Familienkolumne „Dahoam am Land“, Folge 22
Als Vater Mädels großziehen - Von Anziehpuppen, Schminke und LED-Girlanden
Als Vater freut man sich wie verrückt auf den Nachwuchs. Miteinander spielen, auf der Couch vor den Fernseher Popcorn essen und meinetwegen auch gemeinsam Hausaufgaben machen. Alles hat den Schein eines verklärten Idylls, die Realitität hingegen ist - nennen wir es mal so - „anders“.
Dahoam - Ich sitze am Boden, die Knie schmerzen, meine Hüften knacken bei jeder Bewegung. In der einen Hand halte ich eine kleine Plastiktasse, randvoll mit imaginärem Kakao. Mit der anderen Hand versuche ich, das viel zu kleine Plastikdiadem festzuhalten, das mich als waschechte Prinzessin zu Gast am Hofe meiner Tochter identifiziert. Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt.
Doch was sich so in meine Erinnerung eingebrannt hat, ist einige Jahre danach eher ein nostalgisches Schwelgen in den Freuden früherer Lebensabschnitte. Heute sind meine Mädel fast so groß wie ich, ihre Hausaufgaben übersteigen meine Erinnerungen an das Gelernte um Längen und wenn sie sich zurechtmachten, muss ich den Raum verlassen. Scheinbar darf ich nicht wissen, was ein Primer ist, oder welchen Teil des Gesichts man mit der Wimpernzange „festziehen“ muss. Na ja, meine Vorstellungen sind sichtlich vage.
Manchmal jedoch werde ich noch dringend benötigt. Wenn zum Beispiel zehn Meter Leucht-Girlanden aus China eingetroffen sind. Es gilt, diese so exakt um das Bett herum zu fixieren, dass es gleichsam cool und doch auch atmosphärisch wirkt. „Fancy“ eben. Wenn aber die „Fancy-heit“ - ich bin sicher, so heißt das nicht - hergestellt wurde, darf ich auch wieder gehen und all die Sachen machen, die alte Menschen eben tun. Im Rausgehen höre ich noch das Wort „Slay“, doch keine Angst: Die LED-Kette hat sie nicht erschlagen, da bin ich sicher. Es ist wohl ein weiteres Jugendwort. Ich frage nicht nach, das wäre sonst ein Anlass für das Wort „Cringe“.
Doch manchmal gibt es auch diese Momente, die das Herz ansprechen. Nein, nicht im Sinne von Aufregung und Herz-Kaschperl. Sondern diese kleinen Momente, die einem zeigen, dass man dem Nachwuchs wichtig ist. Es tut mir leid, aber jetzt wird es richtig schmalzig.
Kürzlich feierte meine Große ihren Tanzkurs-Abschluss, inklusive Ballkleid und vielen gemeinsamen Tanzeinlagen. Wir vollführten Figuren, manche davon sogar geplant und freiwillig, und ich zeigte ihr den Twist. Zwischen all den Aufführungen und Pausen betrachtete ich meine Frau und die beiden nun fast erwachsenen Töchter. Alle drei in aufwendigen Kleidern, wunderschön zurechtgemacht. Drei toll Menschen.
Doch der Gipfel kam erst am nächsten Tag, als ich das Profilbild meiner Großen sah: Sie hatte nicht ihren Tanzpartner oder ein Selfie eingefügt, nein, es waren wir beide bei unserem ersten Walzer. Wie schön, dass ich als Prinzessin mit ihr Kakao getrunken und mit ihr und ihren Puppen gespielt habe!
ar