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10.000 auf den Straßen

Großdemo und Streik gegen mögliche Schließung von Audi-Werk: „In wenigen Wochen sind wir arbeitslos“

Tausende Menschen sind in Brüssel zu einer Demo gegen die Schließung eines Audi-Werks gekommen.
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Tausende Menschen sind in Brüssel zu einer Demo gegen die Schließung eines Audi-Werks gekommen.

Das Audi-Werk in Brüssel soll vermutlich schließen. Dagegen regt sich nun massiver Widerstand: In der belgischen Hauptstadt wird der komplette Nahverkehr aus Protest lahmgelegt.

Update vom 16. September, 14:21 Uhr: Tausende Demonstranten haben sich am Montag (16. September) Protesten wegen der drohenden Schließung eines Audi-Werks in Brüssel angeschlossen. In der belgischen Hauptstadt gingen nach Polizeiangaben rund 5500 Menschen auf die Straße, die Gewerkschaften sprachen von mehr als 10.000 Teilnehmenden. Sie forderten Milliardeninvestitionen in die Industrie in der Europäischen Union.

„Unsere Leben sind keine Fließbänder“, hieß es auf einem Plakat der Fabrikarbeiter. „In wenigen Wochen werden wir arbeitslos sein, ohne Geld und ohne Perspektiven“, erklärte ein Audi-Arbeiter, der anonym bleiben wollte. „Mit 37 Jahren eine neue Ausbildung zu machen, wird kompliziert“, fügte er hinzu.

Auch IG Metall aus Deutschland dabei: „Es geht um die Zukunft der europäischen Autoindustrie“

„Was in Europa getan wird, ist das Gegenteil von dem, was getan werden sollte“, kritisierte der Präsident der belgischen Gewerkschaft FGTB, Thierry Bodson. „Es wird von Sparpolitik gesprochen, während wirklich Milliarden und Abermilliarden in die Industrie investiert werden müssen“.

Vor Ort waren auch Mitglieder der IG Metall und Gewerkschaftler aus Frankreich, Polen und den Niederlanden. „Es geht um die Zukunft der europäischen Autoindustrie“, erklärte der Sprecher der IG Metall Wolfsburg, Steffen Schmidt, der mit rund 30 Demonstranten aus Deutschland angereist war. „Es geht um gut bezahlte Arbeitsplätze in der Automobilindustrie, die in Europa gehalten werden müssen“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP.

Großdemo und Streik bei Audi in Brüssel: Angst vor „Deindustrialisierung“ in Europa

Erstmeldung vom 16. September, 10:21 Uhr:

Brüssel – In Brüssel zeigt sich gerade, was auch Deutschland bevorstehen könnte, sollte Volkswagen tatsächlich ein Werk im Land schließen. Zwischen 10.000 und 15.000 Menschen werden am Montag (16. September) bei einer Großdemo gegen die mögliche Schließung des Werks von Audi Brüssel erwartet. Aus Solidarität legt auch der Nahverkehr die Arbeit nieder: In der belgischen Hauptstadt sollen Tram, Metro und Busse nur eingeschränkt fahren.

Von der geplanten Werksschließung sind 3000 Jobs betroffen. Wie die Brussels Times berichtet, hat Audi in der vergangenen Woche bestätigt, dass man keine langfristige Produktion in Brüssel mehr plant. Ein Sprecher von Audi bestätigte dies auch gegenüber IPPEN.MEDIA: Der Informations- und Konsultationsprozess, der laut belgischem Recht vor einer Werksschließung durchlaufen werden muss, habe ergeben, dass es keine weitere Fahrzeugproduktion aus der Volkswagen-Gruppe geben werde. Stattdessen soll die Produktion nach Mexiko verlagert werden. Allerdings sollen ab 17. September erstmal wieder Autos im Werk in Brüssel vom Band rollen, nachdem in der vergangenen Woche mehrere Streikaktionen stattgefunden hatten. Noch am vergangenen Montag hatten Arbeiter vier Reifen angezündet, die die Ringe des Audi-Logos bilden.

Der Streik und die Großdemo richten sich nicht ausschließlich gegen die drohende Werksschließung bei Audi, sondern auch gegen das Gefühl des Niedergangs in Europa. Die belgischen Gewerkschaften unter dem gemeinsamen Banner FGTB-CSC-CGSLB nennen den Fall Audi „nur die Spitze des Eisbergs, wenn es um die weit verbreitete Deindustrialisierung in Europa und Belgien geht“, wie die Brussels Times berichtet. Die Gewerkschaften fordern daher eine „Politik der Reindustrialisierung“.

