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„Ich fühle mich hier gebraucht“

In Rente und dennoch weiter schuften? Warum viele Babyboomer nicht ans Aufhören denken

Hans Maier (69) ist zwar im Ruhestand, arbeitet aber noch – aus Freude und wegen des Geldes.
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Hans Maier (69) ist zwar im Ruhestand, arbeitet aber noch – aus Freude und wegen des Geldes.

In den kommenden Jahren gehen auch in Bayern viele Babyboomer in den Ruhestand. Dabei würden sie gebraucht, denn der Mangel an Fachkräften ist groß. Hans Maier (69) ist einer, der nicht einfach aufgehört hat. Er fährt noch jeden Tag Bus.

Antholing – Hans Maier könnte schon längst seinen Ruhestand genießen. Er ist 69 Jahre alt und hat seit seinem 16. Lebensjahr gearbeitet – 53 Jahre lang, ohne Unterbrechung. Aber der Senior aus dem kleinen Dorf Antholing im Kreis Ebersberg sitzt noch immer am Steuer eines Schulbusses. Und dort will er auch in den kommenden Jahren bleiben. „Aufhören war für mich nie eine Option“, sagt er.

Zu arbeiten, Hans Maier kennt das nicht anders. Mit 16 begann er eine Ausbildung zum Landmaschinenmechaniker, ging zur Bundeswehr und reparierte Panzer. 1986 wechselte er dann zum Busunternehmen Ettenhuber nach Glonn, erst als Mechaniker, dann auch als Busfahrer.

„Ich fühle mich hier gebraucht“

Seit dem Eintritt ins Rentenalter fährt Maier den Schulbus durch die Ortschaften von Glonn und Antholing. 32 Kilometer ist seine Tour lang, jeden Morgen fährt er sie. Was anders ist als früher: Nach einer Stunde ist sein Arbeitstag vorbei – dafür bekommt er als geringfügig Beschäftigter rund 400 Euro monatlich. „Ich fühle mich hier gebraucht und mache die Arbeit gerne”, sagt er. „Im Nebenerwerb habe ich noch eine kleine Autowerkstatt. Mit den Jobs kann ich den Ruhestand auch finanziell gut genießen.“

Neuen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zufolge arbeiten aktuell 1,5 Millionen der rund 21 Millionen Rentner im Ruhestand weiter – knapp 400.000 in Teil- oder Vollzeit, knapp 1,1 Millionen als Minijobber, so wie Hans Maier. Schaut man aufs Alter, sind bei den 65- bis 69-jährigen Rentnern rund 15 Prozent noch in einem Beschäftigungsverhältnis; bei den 70- bis 74-Jährigen sind es immerhin 13 Prozent, wie aus einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, einer Einrichtung der Arbeitsagentur, hervorgeht.

Seit Anfang 2023 können alle Rentner unbegrenzt hinzuverdienen – egal, ob man ganz regulär in Rente gegangen ist oder ein paar Jahre früher. Davor mussten alle, die das Regelrentenalter noch nicht erreicht hatten, Rentenkürzungen hinnehmen (siehe Interview). Diese Grenze gilt nicht mehr, was es für viele nun attraktiver macht, weiterzuarbeiten.

„Sehr große Bedeutung“ für den Arbeitsmarkt

Die Motive der Rentner sind laut dem jüngsten Alterssicherungsbericht (ASID) des Bundes vielfältig, nicht selten ist es eine Mischung aus Lust und dem Wunsch nach mehr Geld. 27 Prozent der im ASID Befragten gaben „Spaß an der Arbeit“ an, je 21 Prozent soziale Aspekte und den Kontakt zu Kollegen, 13 Prozent wollen sich „etwas mehr leisten können“. Nur 14 Prozent nannten konkret finanzielle Not. In der Erhebung des Instituts für Arbeitsmarktforschung sagten 43 Prozent, dass „auch finanzielle Motive eine Rolle“ spielen.

Die älteren Arbeitskräfte werden dringend gebraucht. „Angesichts der demografischen Entwicklung haben ältere Arbeitnehmer und auch Rentner eine sehr große Bedeutung. Sie können den immer größer werdenden Arbeitskräftemangel deutlich lindern“, betont Elfriede Kerschl, Referatsleiterin Fachkräfte bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern. In den nächsten Jahren gingen „wesentlich mehr Menschen in Rente als auf den Arbeitsmarkt nachrücken“. Betrachte man allein das demografische Defizit in Bayern, liege das von 2023 bis 2037 bei rund 435.000 Arbeitskräften.

