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Kompromiss krachend gescheitert

„Frechheit“? Flüchtlings-Streit zwischen Landratsamt und Rott spitzt sich zu

Im Gewerbegebiet am Eckfeld sollen 500 Geflüchtete einziehen. Rotts Bürgermeister Daniel Wendrock (oben) kämpft vehement dagegen und übt erneut Kritik an Landrat Otto Lederer.
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Der Streit rund um die Flüchtlingsunterkunft im Rotter Eckfeld spitzt sich weiter zu. Bürgermeister Daniel Wendrock hatte den Gemeinderat zur Sondersitzung eingeladen, eine Aussage von Landrat Otto Lederer ließ die Gemüter hochkochen.

Der Streit rund um die Erstaufnahme-Einrichtung für Geflüchtete am Rotter Eckfeld spitzt sich weiter zu. Ein Kompromiss-Vorschlag seitens des Landratsamts und der Regierung von Oberbayern lässt in Rott die Gemüter hochkochen und macht deutlich: Das Verhältnis zwischen Landratsamt, Freistaat Bayern und der Gemeinde ist an einem Tiefpunkt angekommen.

Rott – Mittwoch, 6. November, ein Tag, der es in sich hatte, auch in der Region. Morgens die Wiederwahl Trumps, abends das Zerbrechen der Ampel-Koalition. Doch während alle Welt nach Berlin blickt, war auch in Rott etwas geboten. Denn im selben Moment, als Bundeskanzler Olaf Scholz den Rauswurf von Christian Lindner verkündete, scheiterte in der beschaulichen, kleinen Kommune krachend das wohl letzte Kompromiss-Angebot rund um die Erstaufnahme-Einrichtung im Gewerbegebiet „Am Eckfeld“.

Erstaufnahme-Einrichtung für Flüchtlinge geplant

Hintergrund für die Entscheidung: Bürgermeister Daniel Wendrock (parteifrei) hatte zum wiederholten Mal zu einer Sondersitzung rund um das „leidige Thema“ Sammelunterkunft für Geflüchtete eingeladen, denn es lag ein Kompromiss-Vorschlag seitens des Landratsamts und der Regierung von Oberbayern vor. Doch dieser war alles andere als das, was sich der Gemeinderat vorgestellt hatte.

Wie Wendrock erläuterte, war das Angebot im Rahmen der Vermittlung des Petitionsausschusses des Bayerischen Landtags entstanden. Denn es habe noch einige Gespräche zwischen Gemeinde, Landratsamt und Regierung von Oberbayern gegeben. „Ich muss aber leider mitteilen, dass weiterhin keinerlei Kompromissbereitschaft zu einer außergerichtlichen Einigung seitens des Freistaats im Hinblick auf die Reduktion der Zahl der Geflüchteten oder auf eine Änderung des Standorts vorliegt“, erklärte Wendrock. Stattdessen fokussiere sich das Angebot auf die Gewerbehalle.

Rahmenpunkte des Kompromiss

Die Rahmenpunkte lauteten dabei wie folgt: Beim Abwasser erklärte sich der Freistaat bereit, die Kosten für jegliche Entsorgung, die außerhalb der bereits im Gebäude verbauten Sanitäranlagen aufkommt, zu übernehmen. Um die Trinkwasserproblematik zu beseitigen, sei man gewillt, auf ein sogenanntes Grauwassersystem zu setzen. Zudem erklärte sich das Landratsamt bereit – sollte es zu einer Knappheit kommen – „die Nachbargemeinden zu bitten, über die Notverbünde auszuhelfen.“ Die Aufnahme und Registrierung der ankommenden Geflüchteten soll über einen Mitarbeiter des Landratsamts erfolgen, hieß es im Schreiben, das dem Gemeinderat vorlag.

