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Ömür A. angeklagt

„Ich habe Rom angezündet“ - So spektakulär startet der Prozess um den Großbrand in Wasserburg

Vom Dachgeschoss des grauen Hauses aus fraß sich am Fronleichnam ein Feuer durch angrenzende Dächer. Wasserburg schrammte nur knapp an einem Inferno vorbei.
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Vom Dachgeschoss des grauen Hauses aus fraß sich am Fronleichnam ein Feuer durch angrenzende Dächer. Wasserburg schrammte nur knapp an einem Inferno vorbei.

Fronleichnam, 8. Juni. 13 Stunden löschen etwa 200 Einsatzkräfte aus dem Altlandkreis Wasserburg am Weberzipfel in Wasserburg einen Großbrand. Ein Feuer, mutmaßlich gelegt von Ömür A. Davon ist zumindest die 7. Strafkammer des Landgerichts Traunstein überzeugt. Seit Freitag (15. Dezember) muss er sich vor Gericht verantworten. So verlief der erste Prozesstag.

Wasserburg/Traunstein – Wie überzeugt das Gericht von der Schuld des mutmaßlichen Brandstifters ist, macht Vorsitzende Richterin Christina Braune gleich zu Anfang der Verhandlung deutlich. Die Beweislast sei erdrückend, so Braune. „Sie waren nachweislich am Tatort.“ Die Geo-Daten des Handys würden seinen Aufenthalt vor Ort nachweisen. „Unmittelbar vor der Brandstiftung wurden Sie im zweiten Stock des Treppenhauses gesehen, vor der Wohnung von Frau S., in der das Feuer entstand.“ Zudem sei A. von einem Freund gefragt worden, ob er den Brand gelegt habe und er habe geantwortet: „Ich habe Rom angezündet.“ Angeblich, so der Freund, ein türkisches Sprichwort oder ein Witz, was Braune jedoch als Ausrede wertet, die der Freund benutze, um den Angeklagten zu schützen.

Angeklagter lehnt Geständnis ab

Ein Geständnis lehnt der zweifache Vater Ömür A. an diesem ersten Prozesstag dennoch ab, obwohl es sich strafmildernd auf die „drohende empfindlich hohe Haftstrafe“ auswirken würde, wie Richterin Braune mehrfach betont. Über seinen Anwalt Dr. Markus Frank lässt der Angeklagte ausrichten, dass er sich an nichts erinnern könne. Er sei in dieser Nacht alkoholisiert gewesen und habe unter Drogeneinfluss gestanden.

Nach Überzeugung von Staatsanwalt Moritz Weinhart war es wohl Eifersucht, die A. zu der Tat in der Nacht von 7. auf 8. Juni getrieben habe. A. habe eine Liebesbeziehung mit Nina S., der Bewohnerin des ausgebrannten Hauses am Weberzipfels, geführt. Als die Beziehung im Frühjahr 2023 zu Bruch gegangen sei, habe der Angeklagte mehrfach versucht, ein Treffen mit ihr zu erzwingen. Auch am Tatabend sei dies so gewesen. Aus Eifersucht sei der Mann schließlich in die Wohnung von Nina S. eingedrungen und habe das Feuer gelegt. Der Brand habe sich verbreitet und einen Schaden von mehr als 2,4 Millionen Euro verursacht, strafbar als „schwere Brandstiftung“.

Eineinhalb Jahre habe die Beziehung gedauert, schätzt S. in ihrer Zeugenaussage. Sie sieht Ömür A. nicht an, während sie das sagt. Auch er starrt während ihrer Anwesenheit starr auf den Tisch vor sich. Es ist das erste Mal, dass er ruhig wirkt im Gerichtssaal. Zuvor zappelte er, lehnte sich vor, wieder zurück. 35 Jahre ist A., doch er wirkt älter: Das Haar bereits grau-meliert, die Arme tätowiert. Deutsch spricht er kaum, eine Dolmetscherin übersetzt den Prozess ins Türkische für ihn.

Zeugin: Beziehung geprägt von massiver Gewalt

Die Beziehung zu S. sei instabil gewesen, heißt es vor Gericht. „Es war nie etwas Offizielles, eher eine On-Off-Beziehung“, sagt S. Gleichzeitig berichtet sie von massiver Gewalt. Sie spricht von leeren Bierflaschen, die der Angeklagte nach ihr geworfen habe. Einmal habe sie Anzeige gegen ihn erstattet wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung. „Er hat mich regelmäßig grün und blau geschlagen“, sagt sie und schildert eine Situation mit einem Messer. Denn etwa einen Monat vor der mutmaßlichen Brandstiftung soll A. trotz gebrochener Hand auf ihren Balkon geklettert sein. „Ich war dann so dumm und habe ihn reingelassen. Dann hat er sich ein Messer geschnappt und mich bedroht“, sagt sie. Wahrscheinlich habe er ihr nur Angst machen wollen, „aber ich bin mir nicht sicher, ob er was gemacht hätte.“

Vor allem unter Alkohol -und Kokain-Einfluss sei er aggressiv gewesen, wobei S. mehrfach betont, dass sie nicht wisse, wie viel Alkohol und Drogen A. konsumiere. „Ich weiß nicht, ob ich ihn nüchtern kennengelernt habe“, sagt sie. Auch in der Tatnacht soll er Alkohol getrunken haben, so schildern es mehrere Zeugen.

