Nach dem Großbrand in der Altstadt
Der Held vom Weberzipfel: So hat Ömer Sengül seinen Nachbarn in Wasserburg das Leben gerettet
Der Held vom Weberzipfel: So wird Ömer Sengül aus Wasserburg schon bezeichnet. Am 8. Juni entdeckte er in aller Frühe als Erster das Feuer, das den Großbrand in der Altstadt ausgelöst hat. So hat der 49-Jährige das Leben seiner Nachbarn gerettet – und dabei sein eigenes aufs Spiel gesetzt.
Wasserburg – Er ist der Inbegriff des guten Nachbarn: Zuverlässig und vertrauenswürdig. Zur Stelle, wenn man ihn braucht. Ein freundliches Wort hier, ein Lächeln dort. Ömer Sengül, gebürtiger Wasserburger, hat ein waches Auge für seine Umgebung, für die Bewohner im Viertel. „Ich kenne fast alle“, sagt der dreifache Familienvater, ein allseits beliebter Mann, seit knapp 25 Jahren beim Kunststoffhersteller RKW in Wasserburg beschäftigt.
Frühmorgens am 8. Juni wird der 49-Jährige zum Lebensretter, als es im Weberzipfel lichterloh brennt. Es ist wohl auch ihm zu verdanken, dass bei dem verheerenden Feuer in der Häuserzeile niemand zu Schaden kommt. Im Gespräch mit dem OVB lässt er die dramatischen Momente Revue passieren, die eine schockierte Anwohnerin so zusammenfasst: „Es hat Explosionen gegeben, dann hat man die Sirene gehört, bei mir wurde an der Tür geklopft und geklingelt, man hat mich herausgeholt.“
Zu dem Zeitpunkt, gegen 5.30 Uhr, warnt Sengül, Mieter im Nachbarhaus an der Stadtmauer, bereits die Menschen in den gefährdeten Wohnungen vor dem Feuer. Dass er eine Stunde zuvor aufgestanden ist, hat mit seinem Glauben zu tun: Moslems beten früh am Morgen. „Um fünf vor fünf, nach dem Gebet, bin ich wieder ins Bett, habe aber festgestellt, dass mein Fenster gekippt war. Ich wollte es ganz aufmachen, damit frische Luft reinkommt.“ Dabei stellt Sengül fest, dass aus der Küche des Nachbarn gegenüber dicker schwarzer Rauch quillt.
Tür mit kräftigem Fußtritt geöffnet
Geistesgegenwärtig greift er zum Schlüsselbund, rennt los, öffnet Hauseingänge und Türen. „Natürlich hab‘ ich erst geläutet, aber es haben ja noch viele geschlafen.“ Er steht quasi unter Strom, drückt heftig auf die Hupen von abgestellten Fahrrädern, fordert mit lauten Rufen die Bewohner auf, die Wohnungen zu verlassen. Nach seinen Angaben haben die Rauchmelder nicht reagiert. Eines ist ihm in diesen Minuten klar: Zögern darf er jetzt nicht, es muss alles ganz schnell gehen. Die Tür zur Wohnung im zweiten Stock der Hausnummer 12, wo schon die Flammen wüten, öffnet der 49-Jährige mit einem kräftigen Fußtritt. „Rauch drang plötzlich heraus, direkt in mein Gesicht“, berichtet er.
Und es sei zu einer Explosion gekommen – warum, weiß er nicht. Die Feuerwehr ist glücklicherweise nach ein paar Minuten da, um kurz vor halb sechs. Für einen Moment sorgt sich Sengül um eine Bewohnerin, doch es stellt sich heraus, dass sie das Haus bereits verlassen hat. „Das war eine wirklich große Erleichterung für mich. Mich freut, das niemandem etwas passiert ist“, sagt er.
Bürgermeister Michael Kölbl ist voll des Lobes: „Er hat Leben gerettet.“ Ömer Sengül nimmt bei seinem selbstlosen, mutigen Einsatz auf seine Gesundheit keine Rücksicht – tags darauf muss er wegen einer Rauchvergiftung zum Arzt, die aber mittlerweile rasch abklingt. Die ganze Nachbarschaft spendet ihm Lob und äußert Dankbarkeit. „Ein sehr liebenswürdiger Mensch, aufmerksam und hilfsbereit“, schwärmt eine Seniorin von nebenan. Ein echter Glücksfall.
