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Nach Großbrand in Wasserburg

„Als ob ich nie existiert hätte“: die verzweifelte Wut der Brand-Geschädigten Ana Spionjak

Auch zwei Wochen später blickt Ana Spionjak fassungslos auf das ausgebrannten Gebäude im Weberzipfel. Sie hat im ersten Stock gewohnt.
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Auch zwei Wochen später blickt Ana Spionjak fassungslos auf das ausgebrannte Gebäude im Weberzipfel. Sie hat im ersten Stock gewohnt. 

Fronleichnam, 8. Juni: der Tag, an dem Ana Spionjak alles verlor. Sie wohnte im Weberzipfel 12 in Wasserburg. In dem Haus, das vor knapp zwei Wochen ausbrannte. Jetzt steht sie vor dem Nichts.

Wasserburg – Zusammengesunken sitzt sie am Kaffee-Tisch, die Schultern nach vorne gebeugt. Vom Schicksal gebeutelt, das ist wohl eine Beschreibung, die auf Ana Spionjak-Grünwald (49) zutrifft. Viel Unglück musste sie schon in ihrem Leben überstehen, der schlimmste Schlag traf sie aber erst vor Kurzem: Sie und ihr Sohn wohnten im ersten Stock des Hauses am Weberzipfel 12, direkt unter dem Brandherd von Fronleichnam. Seitdem ist für Spionjak nichts mehr, wie es war. „Wir haben alles verloren“, sagt sie. Flammen, Rauch und Löschwasser haben beinahe ihr gesamtes Hab und Gut zerstört. Vor Kurzem habe ihr Sohn noch einige Kleidungsstücke aus der Wohnung geholt. „Er hängt an den Sachen“, sagt Spionjak mit einem Schulterzucken. „Und ich werde mein bestes tun, um sie sauber zu bekommen. Aber wenn ich ehrlich bin, zweifle ich, ob das klappt.“ Zu sehr haben Schimmel und Ruß den Klamotten schon zugesetzt.

Sie versucht, stark zu sein, das merkt man Spionjak an. Für sich, aber vor allem für ihren Sohn. „Ich will ihm nicht zeigen, wie sehr mir das Ganze zusetzt“, sagt sie. Er habe selbst genug mit der Situation zu kämpfen, solle sich nicht auch noch um seine Mutter sorgen müssen. Aber ihre Verzweiflung ist trotzdem deutlich zu spüren. „Ich versuche mir einzureden, dass es nur Möbel sind, nur Kleidungsstücke, die verloren sind. Das kann man alles ersetzen. Aber es ist mein Leben, das dort in der Wohnung war. Meine Erinnerungen, meine Bilder. Es ist so, als ob ich nie existiert hätte.“

Noch kein Erfolg bei der Wohnungssuche

In der Brandnacht selbst war Spionjak nicht da. Sie habe eine chronische Erkrankung, erzählt sie, Muskel- und Nervenschmerzen seien ihre ständigen Begleiter. Wenige Woche vor der Katastrophe habe sie sich deshalb in psychosomatische Behandlung ins Inn-Salzach-Klinikum begeben. Den ersten Anruf ihres Sohnes, irgendwann zwischen 5 und 6 Uhr morgens, verschlief sie. Erst später erfuhr sie deshalb von den Flammen. „Ich bin sofort in die Stadt gefahren.“ Zunächst sei da die große Erleichterung gewesen: Sowohl ihrem Sohn als auch ihrer Katze geht es gesundheitlich gut. Inzwischen habe sie die Realität aber eingeholt. „Ja, die beiden sind wohlauf. Aber unser Leben war in dieser Wohnung.“ Verarbeiten konnte sie den Verlust noch nicht, gibt sie zu. „Ich weiß nicht, ob ich das so gut überstehen werde.“ Trotzdem habe sie die Behandlung im Inn-Salzach-Klinikum erst einmal abgebrochen. Es gibt zu viel zu erledigen, sagt sie. Zu viel zu besorgen. Im Fokus: die Wohnungssuche.

Gleich nach dem Brand sind sie und ihr Sohn notfallmäßig zuerst am Altstadtbahnhof untergekommen, inzwischen haben sie übergangsmäßig eine Bleibe bei Freunden gefunden. In einer viel zu kleinen Ein-Zimmer-Wohnung. Eine Unterkunft auf Dauer sei weiterhin nicht in Aussicht. Drei Zimmer, bis 800 Euro Miete, das wäre die Wunschvorstellung. Doch bisher hatte sie bei der Suche keinen Erfolg gehabt. Angebote habe es gegeben, sagt Spionjak, doch die Wohnungen seien zu klein oder viel zu teuer gewesen. Sie arbeitet im Getränkemarkt und an der Tankstelle beim Singer, ist alleinerziehend und Alleinverdienerin. „Ich kann mir keine 1000 Euro für die Miete leisten, dann bleibt nichts mehr übrig.“ Noch immer weiß sie deshalb nicht, wie es weitergehen soll.

Informationen, wie Sie der Familie helfen können, finden Sie hier.

In die Verzweiflung mischt sich Wut

Und dann mischt sich in die Verzweiflung die Wut. Wut auf denjenigen, der ihr das – mutmaßlich – angetan hat, denn die Polizei geht von schwerer Brandstiftung aus. „Ich frage mich, ob die Person eine Sekunde darüber nachgedacht hat“, sagt Spionjak, „nur eine Sekunde.“ Inzwischen sitzt ein Tatverdächtiger, ein 35-jähriger Wasserburger, laut Polizei in Untersuchungshaft. Für Spionjak nur ein kleiner Trost. „Ich kann es nicht in Worte fassen, was dieser Brand für uns bedeutet“, sagt sie.

2019 zog die Alleinerziehende in die Wohnung am Weberzipfel. Spionjak wollte hier ihre Schwester unterstützen, die kurz davor ihren Sohn bei einem Motorradunfall verloren hatte und selbst schwer krank war. Aufgrund dieser schwierigen Lebenssituation habe sie damals nicht an den Abschluss einer Hausratsversicherung gedacht, erzählt sie. „Ich war mit dem Kopf woanders“, sagt sie. Aber trotz der vielen schlechten Erfahrungen, die sie mit Wasserburg zu verbinden scheint: Sie will in der Stadt bleiben. Die Halbinsel am Inn sei in den vergangenen Jahren zu ihrem Zuhause geworden. „Ich mag diese Stadt. Ich lebe gerne hier“, sagt sie und dann wird sie wieder wütend: „Ich will nicht wegen einem solchen Trottel hier wegziehen müssen.“ Kurz kommen ihr Tränen, dann schluckt sie.

50 Jahre alt wird Spionjak im Oktober. Eigentlich wollte sie den runden Geburtstag groß feiern, hat sogar schon die Lokalität gebucht. Aber sie zweifelt, ob sie es tatsächlich tun wird. „Ich habe nichts zu feiern“, sagt sie schlicht. Vielleicht, überlegt sie, werde sie alle, die ihr geholfen haben, zu einem Essen einladen.

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