Die Anzahl der Personen sei auf 300 beschränkt, wobei in den ersten sechs Monaten lediglich 150 Geflüchtete untergebracht werden sollen, anschließend soll auf etwa 270 Personen aufgestockt werden, die restlichen 30 Plätze seien für Notfälle gedacht. Auf ein zweites Quecksilber-Gutachten, wie von der Gemeinde gefordert, werde zunächst verzichtet, es werde stattdessen auf die Beantwortung der gestellten Fragen seitens des Fachbüros gewartet. Auf weitere Unterkünfte in Rott werde im Gegenzug verzichtet. Außerdem werde die Laufzeit der Unterkunft auf den 30. September 2028 beschränkt. Eine Verkürzung der Laufzeit hätten das Landratsamt und die Regierung von Oberbayern als „nicht möglich“ abgelehnt, so Wendrock.

Nur Laufzeit bringe zum Nachdenken

Der Bürgermeister erklärte, dass dieser Kompromiss für ihn von Anfang an nicht weitreichend genug gewesen sei. „Wenn man genauer liest, gibt es beispielsweise beim Thema Trinkwasser keinerlei Entgegenkommen“, so der Bürgermeister. Lediglich das Angebot, bei den Nachbargemeinden im Falle einer Krise „um Hilfe zu bitten“, das sei nicht ausreichend.

„Das Einzige, was zum Nachdenken anregt, ist die zugesicherte begrenzte Laufzeit“, erläuterte Wendrock. Allerdings könne diese nicht rechtlich und justiziabel abgesichert werden. Das wäre nur über einen Vertrag zwischen Rott und dem Landratsamt mit einer empfindlichen drohenden Vertragsstrafe bei Überschreitung der Grenze möglich und dies sei seitens der Behörde und der Regierung von Oberbayern abgelehnt worden. Wendrock las dazu ein Antwortschreiben von Landrat Otto Lederer und Regierungspräsident Dr. Konrad Schober vor, in dem beide erklärten, dass „eine persönliche schriftliche Zusicherung“ möglich sei. „Einen Vertrag bedarf es innerhalb der kommunalen Familie nicht, dem wird daher auch nicht zugestimmt“, las der Rathauschef vor.

„Frechheit, von der kommunalen Familie zu sprechen“

Vor allem dieser Satz ließ beim Rotter Gemeinderat die Gefühle hochkochen. „In diesem Zusammenhang von der kommunalen Familie zu sprechen, finde ich schon fast eine Frechheit“, empörte sich Dritter Bürgermeister Christoph Sewald (SPD) und stimmte Wendrocks Einschätzung zu diesem Kompromiss-Vorschlag zu. „Wenn man Punkt für Punkt durchgeht, was bleibt vom Angebot noch übrig? Das einzige wäre die Laufzeit. Aber wenn wir diese nicht justiziabel absichern können, ist das kein Kompromiss“, betonte Sewald.

Auch Josef Riedl (Bürger für Rott) ärgerte sich über den Ausdruck „kommunale Familie“. „Es ist leider das Vertrauen in die Vertreter des Landratsamtes und die Regierung so geschwunden, dass wir uns auf eine Zusicherung nicht verlassen können“, erklärte er. Vielmehr finde er es „irritierend“, dass seitens des Landratsamts und des Freistaats Druck auf die Gemeinde Rott ausgeübt werde, diesem Kompromiss zuzustimmen. Das zweite Quecksilber-Gutachten sowie die Antworten auf den Fragenkatalog dazu würden noch ausstehen. Auch der Petitionsausschuss habe noch keine Entscheidung gefällt, monierte Riedl.

„Das ist kein Kompromiss, sondern Nötigung“

Noch deutlicher wurde Johann Kirschbaum (Rotter Forum). „Das ist kein Kompromiss, sondern Nötigung“, meinte er und bezeichnete, das Angebot als „Schwachsinn“. Ein Ende der Unterkunft 2028 sei nicht einzuhalten und auch die angebotene Reduktion auf 300 Personen sei eine „Notlösung“, die das Landratsamt und die Regierung von Oberbayern aufgrund der Quecksilberbelastung eingehen müssten.

