Einige Privilegien bleiben
Haushalt 2024 der Schmerzen: Tanken, Heizen, Fliegen – was der Ampel-Deal konkret bedeutet
Die Ampel ist sich doch noch einig geworden. Ein Plan für den Haushalt 2024 steht. Klar ist schon jetzt: Er wird spürbare Folgen haben. Auch für die Schuldenbremse?
Berlin – Der Haushalts-Flop vor dem Verfassungsgericht hatte die Ampel-Koalition in Nöte gebracht – nun haben SPD, Grüne und FDP eine Lösung gefunden. Nach vier Wochen andauernder Hängepartie. Gesucht war schließlich die Quadratur des Kreises: neue Gelder, möglichst wenige Einschnitte und, so die kategorische Forderung der FDP, Finger weg von der Schuldenbremse und möglichen Steuererhöhungen.
Nun soll, darauf haben sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Co. geeinigt, gespart werden. „Das tut mir weh“, erklärte Scholz‘ Vize Robert Habeck (Grüne) am Mittwochmittag (13. Dezember). Aber längst nicht überall kommt der Rotstift zum Einsatz. Viele Detailfragen sind ohnehin noch offen. Die ersten Ergebnisse und ihre Folgen für Deutschland im Überblick:
Bürgergeld, Steuerfreibetrag, Ukraine- und Industrie-Hilfen – hier wird im Haushalt 2024 nicht gespart:
- Im Fokus der Debatte stand zuletzt das Bürgergeld. Die geplante Erhöhung kommt aber offenbar. Wichtig sei, „es wird keine Reduzierung von sozialen Standards geben“, betonte Finanzminister Christian Lindner (FDP). Allerdings wird wohl bei einigen Zusatzleistungen gestrichen. Lindner zufolge soll mehr „Treffsicherheit“ bei Sozialleistungen zugleich 1,5 Milliarden Euro sparen.
- Keine Abstriche gibt es offenbar auch beim steuerlichen Grundfreibetrag. Berichten zufolge soll er von 10.908 auf 11.784 Euro steigen. Von einer Änderung an diesen Plänen war am Mittwoch nichts zu hören. Auch der Kinderfreibetrag soll steigen, auf 6612 Euro. Beide Schritte hatte gerade Lindner eingefordert.
- Unangetastet bleibt auch die Hilfe für die Ukraine im russischen Angriffskrieg. Die im Haushalt 2024 vorgesehene direkte Hilfe von Deutschland an die Ukraine bleibe bei acht Milliarden Euro, versicherte Lindner. Kanzler Scholz stimmte sogar auf einen etwaigen Nachschlag ein. Verschlechtere sich die Lage der Ukraine an der Front oder kürzten andere Unterstützer ihre Zuwendungen, „werden wir darauf reagieren müssen“, sagte er.
- Die Industrie soll jedenfalls in einigen relevanten Bereichen nicht unter den Einsparungen leiden. Laut Lindner wird die Stromsteuer wie geplant abgesenkt – rund drei Milliarden Euro soll das den Staat kosten. Auch Steuerentlastungen aus dem „Wachstumschancengesetz“ bleiben fest eingeplant.
- Auch wenn „klimaschädliche Subventionen“ (siehe unten) allgemein Fokus stehen, sollen mehrere Privilegien bleiben: Bei der Dienstwagenbesteuerung, beim Diesel und bei der Pendlerpauschale sind offenbar keine Änderungen geplant. Trotz anderslautender Forderungen der Grünen.
- Auch die Zuschüsse für die geplanten Chipfabriken in Ostdeutschland sollen fließen, wie Habecks Staatssekretär Michael Kellner (Grüne) bestätigte.
Einigung zum Heizen, Tanken und Co.: Wo frisches Geld im Haushalt herkommen soll
- Neben Einsparungen will die Ampel auch neue Gelder beschaffen – ein heikles Thema gerade für die FDP. Fündig geworden ist die Koalition auf ihrer Suche nach Finanzquellen nun doch beim CO₂-Preis. Schon ab 1. Januar greift die vorgesehene Änderung: 45 Euro statt wie geplant 40 Euro soll dann je Tonne CO2 an den Staat fließen. Das hatte ursprünglich schon die GroKo so geplant. Aktuell liegt der Co2-Preis bei 30 Euro. Die Erhöhung dürfte das Tanken und das Heizen mit fossilen Energien wie Kohle, Öl und Gas verteuern. Schon Anfang 2023 hätte der CO2-Preis eigentlich steigen sollen – auf 40 Euro. Bei Bekanntgabe der dann doch gecancelten Pläne rechnete der Außenhandelsverband für Mineralöl und Energie von 3 Cent mehr für den Liter Benzin oder Diesel, wie tagesschau.de berichtete.
