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Kirchenmaler-Meisterin Maren Kogge

„Wirklich schockierend“: Wie die Miss Handwerk aus Amerang gegen Vorurteile kämpft

Sie hat oft einen Pinsel in der Hand: Kirchenmalermeisterin Maren Kogge bei der Arbeit.
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Hat oft einen Pinsel in der Hand: Kirchenmalermeisterin Maren Kogge bei der Arbeit.

Margen Kogge (34) aus Amerang ist nicht nur Kirchenmalerin mit Meisterbrief, sondern auch Miss Handwerk 2023. Und sie will einiges in der Branche ändern - denn sie trifft immer wieder auf alte Klischees.

Amerang - Prinzessinnen-Kleid, Stöckelschuhe und Krönchen - so stellen sich viele Menschen wohl eine Miss vor. Kirchenmalermeisterin Maren Kogge (34) aus Amerang entspricht diesem Klischee nicht. Sie ist Miss Handwerk 2023. Ihre Grundausstattung: T-Shirt, Hose und Pinsel. Es geht ihr nicht ums Aussehen, sondern darum, etwas in der Branche zu verändern.

Sie wird für eine Praktikantin gehalten

„Ich möchte mit Geschlechter- und Handwerks-Stereotypen aufräumen“, sagt Kogge. Seit zwölf Jahren arbeitet sie im Handwerk, vor sechs Jahren hat sie den Malermeisterbetrieb „Kain & Kogge“ gegründet und bildet seitdem aus. „Wenn ich auf eine Baustelle komme, fragen mich Architekten und Bauleiter bis heute: Und sie machen hier ein Praktikum?“

Die Kirchenmalermeisterin Maren Kogge will mit Geschlechter- und Handwerks-Stereotypen aufräumen.

Frauen werden im Handwerk Maren Kogge zufolge viel zu wenig gesehen. Sie ist nicht die Einzige mit solchen Erfahrungen. Auf ihrem Instagram-Kanal kontaktieren Maren Kogge viele Frauen. „Manche schreiben 50 Bewerbungen im Handwerk und bekommen keine Stelle. Bei diversen Menschen ist es noch schlimmer“, sagt sie. Das sind Personen, die sich weder als weiblich noch männlich identifizieren - also nicht-binär sind.

In Handwerksbetrieben gebe es zum Teil keine Toiletten für Frauen und nicht-binäre Menschen. „Eine Praktikantin hat mir berichtet, dass sie auf ein Holzscheitel hinter dem Haus pieseln sollte“, sagt Maren Kogge. „Wir leben im Jahr 2023, das ist wirklich schockierend.“ Über solche Missstände müsse gesprochen werden.

Alle Geschlechtsidentitäten ansprechen und einbeziehen

Die Malermeisterin fordert nicht nur Gleichberechtigung im Handwerk, sondern auch in der Sprache. „Ich reagiere immer ein bisschen allergisch, wenn jemand sagt, das ist wie eine Vergewaltigung der Sprache“, sagt Kogge über das Gendern. Sie verwendet eine mehrgeschlechtliche Schreibweise: Ein generisches Maskulinum gibt es dabei nicht, aus „Schreinern“ werden „Schreiner:innen“.

Zudem spricht sie eine „Gender-Pause“ - jene kurze Pause an der Stelle eines Wortes, an welcher der Doppelpunkt steht. Dadurch will die Miss Handwerk sämtliche Geschlechtsidentitäten ansprechen und einbeziehen. Neben Männern und Frauen auch nicht-binäre Menschen. „Ich und andere möchten gesehen werden und das fängt bei Sprache an“, sagt Kogge. „Ein binäres System ist vollkommen überholt.“

Auch die Vorurteile über das Handwerk sind laut der Kirchenmalerin überholt: Bauarbeiter-Dekolleté, Bier an der Tankstelle und Hauptschulabschluss. Viele Menschen seien überrascht, dass sie Abitur hat und einen handwerklichen Beruf ausübt. „Man kann Karriere mit einer Lehre machen“, versichert Maren Kogge. „Es gibt coole, moderne Betriebe.“

