Erstaufnahme-Unterkunft gegen freie Turnhalle
Flüchtlingsdeal in Bruckmühl? So sieht er im Detail aus – und so hat der Rat entschieden
Wird in Bruckmühl eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge errichtet, damit die als Unterkunft genutzte Turnhalle des Gymnasiums frei wird? Darüber hatte der Marktgemeinderat am Donnerstag (28. November) zu beraten. Diese klare Entscheidung hat das Gremium getroffen.
Bruckmühl – Raus mit den Betten, rein mit Barren und Bällen: Die Turnhalle des Gymnasiums Bruckmühl wird wieder ihrer Bestimmung zugeführt. Das hat der Marktgemeinderat in seiner Sitzung am Donnerstagabend (28. November) in die Wege geleitet, indem er einem Kooperationsvertrag mit dem Landkreis Rosenheim zugestimmt hat. Zentraler Inhalt des Flüchtlingsdeals: Die Marktgemeinde stellt ein Grundstück für eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge bereit. Im Gegenzug wird die Turnhalle, in der seit 2022 Flüchtlinge untergebracht sind, geräumt.
Nach Angaben von Markus Zehetmaier, verantwortlich für die Liegenschaften der Marktgemeinde, hat das Landratsamt im September darauf hingewiesen, dass Bruckmühl rein rechnerisch – rechtliche Vorgaben dazu gibt es nicht – im Verhältnis zur Einwohnerzahl rund 120 Geflüchtete zu wenig untergebracht habe. „Kommunen sind ja dazu verpflichtet mitzuwirken und zu unterstützen“, so Zehetmaier, weshalb sich die Marktgemeinde erneut Gedanken über das Thema gemacht habe.
„Wir haben schnell festgestellt, dass die Turnhalle dabei das bewegende Thema in Bruckmühl ist“, schilderte der Fachbereichsleiter die internen Überlegungen. Woraufhin ein klarer Auftrag an die Verwaltung ergangen sei: Einen Kooperationsvertrag mit dem Landkreis auszuarbeiten, der das Ziel habe, „die Turnhalle freizubekommen“.
So sieht der Deal im Detail aus
Und so sieht der Deal im Detail aus: Bruckmühl wird den Rest des gemeindeeigenen Grundstücks an der Wernher-von-Braun-Straße, auf dem heuer bereits eine Containeranlage für Flüchtlinge errichtet worden ist, an den Landkreis verpachten, der dort wiederum eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge von einem Investor errichten lassen wird. Bruckmühl verpflichtet sich im Rahmen der Vereinbarung zudem dazu, gegen die Einrichtung, die maximal 200 Personen, darunter bis zu 30 unbegleitete Minderjährige aufnehmen kann, keine Klage zu erheben. Die Laufzeit beträgt 15 Jahre, wobei zwei Verlängerungen zu jeweils fünf Jahren möglich sind. Anschließend würde das Grundstück „im ursprünglichen Zustand“ an die Kommune zurückgegeben.
Im Gegenzug wird nach Fertigstellung der Einrichtung die Turnhalle des Gymnasiums Bruckmühl wieder für den Schul- und Vereinssport freigegeben. „Es könnte möglich sein – die Betonung liegt auf ,könnte‘ mit drei Ausrufzeichen –, dass die Turnhalle dann bereits ab dem Schuljahr 2025/2026 wieder für Schulsport genutzt werden kann“, machte Zehetmaier der Schulfamilie leise Hoffnungen. Zudem verpflichte sich der Landkreis dazu, auch im Falle einer unabsehbaren neuen Flüchtlingswelle, zunächst „alles in seiner Macht Stehende“ zu unternehmen, um eine erneute Belegung der Bruckmühler Turnhallen zu verhindern.
Doch die Vereinbarungen gehen noch deutlich weiter: So verpflichtet sich der Landkreis dazu, zumindest in den kommenden fünf Jahren keine neuen großflächigen Anmietungen für Flüchtlingsunterkünfte von über 50 Personen vorzunehmen, „so lange der Markt sein rechnerisches Aufnahmesoll im Vergleich zu den Landkreisgemeinden anderweitig erfüllt“. Was unter anderem bedeutet, dass eine mögliche Flüchtlingsunterkunft für 100 Personen auf dem THW-Gelände in Heufeld in direkter Nachbarschaft zu zwei Schulen und einer Wohnsiedlung vorerst ad acta gelegt werden kann.
Aus Sicht der Gemeinde weitere Vorteile durch die Erstaufnahmeeinrichtung, die dort als eine Art schmuckloses Mehrfamilienhaus mit drei oder gar vier Stockwerken entstehen könnte: So gäbe es bei derartigen Einrichtungen einen eigenen Sicherheitsdienst. Auch über die Errichtung eines Zauns könne man reden, wie Landrat Otto Lederer (CSU), der der Sitzung beiwohnte, auf Anfrage aus dem Rat betonte. Des Weiteren müsste die Gemeinde, da die Einrichtung nur als Zwischenstopp für die Flüchtlinge dient, beispielsweise keine Kindergartenplätze bereithalten.
