Exklusives OVB-Interview
Mit 40 in Rente? – So geht‘s! Wie Frugalist Florian Wagner finanziell unabhängig wurde
Finanziell unabhängig sein und nur noch vom Ersparten Leben. Das scheint für die meisten unmöglich. Doch einige sogenannte Frugalisten leben den Traum von der Rente mit 40 - oder sogar noch früher. Wie man das verwirklichen kann, erklärt Frugalist und Autor Florian Wagner im OVB-Interview.
Rosenheim – Im Alter von 40 Jahren den Job an den Nagel hängen und in „Rente“ gehen. Was wie eine sehr absurde Wunschvorstellung klingt, ist für den ein oder anderen tatsächlich ein echtes Ziel – durch Frugalismus. So auch für Florian Wagner. Der heute 37-Jährige beschäftigt sich bereits seit Jahren intensiv mit seinen Finanzen und lässt nun sein Geld für sich arbeiten. Wie man das Ziel der „Rente mit 40“ erreichen kann und wo die meisten Menschen ihr Geld verschwenden, erklärt Buchautor Florian Wagner im OVB-Interview.
Was ist Frugalismus?
Frugalismus ist ein Lebensstil, der darauf abzielt, durch bewussten und sparsamen Konsum finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Anhänger des Frugalismus konzentrieren sich darauf, ihre Ausgaben radikal zu minimieren und ihre Ersparnisse zu maximieren, um langfristig weniger arbeiten zu müssen und mehr Freiheit bei der Gestaltung ihrer Lebenszeit zu gewinnen. Dabei wird oft auf unnötige Ausgaben verzichtet und stattdessen in kostengünstige, aber qualitativ hochwertige Alternativen investiert. Ein zentrales Ziel des Frugalismus ist das Erreichen der finanziellen Freiheit, die es ermöglicht, frühzeitig in den Ruhestand zu gehen oder sich beruflich umzuorientieren, ohne von einem festen Einkommen abhängig zu sein.
Rente mit 40, nur durch sparsames Leben?
„Rente mit 40“ klingt zunächst sehr ambitioniert. Wie kommt man überhaupt darauf?
Florian Wagner: Zu Berufsbeginn als angestellter Ingenieur in der Automobilindustrie habe ich Blogs aus den USA entdeckt. Dort gab es Leute, die mit 40 oder früher so viel angespart und investiert hatten, dass sie nicht mehr auf ein Arbeitseinkommen angewiesen waren. Und da habe ich mich gefragt, wie die das machen. Zuerst dachte ich, sie leben heute wahrscheinlich sehr sparsam, um es später schön zu haben.
Und? Ist es wirklich so?
Wagner: Nein, ich habe dann gemerkt, dass sie sich selbst sehr gut kennen und abwägen. Sie fahren zum Beispiel mit dem Fahrrad zur Arbeit statt mit dem Auto. Das ist zwar anstrengender, spart aber Geld und macht fitter. Bei Lebensmitteln ist es ähnlich: Ich koche häufiger selbst, das ist gesünder und spart als Nebeneffekt Geld. Das fand ich interessant und habe für mich selbst die ersten Hochrechnungen gemacht. Ich habe gesehen, dass es mit einem Ingenieursgehalt, das natürlich überdurchschnittlich war, wirklich ein realistisches Ziel ist, mit 40 finanziell unabhängig zu sein.
Sie meinten, man muss sich selbst kennen und abwägen. Mit wie viel Verzicht ist das Ganze verbunden?
Wagner: Das entscheidet natürlich jeder selbst. Ich will keinen Verzicht. Die Lebensfreude und Lebensqualität stehen an oberster Stelle, denn es kann immer sein, dass morgen etwas passiert. Dann will ich nicht sagen müssen, hätte ich gestern doch das leckere Schnitzel gegessen. Alles, was ich an Optimierung gemacht habe, habe ich unter der Prämisse gemacht, nicht zu verzichten. Ich habe aber gemerkt, dass es viele Ausgaben gibt, die ich reduzieren oder streichen kann, ohne dass es Verzicht bedeutet. Ungesundes Essen wie Pizza oder Döner aus Stress, weil ich zu faul bin zu kochen, habe ich verändert. Verzicht war für mich nie das Ziel.
Früh in Rente: Wie viel Disziplin braucht es?
Aber man braucht viel Disziplin, oder?
Wagner: Auch das nicht, zumindest ich nicht. In meinem Buch „Rente mit 40“ habe ich 14 echte Menschen interviewt, die mit 40 oder früher finanziell unabhängig wurden. Keiner von ihnen sagte, dass sie diszipliniert sein mussten. Sie sahen es eher als Spiel: Was kann ich noch optimieren oder besser machen? Sparen war keine Einschränkung oder Disziplin, sondern eher ein spielerischer Gedanke.
