Vier Tote im Jahr 2024
„Der schwerste und schlimmste Einsatz“: Welche Unfälle im Wasserburger Land immer noch nachwirken
Schwarzes Jahr auf den Straßen im Wasserburger Land: Im Jahr 2024 mussten vier Menschen bei Verkehrsunfällen ihr Leben lassen. Wo die Unfallschwerpunkte liegen und wie man an gefährlichen Brennpunkten um mehr Sicherheit kämpft.
Wasserburger Land – Es war ein schwarzes Jahr auf den Straßen im Wasserburger Land. Gleich zu Jahresbeginn starben innerhalb einer Woche drei Menschen bei schweren Verkehrsunfällen. Am 9. Februar fuhr ein 46-jähriger Rosenheimer mit seinem Wagen auf der St 2359 bei Kerschdorf in Richtung Griesstätt. Bei einem Überholvorgang kam es zu einem Frontalzusammenstoß mit dem entgegenkommenden Pkw eines 18-Jährigen aus Rott, wie die Polizeiinspektion Wasserburg mitteilte. Beide Fahrer erlitten durch den Aufprall schwerste Verletzungen und erlagen diesen noch an der Unfallstelle. Mit im Auto des 46-Jährigen waren auch seine Frau und seine beiden Kinder. Sie wurden in umliegende Krankenhäuser transportiert.
Mit als Erster am Unfallort war Andreas Stockenreiter, Kommandant der Freihamer Wehr. „Es war der schwerste und schlimmste Einsatz, den ich in meiner 15-jährigen Feuerwehr-Karriere erlebt habe“, sagte er im Gespräch mit der Redaktion im Februar. „Das geht einem emotional sehr an die Nerven.“ Das bestätigte Georg Reinthaler von der Bachmehringer Feuerwehr, der ebenfalls bei dem Einsatz dabei war: „Es war extrem heftig.“ Es spielten sich Szenen ab, die die Einsatzkräfte wohl nie vergessen werden. Denn es galt, die verzweifelt um Hilfe rufenden und schwer verletzten Insassen zu befreien. Im Krach der eingesetzten Rettungsgeräte sei versucht worden, beruhigend auf die Opfer einzuwirken, berichtet Reinthaler. „Uns wurde mal wieder deutlich, wie schnell Menschen von einer Minute auf die andere aus dem Leben gerissen werden können. Einen 18-Jährigen aus einem völlig zerstörten Auto herauszuholen und feststellen zu müssen, dass er nicht überlebt hat: Das ist fürchterlich.“
„Sehr belastend“
Auch für die Einsatzkräfte eine große Belastung, die anschließend gemeinsam aufgearbeitet wurde, wie Georg Weiderer, Kommandant der Griesstätter Wehr, erklärte. Er bat die 22 Griesstätter Einsatzkräfte, die mit drei Fahrzeugen ausgerückt und ganz nah am Geschehen waren, nach dem Unfall zu einem Treffen. „Fast alle waren da. Sie wirkten, so mein erster Eindruck, emotional stabil und gefasst“, berichtete er. Trotzdem sagte der Kommandant: „Es war und ist sehr belastend, selbst für einen sehr erfahrenen Feuerwehrler wie mich.“
Nicht einmal eine Woche später gab es einen weiteren tödlichen Unfall im Wasserburger Land. Am 15. Februar geriet ein 62-jähriger Wasserburger, der gerade mit seinem Wagen auf der B15 zwischen Unterkatzbach (bei Ramerberg) und Sendling unterwegs war, auf die linke Fahrspur. Dort kam es zu einem Frontalzusammenstoß mit dem Lkw eines 32-Jährigen aus dem Raum Bad Aibling, wie die Polizei Wasserburg mitteilte. Der 62-jährige Opel-Fahrer erlitt schwerste Verletzungen und erlag diesen noch an der Unfallstelle.
