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Frauen im Gymnasium vor 60 Jahren

Sitte, Zucht und Anstand: So schwer hatten es Rosenheimerinnen in den 50er Jahren

Marianne Berthaler-Elis, Hildegard Chmela und Sissi Engelmann
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Marianne Berthaler-Elis, Hildegard Chmela und Sissi Engelmann waren eine der wenigen Frauen zwischen 1950 und 1960, die ein Gymnasium besuchten.

Sitte, Zucht, Anstand – und die Unterdrückung der Frau: Das verbinden viele mit der Jugendzeit der Nachkriegsgeneration. Drei Rosenheimerinnen erzählen, wie sie entgegen der gesellschaftlichen Erwartungen einen höheren Bildungsweg einschlugen – und mit welchen Widerständen sie zu kämpfen hatten.

Rosenheim – Hildegard Chmela, Marianne Berthaler-Elis und Sissi Engelmann haben schon viel miteinander erlebt. Gutes, aber auch Schlechtes. Die drei Frauen besuchten von 1954 bis 1963 die Städtische Mädchen-Oberschule Rosenheim – das heutige Karolinen-Gymnasium. Nach dem Abschluss verloren sie sich allerdings aus den Augen. Für mehr als 60 Jahre. Bis sie sich auf einem Klassentreffen zum Jahrestag ihres Abiturs in Rosenheim wieder begegneten – um über eine Zeit zu sprechen, in der höhere Bildung für Frauen nicht selbstverständlich war.

60 Jahre Abiturtreffen - Da viele nach der Schulpflicht abgegangen sind, wurde nicht nur die Abiturklasse eingeladen. Organisiert wurde das Klassentreffen von Hildegard Chmela.

„Damals war es alles andere als üblich, das Abitur zu machen, schon gar nicht als Mädchen“ sagt Berthaler-Elis. Doch als Tochter zweier Lehrer sei es für sie klar gewesen, dass sie später auch Lehrerin werden wolle. So beendeten sie und Hildegard Chmela die Schulzeit mit dem Abitur. Engelmann fügt hinzu, dass man das Abi damals für eine gute Karriere jedoch gar nicht gebraucht hätte. Viele Schülerinnen – darunter sie selbst – hätten nach der Ende der Schulpflicht das Gymnasium verlassen, um eine Ausbildung zu machen oder zu heiraten.

Von links nach rechts: Sissi Engelmann, Marianne Berthaler-Elis und Hildegard Chmela verstehen sich auch nach mehr als 60 Jahren gut miteinander.

Wer schwanger wurde, flog von der Schule

Die Städtische Mädchen-Oberschule war, wie der Name vermuten lässt, eine reine Mädchenschule. Erst seit 1987 werden Jungen und Mädchen gemeinsam im Karolinen-Gymnasium unterrichtet. Umso spannender sei es daher für die Schülerinnen damals gewesen, dass sie zumindest im gleichen Gebäude unterrichtet wurden, wie die Buben aus dem humanistischen Gymnasium – dem heutigen Ignaz-Günther-Gymnasium. Es sei aber alles andere als leicht gewesen, mit ihnen in Kontakt zu kommen.

Engelmann erzählt, dass der Pausenhof der Mädchen und Jungen strikt getrennt gewesen sei. „Aber wenn man frech war, wie die Marianne, dann hat man sich heimlich in der gemeinsamen Turnhalle getroffen.“ Marianne Berthaler-Elis lacht und erinnert sich: „Damals war sogar das Händchenhalten verpönt, von Liebesbeziehungen mal ganz zu schweigen. Gottseidank hat sich das geändert.“

Das Altbau-Gebäude Nr. 32 des heutigen Ignaz-Günther Gymnasiums war damals von 1946 - 1968 der Unterschlupf für die Schülerinnen. Das zweite Bild ist ein Auszug der Festschrift des Karolinen-Gymnasiums.

