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Vanessa Riedel hat über 34.000 Fans auf Instagram

„Du gehörst an den Herd“: Eggstätter Maurerin kämpft gegen frauenfeindliche Klischees

Ob Winter oder Sommer: Maurerin Vanessa Riedel arbeitet bei jedem Wetter auf der Baustelle.
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Ob Winter oder Sommer: Maurerin Vanessa Riedel arbeitet bei jedem Wetter auf der Baustelle.

Vanessa Riedel aus Eggstätt arbeitet auf dem Bau. Über 34.000 Follower lässt sie auf Instagram an ihrem Alltag als Maurerin teilhaben. Die Menschen reagieren nicht nur positiv, sondern auch mit frauenfeindlichen Kommentaren. Dennoch wirbt sie für den Beruf.

Eggstätt - Sie fährt mit dem Bagger, mischt Mörtel und zieht Wände ein. Vanessa Riedel erledigt alles, was ein Maurer eben macht. Doch sie ist eine Frau - und das scheint für manche Menschen, vor allem Männer, ein Problem zu sein. „Du gehörst nicht hinters Lkw-Lenkrad, sondern an den Herd“, soll ein Staplerfahrer im Baustoffhandel einmal zu ihr gesagt haben.

Attacken in den sozialen Medien

Auf Instagram ist der Ton ähnlich. „Eine Frau auf dem Bau - lächerlich“, kommentiert ein Nutzer. „Kein Wunder, dass du keinen Mann findest, schämen solltest du dich“, schreibt ein anderer. „Vor der Kamera arbeiten und danach ins Nagelstudio und zum Friseur.“ Vanessa Riedel wird ständig kritisiert, nicht für ihre Arbeit, sondern dafür, dass sie eine Frau ist. „Für ein Mädchen ist das nichts, du schaffst das sowieso nicht“, sei ein Standardspruch.

Es stört Riedel, immer wieder auf ihr Geschlecht reduziert zu werden. „Wenn ich erzähle, dass ich Maurerin lerne, ist das für viele ein Schock und richtig abstoßend.“ Auch weil ihr Vater ihr Chef ist, wird sie kritisiert. Manche Leute glauben der 25-Jährigen deshalb nicht, dass sie wirklich arbeitet.

„Ich finde so ein Verhalten unmöglich. Das ist übergriffig“, sagt Robert Daxeder. Der Obermeister der Bauinnung Rosenheim beschäftigt selbst Frauen in seinem Unternehmen. Er habe jedoch noch nie mitbekommen, dass eine von ihnen so wie Vanessa Riedel angegriffen wurde.

Anonymität auf Instagram als Problem?

Daxeder sieht die Anonymität in sozialen Medien als Problem, die Leute könnten Menschen dort attackieren, ohne ihr Gesicht zu zeigen. In der Berufsschule dürfen solche Beleidigungen dem Obermeister zufolge nicht vorkommen. Wenn sich Angestellte im Baustoffhandel oder anderswo so verhalten, müssten Betroffene das unbedingt ansprechen.

Das macht Vanessa Riedel. Auf Instagram teilt sie die frauenfeindlichen Kommentare und kontert: „An alle, die über mich lästern. I love to entertain you.“ Dennoch wünscht sich die 25-Jährige Akzeptanz und Gleichberechtigung aller Geschlechter.

Vanessa Riedel lernt das Maurern nicht nur im Betrieb ihres Vaters, sondern auch während der schulischen Ausbildung in der Handwerkskammer.

Doch die junge Maurerin bekommt nicht nur Hasskommentare, sondern auch Zuspruch. Viele äußern der 25-Jährigen zufolge Respekt vor ihrer Arbeit und finden es toll, dass sie auf dem Bau arbeitet. Wie ihre Follower will auch Riedel andere unterstützen. Durch ihren Instagram-Account will sie Frauen motivieren, handwerkliche Berufe zu ergreifen. „Sie sollen sich einfach trauen und bewerben“ - ob für ein Praktikum oder für eine Ausbildung.

Nach Angaben der Handwerkskammer für München und Oberbayern hat sich der Anteil weiblicher Auszubildender in den Handwerksberufen in Bayern von 23,3 Prozent im Jahr 2011 auf 17,6 Prozent in 2021 verringert. Im Jahr 2022 ist die Zahl leicht gestiegen - auf 18 Prozent. Der Frauenanteil im bayerischen Handwerk beträgt rund ein Drittel. „Das ist seit Jahren eine recht konstante Zahl“, sagt Handwerkskammer-Sprecher Jens Christopher Ulrich.

Werden Schülerinnen zu wenig ermutigt „Männer-Berufe“ zu ergreifen?

Das liegt wohl auch an den weit verbreiteten Geschlechterklischees. Vanessa Riedel wurde in der Schule nie gesagt, dass sie einen Handwerksberuf ausüben könnte - ob Schreinerin, Zimmerin oder Maurerin. „Frauen müssen nicht im Büro arbeiten oder studieren, auch das Handwerk kann Spaß machen“, findet Riedel. Sie wünscht sich, dass Lehrer ihren Schülerinnen mehr Optionen aufzeigen.

Die Eggstätterin war sogar bei der Berufsberatung, weil sie nicht gewusst hat, was sie nach der Schule lernen soll. „Da waren nur typische Frauenberufe dabei: Friseurin, Masseurin und überhaupt nichts aus dem Handwerk“, erinnert sie sich. Riedel hat dann eine Ausbildung zur Physiotherapeutin absolviert, danach jedoch keine Stelle gefunden.

Ihr Vater hat ihr dazu geraten, den Lkw-Führerschein zu machen und bei ihm im Betrieb einzuspringen. „Das hat mir viel mehr Spaß gemacht als die Arbeit als Physiotherapeutin“, sagt Riedel. Der Alltag auf der Baustelle sei abwechslungsreich und am Ende des Tages sehe sie, was sie mit ihrer eigenen Kraft geschaffen hat. Deshalb hat sie sich entschieden, Maurerin zu werden.

Zwischen Schock und Begeisterung

„Die Mama war erst ein bisschen geschockt“, erinnert sich die Eggstätterin. Sie hatte schließlich gerade erst eine Ausbildung abgeschlossen. Ihr Vater habe sich früher gewünscht, dass seine Kinder keine Maurer mehr werden. Nun sei er begeistert, dass seine Tochter im Familienunternehmen mitarbeitet. „Er hat sich richtig gefreut und meinte, ich kann das Geschäft dann übernehmen“, sagt Vanessa Riedel.

Aktuell ist sie noch im zweiten Lehrjahr. Die Ausbildung dauert normalerweise drei Jahre, sie konnte aber auf zwei Jahre verkürzen. In der Berufsschule mauert die Auszubildende einen Tag im Praxisunterricht. An den anderen Tagen hat sie Berufsdeutsch und Fächer wie Massivbau, Trockenbau und Estrich. Im Sommer 2024 ist Riedel dann ausgebildete Maurerin - eine von zwei Frauen in einer Klasse mit 40 Schülern.

„Das ist super und gehört unterstützt“, sagt Robert Daxeder. Dem Obmeister zufolge sind Handwerker meist immer noch Männer, nur vereinzelt ergreifen Frauen diesen Beruf. Wenn jemand Interesse zeigt und sich zum Handwerk berufen fühlt, solle er oder sie auch in der Branche arbeiten - unabhängig vom Geschlecht.

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