Schon heute fehlen in Bayern laut der IHK mehr als 150.000 Arbeitskräfte. Bis 2027 könnte die Zahl auf rund 176.000 steigen. „Dann wären rechnerisch 54,6 Prozent aller offenen Stellen nicht zu besetzen“, sagt Kerschl. Für 2027 rechnet die IHK mit rund 18,3 Milliarden Euro an Wertschöpfungsverlusten. Mehr arbeitende Rentner könnten dieser Entwicklung entgegenwirken.

„Die Älteren haben die Routine“

Das weiß man auch beim Autobauer BMW. An den Standorten in Bayern seien pro Jahr 30 bis 35 „Senior-Experten“ im Einsatz, so eine Sprecherin auf Anfrage. Besonders gefragte Kompetenzen seien IT-Know-how als Brücke zwischen alten und neuen Technologien, Prozessmanagement, Konstruktion und Entwicklung. „Der Einsatz hat Vorteile für beide Seiten“, sagt die Sprecherin. BMW decke seinen Bedarf an Arbeitskräften und erhalte sich langjährige Erfahrung und fundierte Prozesskenntnisse. Die Rentner wiederum blieben aktiv, erlebten einen gleitenden Übergang in den Ruhestand und hätten Spaß daran, ihre Erfahrungen an die junge Generation weiterzugeben.

So sieht das auch Busunternehmer Josef Ettenhuber, Hans Maiers Chef. „Die Älteren haben die Routine, sie können ihr Wissen an die Jüngeren weitergeben. Und so einen Mitarbeiter wie den Maier Hans lässt man eh nicht gerne gehen.“ Der 69-Jährige sei zuverlässig, unfallfrei und verschlafe nicht. „Er kommt aus der Technik. Wenn er einen Bus fährt, weiß er sofort, wenn etwas mit dem Fahrzeug nicht stimmt“, lobt Ettenhuber.

Auch die Busbranche sucht ständig Arbeitskräfte. Ettenhubers Flotte ist groß, er bedient viele Linien des Münchner Nahverkehrs, dazu kommt das Fernreisegeschäft. 250 Mitarbeiter arbeiten in seinem Betrieb, neue Angestellte rekrutiert er im Ausland, zum Beispiel Kroatien, Serbien und auch Indien. Um sie in die teure Region München zu locken, hat er sogar Werkswohnungen gebaut, direkt neben der Firmenzentrale im Glonner Ortsteil Schlacht. „Viele Mitarbeiter gehen in Rente oder wechseln Jobs“, sagt Ettenhuber. Jeder, der im Ruhestand weiterfahre, sei für ihn ein Gewinn.

„Tropfen auf den heißen Stein“

Dass arbeitende Rentner das Fachkräfteproblem in Deutschland lösen können, glaubt Ettenhuber aber nicht. Die meisten würden nicht Vollzeit arbeiten und die Einbindung in ein Zwei-Schicht-System, wo es morgens um vier Uhr losgehe, will er den Senioren nicht zumuten. „Man kann ein paar Löcher stopfen, aber insgesamt ist es ein Tropfen auf den heißen Stein und keine Lösung.“ Bekämpfen könne man den Arbeitskräftemangel nur mit Zuwanderung.

Hans Maier ist einer von wenigen, die bei Ettenhuber auch als Rentner noch arbeiten. Obwohl Maier das anderen Senioren unbedingt empfiehlt. „Wenn man fit ist, tut jeder gut daran, weiterzuarbeiten. In der Rente von hundert auf null zu gehen, finde ich nicht gut.“ Es müsse ja nicht immer die Beschäftigung in einer Firma sein, auch ein Ehrenamt in der Gemeinde biete sich an. „Man muss nur aufpassen, dass man sich nicht zu viel zumutet“, sagt er. „Ich merke, dass ich nicht mehr so belastbar bin wie früher.“ Zur Demonstration fasst er sich an die Schultern, die ihm ein bisschen wehtun. Alles in allem aber sei er fit.

In seiner Werkstatt will Hans Maier kürzertreten – Bus fahren möchte er noch ein paar Jahre. „Bis ich 74 bin, habe ich meine Fahrerlaubnis für die Personenbeförderung“, sagt er, „dann überlege ich mir, ob ich weiterfahre.“ Zumindest das 40-jährige Betriebsjubiläum kann er so noch feiern.

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