CSU stemmt sich ebenfalls dagegen

Sogar bei der CSU, bislang die Partei, die am stärksten als Verfechter für einen Kompromiss auftrat, stieß dieses Angebot auf Ablehnung. „Wenn es ihnen ernst wäre, dass es 2028 endet, wäre es ein Leichtes, eine Vertragsstrafe einzugehen, aber das will man offensichtlich nicht“, meinte Max Gilg (CSU).

Matthias Eggerl (CSU) betonte, dass er immer für eine Alternative gewesen sei, „weil ich es für die beste Lösung für die Gemeinde halte – und eine Klage ist für mich eine Wette mit offenem Ausgang.“ Er könne dem Kompromiss aber nur unter der Voraussetzung einer „fixen, rechtlichen Zusage“ zustimmen. „Wenn es nicht rechtssicher für uns ist, haben wir nicht das erreicht, was wir für die Kommune wollen.“

Mit einer Gegenstimme von Carola Kahles (CSU) lehnte der Gemeinderat den Kompromissvorschlag schließlich ab. Als Alternative beschloss das Gremium anschließend – mit einer Gegenstimme von Kahles –, offiziell das bereits im Raum stehende Angebot, 180 Personen an einem Containerstandort unterzubringen, anzunehmen. Bislang hatte es dazu zwar interne Absprachen gegeben, jedoch keinen offiziellen Beschluss seitens des Gemeinderats. Wendrock betonte, dass er dieses Angebot ernsthaft für eine Lösung halte, um die Spannungen zu Ende zu bringen. „Ich würde die Regierung von Oberbayern und das Landratsamt daher wirklich bitten, die Hand entgegenzunehmen, die wir ihnen ausstrecken und auf den Zug aufzuspringen“, so der Bürgermeister. Ansonsten sei eine außergerichtliche Einigung wohl kaum mehr möglich.

Rahmenplan für Gewerbegebiet „Am Eckfeld“ beschlossen

Neben dem Alternativvorschlag ging es in der Gemeinderatssitzung auch um den Rahmenplan für das Gewerbegebiet „Am Eckfeld“. Einen solchen erstellen zu lassen, hatte der Gemeinderat vor knapp über einem Jahr beschlossen. Damals hatte das Gremium eine Veränderungssperre über das Gewerbegebiet gelegt, um das Areal vor anderweitiger Nutzung, wie durch die geplante Flüchtlingsunterkunft, zu schützen. Ziel des Rahmenplans sei es nun, diesen Schutz „weiterhin zu gewährleisten und das Gewerbegebiet weiter zu stärken“, wie Bürgermeister Daniel Wendrock erläuterte.

Otto Kurz und Brigitte Kurz-Müller vom gleichnamigen Planungsbüro gingen in ihren Erläuterungen ebenfalls stark auf die Wohnnutzung ein. Denn diese sei nicht nur mit der Flüchtlingsunterkunft gegeben, sondern auch durch verschiedene Betriebsleiterwohnungen, die „Am Eckfeld“ vorhanden seien. „Das führt allerdings immer zu Konflikten und schränkt die Gewerbeentwicklung ein“, betonte Kurz-Müller.

Der Bebauungsplan soll nun so überarbeitet werden, dass in Zukunft keine Wohnnutzung „Am Eckfeld“ mehr möglich ist. „Wobei die bestehenden Unterkünfte natürlich Bestandsschutz haben. Niemand muss also fürchten, seine Wohnung zu verlieren. Nur eine Erweiterung wird in Zukunft nicht mehr möglich sein“, erklärte Kurz. Einstimmig nahm der Gemeinderat den Sachstandsbericht des Planungsbüros zur Kenntnis und gab seine Zustimmung, den bestehenden Bebauungsplan entsprechend dem Rahmenplan zu überarbeiten.

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