. „Sprache verändert sich ständig“, sagt Matrai. „Wir reden auch nicht mehr wie in mittelalterlichen Zeiten“, sagt sie. Das Gendern sei schlicht ein Teil davon. „Es ist eine Entwicklung, die gerade vor unseren Augen passiert“, sagt sie, noch sei unklar, ob es sich durchsetze oder nicht. Sie sei dafür, die Entwicklung der Sprachgemeinschaft zu überlasen. „Entweder diese stellt fest, dass die Vorteile überwiegen oder es stellt sich heraus, es ist zu sperrig.“ Warum es Verbote brauche, sei ihr „völlig unverständlich.“
Ob die Volkshochschule nun ebenfalls vom Gendern abweiche, sei noch unklar. „Wir sind ein Verein“, sagt sie, von dem Genderverbot, das auf Verwaltungen und staatliche Schulen und Hochschulen abzielt, seien sie also nicht betroffen. Trotzdem wolle sie in der nächsten Vorstandssitzung das Thema besprechen und dann beraten, wie mit dem Beschluss umgegangen werden soll, so Matrai.
„Wir versuchen ohnehin, Gendersternchen zu vermeiden“
Anders als die Volkshochschule ist Akademie der Sozialverwaltung in Wasserburg direkt vom Genderverbot betroffen. „Wir sind direkt dem Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales unterstellt, das heißt bei uns gilt natürlich die Geschäftsordnung“, sagt Leiterin Brigitte Schulan. Die Auswirkungen seien jedoch überschaubar. „Wir versuchen ohnehin, Gendersternchen zu vermeiden“, erklärt Schulan. In Anschreiben setze die Akademie vor allem auf neutrale Wörter, wie Studierende oder Mitarbeitende. „Wir sind auch an das Ministerium für Frauen angeschlossen, entsprechend sind wir schon immer sehr sensibel, was dieses Thema angeht“, sagt die Schulleiterin. Hinzu komme, dass der Großteil der Studierenden weiblich sei. Dennoch sieht Schulan in dem Verbot auch Vorteile. „Vor allem genderneutrale Gesetzestexte sind teilweise schwer zu erfassen.“
Keine Änderung bei der Stadt Rosenheim
Bereits vor dem Bekanntwerden des offiziellen Verbots teilte der Pressesprecher der Stadt Rosenheim, Christian Baab, auf OVB-Anfrage mit, dass die Verwaltung eine einheitliche Regelung verfolge. Heißt konkret: Das männliche und weibliche Geschlecht wurde in der Anrede verwendet, ohne die Sonderzeichen zu benutzen. Auf eine erneute Anfrage heißt es von Seiten der Stadt: „Änderungen an den geltenden Richtlinien der Stadt Rosenheim sind nicht erforderlich.“
Die Polizei Rosenheim hielt sich laut Hauptkommissar Robert Maurer schon vor Söders Beschluss an den Leitfaden für „Bürgernahe Sprache in der Verwaltung“ des Innenministeriums Bayern. Damals gab es nur eine Empfehlung dazu, auf die Sonderzeichen zu verzichten. Laut Innenminister Joachim Herrmann seien diese nach Söders Beschluss nun ausdrücklich unzulässig.
Auch Anton Maier, Pressesprecher der Technischen Hochschule Rosenheim, sieht keine große Änderung an den bereits etablierten Regeln. „Wir verwenden so weit wie möglich geschlechtsneutrale Termini, zum Beispiel Studierende, Lehrende, Beschäftigte oder Teilnehmende“, schreibt er auf OVB-Anfrage. Diese Regelung stehe dem aktuellen Kabinettsbeschluss nicht entgegen.
„Haben bislang sinnvolles Gendern betrieben“
Inwieweit das bayerische Genderverbot die Gemeindeverwaltung Feldkirchen-Westerhams betrifft, darüber muss sich die Kommune zunächst noch eingehend informieren, erklärt Karolin Lohwasser, Sprecherin der Gemeinde, auf OVB-Anfrage. Nach Angaben von Lohwasser habe die Gemeinde auf übliche Genderschreibweisen wie den Gender-Doppelpunkt oder das Gender-Sternchen sowieso weitgehend verzichtet, stattdessen bei Anreden beispielsweise die weibliche und die männliche Form verwendet. Auch Worte wie „Mitarbeitende“ seien, so weit möglich, in die Texte eingeflossen. „Wir haben bislang sozusagen sinnvolles Gendern betrieben“, sagt Lohwasser. „Letztlich war es uns aber wichtig, dass wir eine gute Lesbarkeit der Texte beibehalten.“
Der Mühldorfer Landrat Max Heimerl findet den Beschluss der Staatsregierung zum Gender-Verbot nachvollziehbar, da er der Empfehlung entspricht, die der Rat für deutsche Rechtschreibung veröffentlicht hat. Für das Landratsamt Mühldorf habe die Entscheidung jedoch keine Auswirkungen. „Wir orientieren uns in Mitteilungen und Texten immer am gewachsenen sprachlichen Standard und kommunizieren verständlich, lesbar und zugänglich“, schreibt Heimer auf OVB-Anfrage. Dabei würden trotzdem beide Geschlechter berücksichtigt, es soll laut ihm niemand ausgeschlossen werden.
Priens Oberbürgermeister Andreas Friedrich hält die Gender-Debatte dagegen für überflüssig. „Unser Land hat gerade andere Probleme als sich mit dem Genderverbot auseinander zu setzen“, sagt er.