Für sie sei immer klar gewesen, dass sie etwas Künstlerisch-Handwerkliches machen möchte. Sie habe verschiedene Praktika absolviert - als Steinmetzin, Porzellan- und Kirchenmalerin. Bei Letzterem ist sie geblieben. „Ich komme an Orte, an die kommt kein anderer“, sagt Kogge. Sie arbeite an Altären und über hunderte Jahre alten Objekten. „Das ist etwas Magisches. Es verschafft mir bis heute Bauchkribbeln, dass ich Kunst und Kultur erhalten darf.“

„Denkmal ist nie vorhersehbar“

Handwerk bedeutet der Kirchenmalerin zufolge jeden Tag Fortschritt. Ob auf einer Burg, im Schloss oder in Privathäusern. Das Team arbeitet mit ökologischen Materialen wie Kalk, Kalkputzen, Kalkanstrich, Lehmfarben, Lehmputze und Leinöl - für einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck.

Die Handwerkerin öffnet Risse an Kirchen, verputzt diese, wählt Farben. „Denkmal ist nie vorhersehbar“, sagt Kogge. Manchmal stoße sie auf verdeckte Malereien. Im Innenraum von Kirchen habe sie sogar Botschaften von vorherigen Restauratoren entdeckt: Zeitungsausschnitte, Werkzeuge oder Fotografien.

Nun ist Kogge die Botschafterin. Als Miss Handwerk will sie jungen Menschen ein Jahr lang zeigen, warum es erstrebenswert ist, in die Branche zu gehen. Sie gibt fast jeden Tag Interviews, spricht in Podcasts oder ist im Fernsehen zu sehen. Seit 2022 ist sie „Deko-Girl“ in der Fernsehsendung „Guidos Deko Queen“ mit Guido Maria Kretschmer.

„Das mache ich, damit man im Nachmittagsfernsehen Frauen im Handwerk sieht“, sagt Kogge. Das mache ihnen Mut. 16- bis 25-Jährige schreiben der Kirchenmalerin, dass sie sich wegen ihr als Schornsteinfegerin oder Schreinerin beworben haben. „Das macht mich sehr stolz“, betont die Miss Handwerk.

Maren Kogge hat viele Fans

Stolz ist auch Michael Röling, Obermeister der Maler- und Lackiererinnung Traunstein, in der Maren Kogge Mitglied ist. „Das ist sehr wichtig, wir unterstützen das im gesamten Vorstand“, sagt Röling über Kogges Engangement für Frauen im Handwerk. Auch die Innung bemühe sich um mehr Frauen und Nachwuchs, ob auf Berufsinformationsmessen, durch Werbung im Radio oder bald auch auf Instagram.

„Ich bin ein Fan von Frau Kogge“, sagt Claudios Wolfrum, Geschäftsführer des Landesinnungsverbands des Bayerischen Maler- und Lackiererhandwerks der Fachgruppe Kirchenmaler, Restauratoren und Vergolder. Er war vor Ort als Maren Kogge zur Miss Handwerk auf der Internationalen Handwerksmesse in München gekürt wurde.

Maren Kogge und Tarek Legat, Miss und Mister Handwerk 2023.

„Wir sind stolz, dass eine Kirchenmalermeisterin Miss Handwerk geworden ist“, sagt der Geschäftsführer. So bekomme der Nischenberuf mehr Aufmerksamkeit. Wolfrum ist überzeugt, dass Maren Kogge das Handwerk gut repräsentieren wird. „Sie kämpft dafür, dass Frauen die Wertschätzung bekommen, die sie verdienen“, sagt er. Das sei selbstverständlich. „Es ist keine Frage des Geschlechts, sondern der Begabung.“

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