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„Flickenteppich“ und Habeck-Schmerz
Aber der Diesel bleibt: Ampel zerlegt sich fast bei der Milliarden-Suche – das Ergebnis verrät einiges
Ein Kompromiss – und zweimal Verlierer-Gefühle: Was der Haushalt über die Ampel-Machtverhältnisse verrät. Und warum kein Friede zu erwarten ist.
Berlin/München – Zwischendurch schien sogar unklar, ob das Kabinett Scholz seine Halbzeit noch als vollwertige Regierung erleben würde: Am 8. Dezember 2021 hatte der Bundestag Olaf Scholz (SPD) zum Kanzler gewählt. Zwei Jahre später stand die Ampel-Koalition am Abgrund. Der geplatzte Rechentrick um den Klimafonds hatte für 2024 ein riesiges Haushaltsloch hinterlassen. Und die Ideen der ungleichen Partner SPD, Grüne und FDP zur Problemlösung klafften denkbar weit auseinander.
Rechtzeitig vor dem Jahreswechsel zu verabschieden ist das Budget nun nicht mehr. Aber einen gemeinsamen Plan konnten Scholz, sein Vize Robert Habeck (Grüne) und FDP-Chef Christian Lindner am Mittwoch (13. Dezember) immerhin verkünden. Nach einer jener Nachtsitzungen, die die Ampel einst so dringend vermeiden wollte. Ein Blick in die Haushaltspläne der Koalition verrät aber noch mehr – über Konfliktlinien, Durchsetzungskraft und auch die kommenden Streitpunkte. Erkennbar ist ein harter Abwehrkampf auf allen Seiten. Ein Überblick:
Haushalt 2024: FDP bleibt im Ampel-Streit um Schuldenbremse hart – auf den ersten Blick
Ein felsenfestes Ja zur Schuldenbremse. Und ein Nein zu Steuererhöhungen. Mit diesem Vorsatz war die FDP in die Haushalts-Neuverhandlungen gegangen. Auf den ersten Blick trägt Lindner ein paar satte Erfolge davon: Die Schuldenbremse bleibt und für 2024 ist zunächst auch keine Ausnahmeregel geplant. Die Erhöhung des Steuergrundfreibetrags und Industrie-Hilfe aus seinem „Wachstumschancengesetz“ boxte der Liberalen-Chef ebenfalls durch die heiklen Verhandlungen. Das mögliche Zugeständnis hatte Lindner schon im Vorfeld angedeutet. „Klimaschädliche Subventionen“ könnten fallen. „Subventionen“ klingt schließlich auch nicht nach einem Wunschinstrument eingefleischter Marktliberaler.
Nicht nur, aber auch die CSU machte indes schnell rot-grüne Flecken auf Lindners vermeintlich weißer Verhandler-Weste aus. Das Ergebnis sei „vor allem auch mal wieder Ausdruck gebrochener Versprechen der FDP“, rügte Markus Söders Generalsekretär Martin Huber. Er verwies auf die „dritte Steuererhöhung“: Gemeint waren Erbschaftssteuer, die Mehrwertsteuer in der Gastronomie – und nun ein Aus eines Privilegs für die Landwirte. Bisher wurde Agrardiesel mit 440 Millionen Eure pro Jahr gefördert. Der Bauernverband rügte eine „Kampfansage“. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) warnte vor steigenden Lebensmittelpreisen.
Auch ob die Schuldenbremse wirklich unverändert Bestand hat, bleibt abzuwarten. Die Grünen forderten umgehend Nachbesserung. Und Scholz dachte schon an Ausnahmen, etwa bei Problemen im Ukraine-Krieg oder zugunsten der Flut-Geschädigten im Ahrtal. An anderer Stelle biss sich die FDP ohnehin die Zähne aus, etwa beim Kerosin. So richtig Ernst machen wollten die in Umfragen bedrohlich schwächelnden Liberalen dann wohl doch nicht. Doch gerade die Union wird im Ringen um die Wählergunst weiter Druck machen.
„Es tut mir weh“: Habecks Grüne schlucken bittere Pillen – hebeln aber auch Lindner aus
Auch die Grünen mussten Schlappen einstecken. Habeck klang zwischen den Zeilen einmal mehr angegriffen. „Das tut mir weh“, räumte er mit Blick auf Kürzungen auf E-Auto-Prämien und Solarförderung ein. Das sei der Preis für das Erhalten des Klimafonds – samt der Unterstützung für den Heizungstausch. Habecks Gesamturteil: Es sei eine „gemeinsame Kraftanstrengung insgesamt gelungen“. Triumph klingt anders.
Allerdings hat die Partei letztlich doch auch einiges erhandelt. Zu nennen ist vor allem der nun doch schneller steigende CO₂-Preis. Den hatten Klima-Experten schon länger gefordert – und die Grünen konnten die Bremsung um Koalitionsvertrag nur mühsam verteidigen. Jetzt muss Geld her. Und die Grünen konnten den CO₂-Preis offenbar als geeignete Quelle platzieren. Das könnte dem Klima helfen, aber für Verwerfungen sorgen. Die Energiepreisbremse war bereits zuvor gekippt, jetzt werden fossile Brennstoffe schneller teurer. Schon ab 1. Januar.
