Streit um Erstaufnahme-Unterkunft für Flüchtlinge
„Eher seltener Vorgang“: Warum die Rotter Petition nun nochmal im Landtag debattiert wird
Der Beschwerde-Ausschuss des Landtags hat die Petition zur geplanten großen Flüchtlings-Unterkunft in Rott anerkannt und sie an das Innenministerium weitergegeben. Ein großer Erfolg für die Bürgerinitiative „Rott rot(t)iert“. Warum der AfD das nicht reicht und jetzt sogar der Landtag in seiner Plenarsitzung am 11. Dezember darüber debattiert.
Rott – Der Bayerische Landtag wird am Mittwoch (11. Dezember) die Petition der Bürgerinitiative aus Rott gegen die geplante Erstaufnahme-Einrichtung für Geflüchtete in seiner Plenarsitzung beraten. Einen entsprechenden Antrag hatte der AfD-Landtagsabgeordnete Andreas Winhart gestellt. Die Eingabe steht unter Top 17 auf der Tagesordnung des Landtags. Gegen 14.45 Uhr soll die Beratung beginnen. Als Berichterstatter des Petitionsausschusses spricht Sepp Lausch, Freie Wähler. Danach folgen Reden der Fraktionen und eine Debatte. Die angesetzte Beratungszeit: 43 Minuten.
Winhart zeigt sich in einer Pressemitteilung nicht einverstanden mit der Entscheidung des Beschwerde-Ausschusses und fordert eine Nachbesserung. Das Gremium hatte die Petition aus Rott anerkannt. Das Anliegen wurde mit dem Code „80/3 Material mit Text und Protokoll“ an das Bayerische Innenministerium zur weiteren Bearbeitung übergeben. Der Petitions-Ausschuss des Landtags fordert darin ein zweites Schadstoff-Gutachten zur Quecksilber-Belastung der vom Landratsamt angemieteten Immobilie im Gewerbegebiet „Am Eckfeld“, empfiehlt der Behörde, das Kompromiss-Angebot aus Rott für 180 statt 300 Geflüchtete (anfangs war sogar die Rede von 500), zu akzeptieren und ließ auch die Vorschläge aus Rott zur paritätischen Verteilung der Menschen nach Einwohnerzahl auf alle Kommunen protokollieren. Mit dem Stichwort „Material“ bringt der Beschwerdeausschuss laut Geschäftsordnung zum Ausdruck, dass er ein Gesuch für geeignet hält, im Rahmen eines künftigen Gesetzentwurfs oder einer sonstigen Verwaltungsentscheidung miteinbezogen zu werden.
Diese Entscheidung war mehrheitlich gegen die Stimmen der AfD gefallen. Die BI „Rott rot(t)iert“ hatte den Beschluss ebenso als Erfolg gewertet wie der Berichterstatter, Landtagsabgeordneter Sepp Lausch (Freie Wähler), und Rotts Bürgermeister Daniel Wendrock. Tenor: Rott fühle sich gehört, die Problematik einer großen Unterkunft in einer kleinen Gemeinde sei gesehen worden. Tatsache ist auch: Noch nie wurde bisher eine Petition zur Flüchtlingsthematik mit dem Code „80/3 Material“, bewertet.
AfD spricht von „grober Täuschung“
Winhart sieht die Entscheidung des Petitionsausschusses jedoch kritisch. Er spricht von einer „groben Täuschung der Bürgerinitiative in ihrem Kernanliegen“. Für gutgeheißen habe man lediglich den Vorschlag der Initiative zur besseren Verteilung Asylsuchender auf mehr Gemeinden eines Landkreises und dies bei zukünftigen Gesetzesänderungen der Staatsregierung als Material für den Gesetzgebungsprozess mitzugeben, ist er überzeugt.
Seine Fraktion beantrage nach Paragraf 80, Absatz 3 der Landtagsgeschäftsordnung eine Berücksichtigung des Anliegens der BI, sodass die Verwaltung und somit das staatliche Landratsamt Rosenheim gezwungen seien, dem gesamten Inhalt der Petition nachzukommen, so Winharts Interpretation.
Lausch nennt es ein „normales demokratisches Verfahren“, dass ein Antrag wie jener der AfD im Landtag behandelt wird. Dass aus dem Votum des Petitions-Ausschusses noch einmal eine Landtagsdebatte entsteht, sei jedoch ein eher seltener Vorgang. Normalerweise werde eine solche Entscheidung ohne Diskussion an die entsprechenden Behörden weitergegeben.
Als Mitglied des Petitions-Ausschusses habe Lausch dies noch nicht erlebt. Er will im Vorfeld keine Prognosen zum Verlauf der Landtagssitzung und Beratung abgeben. Nur so viel: „Die Faktenlage ist klar. Die Suppe ist die gleiche, sie wird diesmal nur auf großer Bühne aufgewärmt.“
So beurteilt „Rott rot(t)iert“ die Landtagsberatung
Die Bürgerinitiative „Rott rot(t)iert“, betont grundsätzlich, sie begrüße die Behandlung ihres Anliegens in der Plenarsitzung. Dies verdeutliche erneut, wie wichtig die Petition, die schließlich auch 5.000 Menschen unterschrieben hätten, sei. Vertreter der BI werden an der Landtagssitzung am Mittwoch (11. Dezember) teilnehmen.
Die BI legt jedoch auch Wert auf die Feststellung, dass sie hoffe, die AfD werde dieses wichtige Thema nicht instrumentalisieren. Die Initiative unterstreicht diesbezüglich auch in allen Pressemitteilungen ihren Wertekodex: „Wir distanzieren uns von jeglicher Form von Hass, Diskriminierung, Gewalt und rechts- und linksextremen Verhalten. Wir suchen aktive Unterstützung aus der Mitte der Bevölkerung, um gemeinsam für eine lebenswerte Zukunft in Rott am Inn einzutreten. Wir sind überzeugt, dass keine Gemeinde dieser Größe mit einer Massenunterkunft in dieser Größenordnung belastet und überfordert werden sollte.“
Das zweitschärfste Schwert gezogen
Der Beschwerde-Ausschuss des Landtags kann laut Bayerischer Staatskanzlei folgendermaßen über Petitionen entscheiden: Er kann sie nach Paragraf 80e unter anderem als unzulässig zurückweisen (80/Absatz 1), sie an zuständige Stellen weitergeben (80/2), sie für erledigt erklären (80/4), entscheiden, ihr nicht Rechnung zu tragen (80/5) – oder sie der Staatsregierung zur Berücksichtigung, zur Würdigung, als Material oder zur Kenntnisnahme überweisen. Im Fall Rott war letzteres beschlossen worden: die Anerkennung als Material, das an das Innenministerium geht. Damit hatte der Beschwerde-Ausschuss das zweitschärfstes Schwert bei der Beurteilung gezogen.



