Zunahme von Attacken auf Einsatzkräfte
„Man braucht ein dickes Fell“: Pöbeleien traurige Routine auch für Wasserburger Feuerwehr
Das Bundeskriminalamt verkündet einen Höchststand von Gewalttaten gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte. Dass man ein „dickes Fell“ braucht, wissen auch Heinrich Lir, stellvertretender Kommandant der Wasserburger Wehr, und Rosenheims Kreisbrandrat Richard Schrank. Womit sie sich immer öfter herumschlagen müssen.
Wasserburg – Einen traurigen Rekord hat das Bundeskriminalamt in einer Presserklärung verkündet: Die Gewalttaten gegen Polizisten haben im Jahr 2023 einen neuen Höchststand erreicht. 46.218 Fälle wurden im vergangenen Jahr registriert, ein Anstieg von acht Prozent gegenüber 2022. Bei den Rettungsdienst- und Feuerwehrkräften gab es im Jahr 2023 687 Fälle (+5,7 Prozent) bei der Feuerwehr sowie 2.050 Fällen (+6,8 Prozent) bei sonstigen Rettungsdiensten wurden im Jahr 2023 ebenfalls Höchststände verzeichnet, so das Bundeskriminalamt.
Auch im Wasserburger Land kommt es immer wieder zu Attacken auf Einsatzkräfte. Erst am Donnerstagabend (10. Oktober) gab es einen Vorfall. Wegen eines Verkehrsunfalls wurden die „Serpentinen“ in Wasserburg gesperrt. Das gefiel einem Autofahrer anscheinend gar nicht. Er streckte den Einsatzkräften den Mittelfinger entgegen und beleidigte sie. Heinrich Lir, stellvertretender Kommandant der Wasserburger Wehr, war bei dem Einsatz dabei und weiß: „Dumme Sprüche kommen hin und wieder vor. Da braucht man schon ein dickes Fell. Den Leuten fehlt oft das Verständnis, wenn wir den Verkehr umleiten müssen – und wir bekommen dann den Ärger ab“, weiß der langjährige Feuerwehrler.
Manche würden versuchen, die Absperrung zu umfahren. So geschehen am 10. Oktober, als ein Autofahrer „einfach durchgebrettert“ sei. „Um solche Fälle kümmert sich aber dann die Polizei“, erklärt er. Grundsätzlich sei es auch „im Interesse“ der Wehr, die Straße nur einseitig zu sperren, „aber das geht eben nicht immer, wie bei dem Unfall bei den Serpentinen. Da gab es kein Durchkommen“, so Lir.
„Wirklich dreist“
Einen ähnlichen Vorfall erlebte auch Richard Schrank, Kreisbrandrat des Landkreises Rosenheim, bei einem Einsatz in Schechen. Dort waren zwei Fahrzeuge frontal zusammengestoßen, die B15 war für zwei Stunden voll gesperrt. Über eine Nebenstraße habe sich dann doch ein Autofahrer „durchgequetscht“ und sei quer über die Unfallstelle gefahren. „Wir haben erst noch gedacht, es ist ein Angehöriger von einem der beiden Verunfallten“, berichtet Schrank. „Aber er wollte einfach schnellstmöglich durchkommen. Das ist wirklich dreist“, kritisiert er. „Da geht das eigene Interesse über alles: Hauptsache, es geht weiter – egal wie“, so Schrank. „Wir waren so perplex, dass wir erst gar nicht reagiert haben. Ansonsten hätten wir uns das Kfz-Zeichen notiert und den Fahrer angezeigt“, sagt er.
Im Mai 2024 kam es zu einem Zwischenfall, als die Feuerwehrler wegen des Festumzugs zum Frühlingsfest die Rosenheimer Straße sperrten. Ein 55-Jähriger aus Rott überholte mit seinem Pkw die wartende Fahrzeugschlange und fuhr bis zur Absperrung der Feuerwehr vor, wie Timo Paul, Erster Kommandant, berichtete. Der Rotter steuerte auf die Absperrung zu und versuchte, die Einsatzkräfte zu umfahren. Dabei stieß er mit der Front seines Wagens gegen das Knie eines 30-jährigen Feuerwehrmannes und fuhr dann einfach weiter. Zuvor überzog der 55-Jährige die Floriansjünger noch mit einem kompletten Repertoire an Beleidigungen, wie Paul mitteilte.
Autofahrer zeigen „wenig Verständnis“
Richard Schrank, Kreisbrandrat des Landkreises Rosenheim, weiß, dass es „immer wieder“ Verkehrsteilnehmer gibt, die „wenig Verständnis“ zeigen, wenn Straßen von Einsatzkräften gesperrt werden. „Ab und zu“ komme es auch zu Beschimpfungen. Das hat Schrank nach eigenen Angaben auch schon am eigenen Leib erfahren. „Allerdings gibt es bei uns hier in der Region noch eine größere Hemmschwelle. Attacken auf Feuerwehrler, wie sie in Großstädten schon vorgekommen sind, habe ich noch nicht erlebt“, betont er.
Meistens würden die Einsatzkräfte von einer Anzeige gegen pöbelnde Verkehrsteilnehmer absehen. „Beleidigungen gibt es meistens gegen Feuerwehrler, die gerade alleine an der Straße sind, um den Verkehr umzuleiten. Das sollte zwar nicht die Regel sein, kommt aber mal vor“, weiß der Kreisbrandrat. „Wenn mehrere Einsatzkräfte vor Ort sind, sind Pöbeleien eher selten. Die Autofahrer wissen ja auch, dass es dann Zeugen gibt und reißen sich dementsprechend zusammen“, meint Schrank. Es gebe auch Schulungen für die Floriansjünger, wie sie sich in einer solchen Situation verhalten sollten. „Immer ruhig bleiben, auch wenn es manchmal schwerfällt. So konnten schon viele Vorfälle deeskaliert werden“, sagt er.
Von einem Fall am 5. Februar 2023 berichtet das Polizeipräsidium Oberbayern Süd. Die Beamten hätten einen alkoholisierten Fahrer (22) aus Rott kontrolliert. Nachdem sie den Fahrzeugschlüssel sicherstellen wollten, sei der Beschuldigte auf die Polizisten losgegangen und habe fixiert werden müssen, so das Präsidium. Auf der Dienststelle habe der 22-Jährige die Beamten weiterhin beleidigt und „massiven Widerstand“ geleistet.