Nur wenige wären so mutig gewesen wie Berthaler-Elis – normalerweise hätten die Mädchen nur über den Tanz- und Musikunterricht Kontakt zu den Buben gehabt, sagt Engelmann. „Oder man ist heimlich zur Eisdiele gegangen.“

Die Neugier der Jugendlichen wäre der ein oder anderen Schülerin aber zum Verhängnis geworden – denn obwohl die Pille in Deutschland 1961 auf den Markt kam, war sie lange nur für verheiratete Paare zugelassen. Sexualkundeunterricht hätte es gar nicht gegeben, vieles hätten die Schülerinnen selbst herausgefunden, erzählt Berthaler-Elis. Und wer vor dem Abschluss schwanger wurde, wäre von der Schule geworfen worden. In München sei deswegen auch eine Schule nur für schwangere Schülerinnen eröffnet worden, so Engelmann.

Tops und Jeans waren unvorstellbar

Genauso streng geregelt wie das Liebesleben der Mädchen, war auch die Kleidung. Hildegard Chmela holt mehrere alte Fotos hervor, auf welchem etwa 50 Mädchen versammelt sind. Ein Jahres-Klassenfoto pro Klassenstufe. Egal ob Kinder oder Jugendliche: Die Schülerinnen tragen alle lange Kleider und Röcke.

Aus der Festschrift des Karolinen-Gymnasiums. Eine fünfte und eine neunte Klasse in den Jahren 1960/61. Eine Klasse hatte oft etwa 50 Schülerinnen - viel mehr als heute im Karo üblich.

Tops und Jeans wären damals gesellschaftlich nicht gern gesehen worden, sagt Berthaler-Elis. „Ich habe mir mit 15 trotzdem eine Jeans geholt und kam mir damit sehr verwegen vor.“ Es ist damals kaum vorstellbar gewesen, dass das mal alle tragen würden.“ Bei der Kleidung habe sich eine Rebellion für sie nicht wirklich gelohnt, sagt Hildegard Chmela.

Bei der Frage, wie ihr späteres Leben aussehen soll, hätten sich die drei Frauen allerdings wenig hineinreden lassen. „Es war befreiend, studieren zu können, was ich will“, sagt die Rosenheimerin. Dafür habe sich auch das Kämpfen und der Widerstand gegen die Gesellschaftserwartung gelohnt.

Bildung ist Freiheit

Allerdings hat es für ein Studium auch gute Noten gebraucht. Und hierbei seien die drei Freundinnen sehr unterschiedlich gewesen.„Die Hildegard war eine Einserschülerin“ sagt Marianne Berthaler-Elis. Sie selber sei das komplette Gegenteil gewesen – oft versetzungsgefährdet. „Die Sprachen waren einfach nicht meins, aber die Naturwissenschaften habe ich geliebt.“

Das Deutschabitur sei ihr besonders im Gedächtnis geblieben. Die Aufgabe sei gewesen, einen Aufsatz über die eigene Meinung von Schulveranstaltungen zu schreiben. „Da sah ich die Gelegenheit, ehrlich Pro und Contra zu antworten“ sagt sie. Allerdings hätten den Lehrern ihre Kritikpunkte – aufgrund der damaligen Meinungen in der Gesellschaft – nicht gefallen und sie musste in die mündliche Nachprüfung. „Es gibt nichts Negatives an Schulveranstaltungen, haben die gesagt“ erinnert sich Berthaler-Elis. Am Ende bestand sie die Prüfung aber doch.

„Wenn man drinsteckt ist das so normal, wie wenn man einen Mantel anzieht.“

„Wir sind in vielerlei Hinsicht priviligierte Frauen“ findet Engelmann abschließend. Sie selbst habe sich in der Vergangenheit nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt gefühlt. „Aber Druck war schon da“ wirft Berthaler-Elis ein. Erst als sich der Zeitgeist wandelte, habe sie realisiert, wie einschränkend die gesellschaftlichen Regeln für Frauen für sie gewesen waren. „Wenn man drinsteckt, ist das so normal, wie wenn man einen Mantel anzieht, bevor man hinausgeht.“ Umso schöner sei es für die drei Frauen, dass es die nachkommenden Generationen nun einfacher hätten.

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