Waren da auch Leute dabei, die deutlich weniger verdient haben als Sie? Es macht ja einen Unterschied, ob man Ingenieur ist oder im Einzelhandel an der Kasse sitzt.
Wagner: Auf jeden Fall. Dieses Ziel, das 30 Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter liegt, hatten alle interviewten Personen mit einem überdurchschnittlichen Grundgehalt. Ich habe Personen ausgewählt, die unterschiedliche Lebenssituationen hatten, wie Singles oder Familien mit Kindern. Alle hatten entweder ein gutes Gehalt oder zusätzliche Einnahmen. Einer übernahm zum Beispiel einen Hausmeisterjob, andere erstellten Webseiten. Sie wurden kreativ und reduzierten nicht nur Ausgaben, sondern generierten auch Zusatzeinnahmen.
Rente und Investitionen: Geld-Anlage gegen Inflation
Aber auch Investitionen spielen eine Rolle, oder?
Wagner: Absolut. Wenn ich kein Risiko möchte, lasse ich mein Geld auf dem Girokonto, verliere aber jedes Jahr fünf bis sieben Prozent durch Inflation. Wenn ich nicht investiere, entscheide ich mich dafür, dass mein Geld weniger wird. Alternativ kann ich mir an einem verregneten Samstag anschauen, was ein Aktien-ETF ist. Das Risiko ist, dass Aktienkurse auch mal für ein paar Jahre sinken. Langfristig habe ich aber quasi kein Risiko, weil die letzten 100 Jahre gezeigt haben, dass man nach zehn Jahren immer positiv war, wenn man einen breit gestreuten ETF gekauft hat. Man muss sich einfach mit dem Thema beschäftigen. Blind seinem Bankberater zu vertrauen, ist keine gute Idee. Man braucht kein Mathematikstudium, sondern kann heute mit Blogs und YouTube viel lernen.
Hatte ihr Lebenswandel Auswirkungen auf Ihr Sozialleben? Haben Sie sich dann zum Beispiel den Kino-Besuch oder das Essen mit Freunden gespart?
Wagner: Nein, auf keinen Fall. Soziale Kontakte und Aktivitäten mit Freunden sind sehr wichtig für die Lebensqualität. Da meine Alltagsausgaben geregelt und optimiert sind, wusste ich immer, dass ich Geld für Kino oder andere Aktivitäten habe. Es wurde also eher leichter, weil ich wusste, dass mein normales Leben nicht so verschwenderisch ist.
Frugalismus: Wo die meisten ihr Geld verschwenden
Wo verschwenden die Menschen meist ihr Geld?
Wagner: Zum Beispiel, wenn ich im Halbschlaf drei Cappuccini to go trinke, die ich gar nicht genieße, aber aus Stress das einfach immer so mache. Weil ich sowas einfach nicht mehr gemacht habe, wusste ich, da bleibt monatlich deutlich mehr übrig. Man ist dann eher in einer finanziell gelasseneren Situation als davor, wo man nicht so genau wusste, wo das Geld eigentlich hingeht.
Was war auf Ihrem bisherigen Weg zur finanziellen Unabhängigkeit die größte Herausforderung?
Wagner: Man kann schon in die Position verfallen, dass man nur spart und dann hat man es irgendwann geschafft. Doch dabei besteht die Gefahr zu vergessen, dass man nur einmal jung ist. Es gibt ein Buch, das gut veranschaulicht, dass man, wenn man jünger ist, eine größere Auswahl an Aktivitäten hat, die man machen kann, aber eher weniger Geld. Und wenn man älter ist, hat man eher mehr Geld, aber einen viel eingeschränkteren Aktivitätsradius, was Reisen und Erlebnisse angeht. Das war für mich immer ein guter Reminder: Auch wenn man dieses Ziel der finanziellen Unabhängigkeit hat, mal zu sagen, „Okay, ich mache jetzt diese zweimonatige Sri Lanka Reise. Denn jetzt bin ich jung und ungebunden.“
Welchen Rat würden Sie Menschen geben, die sich nun auch an das Ziel der Rente mit 40 wagen möchten?
Wagner: Ich würde den Rat geben, dem Ganzen eine Chance zu geben, neugierig ranzugehen und nicht zu sagen: Der spart 70 Prozent, der kann ja nicht zufrieden leben. Dass man sich inspirierende Geschichten von Personen anschaut, wie sie es gemacht haben. Dass das Ganze eher etwas Positives wird, anstatt zu sagen: Ich darf dies nicht mehr, ich darf das nicht. Das ist mein größter Tipp, damit es nachher auch erfolgreich wird.