- Berichten zufolge plant die Ampel auch eine Kerosinsteuer auf innerdeutsche Flüge. Bislang wurde der Flugzeugtreibstoff nicht gesondert besteuert.
- Schnell kommen soll nun auch eine ohnehin im Koalitionsvertrag angekündigte „Plastikabgabe“. Die Hersteller von Plastik sollen künftig 1,4 Milliarden Euro zum Haushalt beitragen.
Klimaschädliche Subventionen, E-Auto-Kaufprämie – hier setzt die Ampel den Rotstift an
- Kritik gibt es schon länger an „klimaschädlichen Subventionen“. Lindner hat hier unlängst schon Gesprächsbereitschaft signalisiert. Nun soll gestrichen werden. Drei Milliarden Euro Einsparungen soll das bringen.
- Auch bei der E-Auto-Kaufprämie alias „Umweltprämie“ will die Ampel sparen. Die Prämie werde früher auslaufen als geplant, sagte Habeck – einen konkreten Zeitpunkt nannte er zunächst aber nicht.
- Kürzungen soll es auch bei der Solar-Förderung geben.
- Gestrichen werden soll ein eigentlich geplanter milliardenschwerer Zuschuss zu Entgelten für das Stromnetz, wie die dpa aus Koalitionskreisen erfuhr.
- Das erhöhte Bürgergeld bleibt. Trotzdem sollen die Sozialausgaben sinken. Sanktionen bei Nichtannahme von Jobs und ein Aus für Boni bei Weiterbildungen sind nach Informationen des Handelsblatts dafür angedacht. Lindner setzt auch auf Einsparungen durch bessere Vermittlungen etwa ukrainischer Geflüchteter in den Arbeitsmarkt.
„Die machen wir nicht gerne, klar, sie sind aber nötig, damit wir mit dem Geld, was uns zur Verfügung steht, hinkommen.“
„Das tut mir weh.“
Bahn soll im Fokus bleiben: Umschichten statt kürzen
- Einen interessanten Ansatz hat die Koalition bei der Bahn gewählt. Gerade die Grünen hatten die Bedeutung der Schiene immer wieder in den Vordergrund gerückt. Nun soll die Deutsche Bahn von Einsparungen verschont bleiben. Allerdings soll das Unternehmen mithelfen – durch Privatisierungserlöse, wie Lindner erklärte. Ein möglicher Kandidat ist die Fracht-Tochter Schenker. Laut Habeck wird zugunsten anderer Finanzierungswege umgeschichtet. Aus dem vom Verfassungsgerichtsurteil betroffenen Klimafonds sollen 12,7 Milliarden Euro weniger kommen.
Streitthema Schuldenbremse: Alles klar? Nicht ganz
Ist mit der nächtlichen Einigung auch beim Thema Schuldenbremse alles geklärt? Eher nicht. Vorerst hat die FDP ihren Willen bekommen. Allerdings ließ Scholz eine Hintertür offen. Insbesondere für den Fall einer neuen Lage in der Ukraine schloss er einen Rückgriff auf eine Bremsen-Aussetzung nicht aus.
Die Ampel prüfe auch eine Ausnahme von der Schuldenbremse für die weiteren Zahlungen für die von der Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021 betroffenen Menschen. Sie werde auf die Union als größte Oppositionsfraktion zugehen und um deren Unterstützung für diesen Schritt werben. Aus der CDU kamen umgehend negative Signale. „Das ist keine neue Naturkatastrophe“, urteilte Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei.
Die Grünen-Fraktion forderte hingegen schon am Mittwochmittag eine Reform der Schuldenbremse. Das sei für die Modernisierung Deutschlands nötig. (fn mit Material von reuters und AFP)
Rubriklistenbild: © Michael Kappeler/dpa