Welche Rolle spielte der Alkohol?

S. war Ömür A. nach eigenen Angaben zuvor in einer Shisha-Bar in Wasserburg begegnet. In einem solchen Lokal habe sie den Angeklagten auch kennengelernt, als er dort noch gearbeitet habe. „Wir haben über belangloses Zeug gesprochen“, sagt sie. „Aber mit Sicherheit war er alkoholisiert.“

Mit der Beziehung war es zu dieser Zeit wieder einmal vorbei. Seit zwei Wochen, so schildert die 29-Jährige, habe sie versucht, sich zurückzuziehen. „Aber es war schwierig. Er hat mich geliebt und ich habe ihn geliebt.“ Nach dem kurzen Gespräch in der Bar sei sie zu einem Bekannten nach Hause. „Dann ging es los, er hat mich terrorisiert, mich angerufen, mir immer wieder geschrieben. Ich habe ihn ignoriert, bis ich die letzte Nachricht gelesen habe, wo er fragte, ob ich den Alarm gehört habe?“ Kurz darauf habe sie einen Anruf von der Polizei Rosenheim erhalten, dass ihre Wohnung brenne. Wie das Feuer entstanden sei, dazu könne sie sich nicht anderes erklären als eine Brandstiftung. „Ich habe viel darüber nachgedacht, aber es gibt für mich keinen anderen Grund.“

Zeuge will Angeklagten in der Tatnacht vor Haus gesehen haben

Nina S. ist an diesem Tag im Landgericht die wichtigste Zeugin, neben Guiseppe M. Er wohnte neben S. im selben Haus und ist derjenige, der den Angeklagten in der Nacht vor dem Haus gesehen haben will. „Ich habe gehört, dass irgendjemand versucht hat, die Tür aufzubrechen und habe vom Fenster runtergeschaut. Ich habe niemanden gesehen, dann bin ich zu meiner Wohnungstür gegangen und habe gehorcht.“ Er habe Schritte auf der Treppe gehört und die Polizei gerufen. Über das Fenster habe er schließlich beobachtet, wie Ömür A., den er schon seit Jahren vom Sehen gekannt habee, das Haus verlassen habe. Der Angeklagte sei deutlich alkoholisiert gewesen, habe getorkelt, die Sprache sei verwaschen gewesen.

Zeuge erinnert sich an verbale Auseinandersetzung

Es sei zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen. „Er hat immer wieder gesagt: Nina hat mein Leben ruiniert“, erzählt der Zeuge. Daraufhin habe er die Polizei gerufen. Als die Beamten angekommen seien, habe er das Haus verlassen, um mit ihnen zu sprechen. Dann sei er wieder ins Bett gegangen. Kurz darauf habe der Nachbar an der Tür geklingelt und ihn auf den Brand aufmerksam gemacht.

Dass der mutmaßliche Täter Ömür A. in der Nacht auf Fronleichnam vor Ort war, bestätigt auch das Protokoll der Polizeiinspektion Wasserburg. Um 4.40 Uhr habe man ihn zum ersten Mal lautstark telefonierend am Weberzipfel wahrgenommen und ihn auf die mögliche Ruhestörung aufmerksam gemacht. Neun Minuten später wurde die Polizei wegen einer hilflosen Person alarmiert. Diese sei aber nicht angetroffen worden. Um 5.14 wurde das Feuer gemeldet.

Immer wieder kommt während des Prozesses die Frage auf: Wie viel Alkohol und Drogen hatte Ömür A. konsumiert? Konnte er sich selbst noch steuern? Seit er 13 Jahre alt sei, konsumiere er Alkohol, so schilderte es Ömür A. dem Gutachter Dr. Josef Ewald vom kbo-Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg. Hinzu kämen Cannabis- und massiver Kokain-Konsum. Wie viel Alkohol und Drogen genau eingenommen wurde, dazu habe er keine Angaben machen können. „Allerdings haben die Zeugen eine deutliche Intoxikation beobachtet“, so Ewald. Gleichzeitig habe er Nina S. Nachrichten schreiben können. „Er war also nicht so eingeschränkt, dass er gar nicht mehr handlungsfähig war.“

Das sagt der Gutachter

Angesichts dessen sei von einer „krankhaften seelischen Störung der vorübergehenden Art“ auszugehen. Eine Schuldunfähigkeit sei nicht gegeben. Jedoch würde sich, sollte es zu einer Verurteilung kommen, eine Unterbringung des Angeklagten nach Paragraf 64 Strafgesetzbuch anbieten, da er selbst eine Bereitschaft zur Suchttherapie angegeben habe. Sollte nach diesem Paragrafen entscheiden werden, müsste sich Ömür A. einer Therapie im Rahmen der Gefängnisstrafe unterziehen. Die Haftstrafe könnte sich auf zwei Drittel der verurteilten Zeit verringern, vorausgesetzt die Therapie wird erfolgreich abgeschlossen, heißt es vor Gericht.

Der Prozess wird am 20. Dezember fortgesetzt.  

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