Kabinett Scholz: Nach dem Ampel-Aus kommt Rot-Grün ohne Mehrheit
Gefallen könnte der Grünen-Basis auch, dass bei der Bahn nicht gespart wird, auch wenn der Bund dafür wohl einiges an Tafelsilber privatisieren wird. Gleiches gilt für die Kerosinsteuer auf Inlandsflüge. Die hatte FDP lange verhindern wollen. Und Familienministerin Lisa Paus betonte die „gute Nachricht“, dass in ihrem Ressort nicht gekürzt werden soll. Auf der anderen Seite: Ein Aus für das Dienstwagen-Privileg hatten die Grünen schon lange lautstark gefordert und den Wunsch unlängst untermauert. Der war aber wohl mit der FDP nicht umzusetzen.
Beim Diesel-Privileg (abseits der Landwirtschaft) hatte sich auch die SPD gewehrt. Generalsekretär Kevin Kühnert verwies auf Krankenpfleger, Erzieher und Rentner, die mit Dieselautos unterwegs seien. Wie kompliziert die Lage auch grünenintern ist, zeigte eine Aussage aus dem Kabinett: Landwirtschaftsminister Cem Özdemir selbst sprach von einem „problematischen“ Fall, wenn Agrardiesel teurer wird und auch die Kfz-Steuer-Befreiung für Landwirte fallen sollte.
SPD hält das Bürgergeld – Ist Scholz der Gewinner?
Ist die SPD die Gewinnerin im Haushalts-Streit – falls das nach der Blamage in Karlsruhe überhaupt möglich ist? Die Kanzlerpartei hat jedenfalls eine ihrer Grundfesten verteidigt: Die im November beschlossene Bürgergeld-Erhöhung bleibt. Zwar muss Arbeitsminister Hubertus Heil 1,5 Milliarden einsparen. Die sollen aber großteils rund um das Bürgergeld herum herbeigekratzt werden. Einmal durch bessere Vermittlung in Arbeit. Aber auch, und das ist zumindest ein SPD-Wermutstropfen, nach Informationen des Handelsblatts auch durch schärfere Sanktionen für Menschen, die sich nicht vermitteln lassen wollen.
Nicht nur Diesel und Dienstwagen-Privileg, sondern auch der Fortbestand der Pendler-Pauschale dürften im Sinne der Sozialdemokraten sein. Für Erhöhungen letzterer war die SPD in der Ampel stets offen. Und dann ist da noch das bedingungslose Ja für die Unterstützung der Ukraine. Ein Thema, das weit über den Haushaltszoff in Berlin hinausreicht – aber Scholz gerade auch als Signal ins Ausland wichtig gewesen sein dürfte. Da wäre dann auch die gesuchte „Notlage“ für eine Pause bei der Schuldenbremse gefunden.
Parteiintern gab es jedenfalls Applaus. „Es ist gut, dass der Bundeskanzler Führungsstärke bewiesen hat“, sagte der Hamburger SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf mit Blick auf die Ergebnisse. Ein Satz, den Sozialdemokraten nach den vergangenen zwei Jahren sicherlich gerne aussprechen.
Der Ampel-Haushalt steht: Sollbruchstelle Heizen und Energie? Warum kein Frieden zu erwarten ist
Den Koalitionsbruch hat die Ampel offenbar abgewendet – nach dem selbstverschuldeten Milliarden-Loch im Etat konnte es aber keine echten Gewinner auf der Regierungsbank geben. Weitere bittere Pillen für die Basis aller drei Parteien könnten den Ärger im neuen Jahr weiter befeuern. Zugleich haben sich SPD, Grüne und FDP weitere Baustellen gelassen. Und möglicherweise bedrohliche offene Fragen.
Eine davon etwa: Was passiert, wenn die Energiepreise angesichts der Weltkrisen doch wieder steigen sollten? Eine Energiepreisbremse ist nicht mehr im Angebot und der CO₂-Preis könnte die Problemlage verschärfen. Dabei ist das Thema Heizen ohnehin längst eine offene Flanke der Ampel. Wobei die Auswirkungen zunächst vergleichsweise überschaubar erscheinen: Eine Musterfamilie mit einem Heizbedarf von 20.000 Kilowattstunden habe jährliche Mehrkosten von 78 Euro beim Gas und 96 Euro bei einer Ölheizung zu erwarten, errechnete das Portal Verivox. Doch es läppert sich: Auch die Netzentgelte beim Strom werden steigen. Das Unternehmen 50Hertz, ein Betreiber der Stromautobahnen, schätzt, dass das für einen Haushaltskunden mit durchschnittlichem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden im Jahr Mehrkosten von rund 60 Euro bedeutet.
Und dann ist da auch noch der Streit um die Schuldenbremse. Offenbar hat sich die FDP beim Thema Ahrtal zu einem Zugeständnis bereiterklärt – hier warb die Koalition um weitere Hilfe auf Schuldenbasis. Doch die Grünen dachten schon kurz nach dem Kompromiss an eine wesentlich größere Reform. Dann sind da auch noch Begehrlichkeiten bei der SPD: Chef Lars Klingbeil forderte jüngst höhere Steuern für Reiche; ein Graus für die FDP. Nur eines scheint nach dem Mittwoch im politischen Berlin sicher: Fortsetzung folgt. Vorerst. Und der nächste Haushalt kommt bestimmt. (fn)