CSU/PW-Rat Michael Stahuber spricht von „schwerer Kost“
„Das ist natürlich schwere Kost für uns“, kommentierte CSU/PW-Rat Michael Stahuber die Ausführungen und verriet, dass er „zunächst nicht dafür“ gewesen sei, mittlerweile seine Meinung aber geändert habe. „Der Vorteil ist die vertragliche Zusicherung, dass die Turnhalle dann frei wird.“ Auch Harald Höschler (CSU/PW) betonte, dass „natürlich niemand von uns begeistert ist“. Dennoch werde er zustimmen, da „wir jetzt zwar jammern und lamentieren können, das aber letztlich ja zu nichts führt“.
Josef Staudt (SPD/PU) signalisierte ebenfalls Zustimmung und verwies zudem darauf, dass sich die Anzahl der Flüchtlinge „ja nicht besonderes vergrößern“ werde, da ja dafür in der Turnhalle niemand mehr untergebracht wird. Er könne die Ängste der Bevölkerung in Hinblick aufs Thema Kriminalität zwar verstehen, betonte aber: „Ich habe nicht das Gefühl, dass die Anwohner rund um die Turnhalle Angst haben, aus dem Haus zu gehen.“ Was Lederer bestätigte: „Wir haben im gesamt laufenden Jahr bislang mehr Beschwerden über lärmende Kinder an Spielplätzen bekommen als zu allen Einrichtungen für Flüchtlinge im Landkreis.“
Diskussionsbedarf gab‘s allerdings rund um die Formulierung „alles in seiner Macht Stehende“, die beispielsweise Maria Weber (OLB) als „nicht konkret genug“ bezeichnete. Grünen-Vertreter Stefan Mager forderte gar eine Rangliste von Landkreis-Turnhallen, die im Falle einer Belegung vorgezogen werden würden. Juliane Grotz (CSU/PW), selbst Juristin, wandte jedoch ein, dass die Formulierung „alles in seiner Macht Stehende“ rechtlich gesehen eine „sehr starke“ Formulierung sei.
Mangelt es den Nachbarkommunen an Solidarität?
Verärgert zeigten sich mehrere Ratsmitglieder über die aus ihrer Sicht „fehlende Solidarität“ einiger Nachbargemeinden. „Es ist traurig, wenn andere Nachbarkommunen ihrer Verpflichtung nicht nachkommen“, sagte beispielsweise Mager. Robert Plank (CSU/PW) forderte Landrat Lederer auf, gegenüber der Staatsregierung darauf zu pochen, dass „unterbesetzte“ Kommunen zur Aufnahme von Flüchtlingen gedrängt werden sollten: „Dann hätten wir nämlichen keinen Bedarf mehr, Turnhallen zu verwenden.“ Was Lederer nun unter anderem durch den Deal mit Bruckmühl erreichen will: „Wenn wir hier 200, und in Rott, wo ich die Hoffnung nicht aufgegeben habe, 300 Geflüchtete unterbringen, dann müssten wir für die kommenden Jahre eigentlich gut gerüstet sein“, glaubt der Landrat.
Flüchtlinge? Bayernpartei-Vertreter Georg Oswald will „die nicht haben“
Bayernpartei-Vertreter Georg Oswald, den Bürger nach seinen eigenen Angaben in Hinblick auf die Flüchtlingsthematik bereits als „Arschloch“ tituliert hatten, ließ sich durch die Ausführungen seiner Ratskollegen nicht von seinem Nein zum Flüchtlingsdeal abbringen. „Wir wollen die nicht haben, wir haben schon zu viele von denen“, sagte Oswald, der ergänzte: „Die in Berlin haben uns schon vollgestopft mit dem ganzen Zeugs“. Was wiederum Lederer so nicht stehen lassen wollte: „Ich möchte nicht, dass es an den Menschen, die bei uns Hilfe suchen, ausgelassen wird, wenn man mit der Politik unzufrieden ist.“
Letztlich stimmte der Marktgemeinderat mit einer überwältigenden Mehrheit von 20 zu 2 Stimmen dem Kooperationsvertrag mit dem Landkreis zu. „Das ist ein tolles Ergebnis, das die Schulfamilie sehr bejubelt“, kommentierte Gaby Wedding, stellvertretende Vorsitzende des Elternbeirats und mit mehreren Vertretern der Schule als Besucherin vor Ort, die Entscheidung des Gemeinderats. „Es zeigt, dass unsere langen Bemühungen Erfolg gehabt haben.“