Zu einem weiteren dramatischen Verkehrsunfall kam es am 6. Juli in Staudham. Ein Fußgänger wurde beim Überqueren der B 304 auf Höhe der Staudhamer Kreuzung frontal von einem Auto erfasst, über die dabei zerborstene Windschutzscheibe hoch und zu Boden geschleudert. Er starb aufgrund der Dynamik des Aufpralls noch am Unfallort, so die Polizei. Thomas Lerch, Kommandant der Feuerwehr Attel-Reitmehring, war gemeinsam mit 19 Einsatzkräften fast vier Stunden im Dienst, um die Straße zu säubern und den Verkehr umzuleiten. Auch für die Reitmehringer Feuerwehr ein Unfall, der nachwirkte, wie Lerch im Gespräch mit der Redaktion im Juli betonte. „Danach kannst du nicht heimfahren, sofort ins Bett gehen und einschlafen. Das musst du erst einmal verarbeiten.“
Entschärfung der Unfallstelle gefordert
Nach dem schrecklichen Unfall wurden Stimmen laut, die eine Entschärfung der Unfallstelle forderten – denn diese ist bekannt. Zu solch schlimmen Vorfällen wie Anfang Juli kam es bislang zwar selten, doch es ereignen sich oftmals Auffahrunfälle. So viele, dass die Gemeinde Edling seit mehreren Jahren Ampeln an dieser Kreuzung sowie an den drei weiteren in Kreuzungen Brandstätt, an der Kesselseestraße und in Hochhaus fordert.
Die Ampeln sollen auch kommen, ein entsprechendes Verkehrsgutachten, gemeinsam erstellt mit dem Staatlichen Bauamt Rosenheim, hatte deren Notwendigkeit bestätigt. Doch wo bleiben sie? Zunächst hieß es, Ende 2024 sollen die Ampeln installiert werden. Doch zwischenzeitlich hatte sich die Behörde dazu entschieden, auch den Unfallschwerpunkt in Stephanskirchen (Amerang) mit einer Lichtsignalanlage zu versehen, was für eine Verzögerung sorgte.
Vorhaben verzögert sich
„Ein Ingenieurbüro wurde mit der Umplanung aller fünf Knotenpunkte im Bereich der B 304 beauftragt“, erklärte Ursula Lampe, Pressesprecherin des Staatlichen Bauamts Rosenheim auf Anfrage der Redaktion im Juli. „Da es sich in Brandstätt und Stephanskirchen um akute Unfallhäufungspunkte handelt, sollen diese beiden Knotenpunkte prioritär beplant werden“, sagte sie. Mit ersten Ergebnissen rechne die Behörde im Oktober, so Lampe.
Doch nun verzögerte sich das Vorhaben erneut, wie Edlings Bürgermeister Matthias Schnetzer in der Oktober-Sitzung des Gemeinderates bekanntgab. Der Rechnungshof des Bundes wolle eine genauere Variantenprüfung, sagte Schnetzer. Sprich: Es müsse neben einer Lösung für Ampeln auch eine durch Kreisverkehre geprüft werden. „Die zuständigen Behörden sind zwar schon dabei, aber das muss erst vom Landkreis Rosenheim abgesegnet werden und bedarf einer weiteren Genehmigung durch den Bund“, so der Bürgermeister.
Prüfung auf Realisierbarkeit
Lampe teilte auf Anfrage weiter mit, dass die Variantenvergleiche zu allen genannten Knotenpunkten auf deren Realisierbarkeit hin geprüft würden. Verschiedene Aspekte seien zu betrachten: „Dazu gehört unter anderem eine erste Prüfung der Verfügbarkeit des benötigten Grundes – das ist vor allem beim Bau von Kreisverkehren von besonderer Relevanz. Ebenso wichtig sind finanzielle Ressourcen – des Bundes, gegebenenfalls aber auch der Kommunen oder des Landkreises, falls ein Eigenanteil zu leisten ist. Des Weiteren sind die Priorisierung gegenüber anderen Maßnahmen (Stichwort Unfallhäufungspunkte) oder etwaige naturschutzrechtliche Belange zu nennen“, erklärte die Pressesprecherin.
Wie lange die Prüfungen noch dauern, sei deshalb schwer abzuschätzen. Grundsätzlich sei es dem Staatlichen Bauamt Rosenheim ein Anliegen, unfall-auffällige Knotenpunkte rasch zu entschärfen – die Umsetzung sei jedoch ein Zusammenspiel vieler verschiedener Akteure, so Lampe.