Die belgische Klimakoalition – eine Allianz aus 90 sozialen Organisationen, die sich für Klimapolitik einsetzen – sprach ebenfalls ihre Solidarität mit all denjenigen aus, die unter „die Entscheidungen der Volkswagen Gruppe leiden“. Der Verlust von 3000 Arbeitsplätze sei ein „Symbol eines gescheiterten Strukturwandels“, zitiert die Brussels Times die Organisation.

Autobranche erwartet Verlust von Millionen Jobs in ganz Europa

Am Wochenende hat ein internes Papier der Autobranche an die EU für Aufruhr gesorgt. In dem Papier warnte der Autosektor vor dem Verlust von Millionen Jobs in Europa. Die Industrie sei nicht in der Lage, eine bevorstehende Verschärfung von EU-Klimavorgaben einzuhalten, heißt es in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt. „Folglich wird die EU-Industrie mit Strafzahlungen in Milliardenhöhe konfrontiert.“ Wer Strafen entgehen wolle, habe „kaum eine andere Wahl, als die Produktion erheblich zu drosseln, was Millionen von Arbeitsplätzen in der EU bedroht“, heißt es.

Das Audi-Werk in Brüssel soll schließen, die Produktion nach Mexiko verlagert werden. Dagegen regt sich Widerstand.

Damit es nicht so weit kommt, wird vorgeschlagen, einen Notfallartikel zu nutzen, der schon bei Corona zum Einsatz kam. Nach der im Papier vertretenen Auffassung könne die EU-Kommission so die Einführung schärferer Vorgaben um zwei Jahre verschieben. Jüngst hatte auch VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch eine Verschiebung gefordert. Der deutsche Auto-Lobbyverband VDA drängt darauf, dass früher als vorgesehen überprüft wird, ob die EU-Vorgaben machbar sind.

„Der Vorstoß ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten: Die Autohersteller haben in den letzten zwei Jahren über 130 Milliarden Euro Gewinn gemacht und hatten genügend Zeit, sich auf das seit 2019 bekannte CO₂-Ziel vorzubereiten“, sagte Sebastian Bock, Geschäftsführer der Umweltorganisation Transport & Environment Deutschland. Jetzt forderten sie, dass ein Notstand ausgerufen werde, um weiterhin schmutzige Autos verkaufen können.

Autobauer in Europa schlagen Alarm: In Deutschland sind Werke nicht ausgelastet

Von den Schwierigkeiten in der Autobranche sind europaweit Hersteller betroffen – auch im Autoland Deutschland. Im Schnitt waren die deutschen Werke von Volkswagen, BMW, Mercedes & Co. im vergangenen Jahr nur zu etwas mehr als zwei Dritteln ausgelastet. Das geht aus einer Auswertung des Datenspezialisten Marklines für die Deutsche Presse-Agentur hervor. 6,2 Millionen Autos könnten alle Standorte zusammen den Angaben zufolge pro Jahr liefern. 2023 waren es nur gut 4,1 Millionen. 

Die Marklines-Zahlen zeigen dabei gewaltige Unterschiede zwischen den Standorten. Während Porsche Stuttgart 2023 mit knapp 100 Prozent fast voll ausgelastet war und Audi Ingolstadt und BMW München mit annähernd 90 Prozent nur wenig schlechter abschnitten, kam Opel Eisenach nicht einmal auf 30 Prozent der möglichen Kapazität. Nur zu gut einem Drittel ausgelastet war auch das Ford-Werk in Köln. 

Das Opel-Stammwerk in Rüsselsheim kam dagegen auf immerhin 60 Prozent. Andere große Standorte waren nur rund zur Hälfte ausgelastet, darunter die Stammwerke von VW und Mercedes-Benz in Wolfsburg und Sindelfingen. Auch das 2022 neu eröffnete Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin schaffte nur 51 Prozent.

Grund für die Probleme in der Autoindustrie ist die schwache Nachfrage nach E-Autos und die gleichzeitig steigende Konkurrenz aus China. Chinesische Autobauer sind in der Lage, das zu tun, was den hiesigen Unternehmen nicht gelingt: Günstige Modelle anzubieten. Die Branche wird in China aber auch staatlich subventioniert. BYD, SAIC, Cherry, Xpeng – sie sind auch in Europa auf dem Vormarsch. BYD verkauft in der Heimat China mittlerweile mehr E-Autos als Volkswagen, der bisher der Platzhirsch war. Jedes zweite neu verkaufte Auto ist in China mittlerweile ein Elektroauto. (mit Material von dpa und AFP)

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