Ampel sucht nach Geld
Höhere Erbschaftsteuer zur Lösung der Haushaltskrise: Gehen dem Staat Milliarden verloren?
Die Ampel-Koalition braucht dringend Geld, um ihr 100-Milliarden-Euro-Loch im Haushalt zu stopfen. Steuererhöhungen lehnt die FDP ab. Doch was ist mit der Erbschaftsteuer?
Berlin – Wie kommen wir raus aus der Haushaltskrise? In der Ampel-Koalition brodelt es mächtig, seitdem das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil zum Klima- und Transformationssfonds (KTF) den gesamten Haushalt quasi infrage gestellt hat. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat deshalb angekündigt, mit einem Nachtragshaushalt eine Notlage für 2023 zu erklären, damit die Schuldenbremse ausgesetzt werden kann.
Doch damit wird das Grundproblem der Ampel noch nicht gelöst. Sie braucht für das kommende Jahr mehr Einnahmen, um all die geplanten Projekte – unter anderem Milliarden für die Transformation der Industrie – zu bezahlen. Woher das Geld kommen soll, dafür gibt es viele Ideen. Ein Weg, für den sich der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil jetzt starkmacht, wäre über die höhere Besteuerung von Vermögen und eine höhere Erbschaftsteuer.
SPD-Mann Lars Klingbeil spricht sich für höhere Steuern für Reiche aus
„Wir wollen bis zu 95 Prozent der Steuerzahler entlasten. Aber im Gegensatz zu anderen Parteien sagen wir ehrlich, wo das Geld für die Entlastungen, die Investitionen, den Umbau der Wirtschaft und für gute Bildung herkommen soll: auch indem Mega-Erben etwas mehr zahlen als bisher“, sagte Klingbeil in einem Interview mit dem Handelsblatt. Steuererhöhungen sollten sich gezielt an „Multimillionäre und Milliardäre“ richten, erklärt der SPD-Vorsitzende weiter.
Damit steht er auch nicht alleine da. In einem Gespräch mit dem Spiegel hat sich der Ökonom Volker Grossmann, Professor für Makroökonomie in der Schweiz, für einen erhöhten Erbschaftsteuersatz von 50 Prozent ausgesprochen. Derzeit liegt der Steuersatz für Erben bei zwischen sieben und 30 Prozent – wobei letzteres erst bei einem Erbe von mindestens 26 Millionen Euro anfällt. Noch dazu würde Grossmann die Verschonungsregeln beim Erben von Unternehmen abschaffen und so mindestens 13 Milliarden Euro zusätzlich für den Staat generieren.
Volker Grossmann betont, dass durch die Erhöhung der Erbschaftsteuer die allermeisten Menschen überhaupt nichts davon mitbekommen würden. Denn die Freibeträge, die aktuell schon gelten, würden nach seinem Vorschlag bestehen bleiben. Wer bis zu diesem Betrag erbt, muss keinen einzigen Cent an Steuern zahlen. Die Freibeträge sind aktuell wie folgt:
| Verwandtschaftsgrad zum Verstorbenen | Freibetrag |
|---|---|
| Ehepartner | 500.000 Euro |
| Kinder bzw. Enkelkinder, deren Eltern schon tot sind | 400.000 Euro |
| Enkelkinder | 200.000 Euro |
| Eltern & Großeltern | 100.000 Euro |
| Geschwister / Nichten & Neffen | 20.000 Euro |
| unverwandte Erben | 20.000 Euro |
Der Ökonom sagt, durch eine höhere Erbschaftsteuer für Erben großer Vermögen würde außerdem mehr Chancengleichheit entstehen. „Heute besitzt ein Prozent der Deutschen 30 Prozent des Nettovermögens, die unteren 50 Prozent haben nur drei Prozent“, erklärt er dem Spiegel. „Die oberen zehn Prozent der Empfänger vereinnahmen 50 Prozent der gesamten Erbschaftsmasse, die unteren 50 Prozent nur sieben Prozent.“ Dass so hohe Vermögensanteile in Deutschland einfach weitervererbt werden, widerspricht seiner Ansicht nach dem Leistungsgedanken. „Heute entscheidet sich weitgehend per Geburt, ob jemand reich oder arm wird.“
OECD: Deutschland muss Steuerentlastungen überdenken
Neben der SPD und Volker Grossmann hat sich auch die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für neue Steuerregeln in Deutschland ausgesprochen. Sie plädiert auch für eine Reform der Schuldenbremse, um mehr Flexibilität für Investitionen zu schaffen. Die staatlichen Einnahmen sollten durch Abschaffung von verzerrenden, regressiven und umweltschädlichen Steuervergünstigungen erhöht werden. So könnten etwa die Freibeträge bei der Schenkung- und Erbschaftsteuer und die Befreiungen für Betriebsvermögen verringert werden, schlägt die Organisation vor.
Auch Steuervergünstigungen für Einkünfte aus dem Verkauf und der Vermietung von Bestandsimmobilien sollten abgebaut werden, schrittweise auch Subventionen und Steuervergünstigungen für fossile Energieträger. Zudem sollte die Grundsteuer stärker an den Wert der Hauspreise gekoppelt werden, rät die OECD. „Wenn in Deutschland in den nächsten Jahren weniger Investitionen und Ausgaben getätigt werden, weil weniger Geld zur Verfügung steht, dann wird das zwangsläufig Auswirkungen auf die EU-Wirtschaft haben“, sagte der Leiter des Deutschland-Desk der OECD, Robert Grundke, am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
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