Mordfall in Aschau im Chiemgau
Eiskeller-Prozess um Tod von Hanna W.: Landgericht lässt wichtigsten Belastungszeugen prüfen
Welche Rolle spielt der JVA-Zeuge im Mordprozess um den gewaltsamen Tod von Hanna W. aus Aschau? Wie glaubwürdig ist er? Dem geht nun das Landgericht Traunstein selbst auf den Grund. Noch bevor die Neuauflage der Verhandlung beginnt.
Aschau im Chiemgau – Wie glaubwürdig ist der Zeuge aus der JVA? Hat Adrian M. womöglich nicht die Wahrheit gesagt, als er Sebastian T. belastete? Sitzt T. aufgrund dieser Aussage eines Mithäftlings zu Unrecht hinter Gittern? In einem wichtigen Punkt des Mordprozesses um den gewaltsamen Tod von Hanna W. (23) in Aschau im Chiemgau hakt das Landgericht Traunstein nun nach. Das Landgericht hat gegenüber dem OVB bestätigt, dass ein „aussagepsychologisches Sachverständigengutachten, auch zur Feststellung der Aussagetüchtigkeit“ beantragt wurde.
Außerdem wird der bekannte Berliner Gutachter Prof. Dr. Max Steller den Wahrheitsgehalt der Schilderungen selbst prüfen. Derlei ist bei Verfahren über sexuelle Straftaten an Kindern üblich, um abzuklären, wie verlässlich deren Aussagen sind. Als Experte unter anderem in den Wormser Missbrauchsprozessen, in denen über 20 Angeklagte zu Unrecht des Missbrauchs angeklagt waren, schrieb er Justizgeschichte. Die Prozesse seinrseits endeten mit Freisprüchen.
Eiskeller-Prozess: Belastungszeuge stand wegen Missbrauch vor Gericht
Experten sollen also klären, wie vertrauenswürdig die Persönlichkeit des Adrian M. ist. Als er den im Fall Hanna angeklagten Sebastian T. kennenlernte, saß er selbst in der JVA Traunstein in Untersuchungshaft. Ihm wurde Cybergrooming vorgeworfen. Der Begriff beschreibt die gezielte Anbahnung sexueller Kontakte zu Minderjährigen über das Internet. Cybergroomer geben sich in Chats oder Online-Communitys gegenüber Kindern oder Jugendlichen als ungefähr gleichaltrig aus oder stellen sich als verständnisvolle Erwachsene dar. Etwa, um an erregende Bilder zu gelangen. Ihre Methoden: manipulativ bis erpresserisch.
Fall Hanna W. aus Aschau: Harte Strafe für JVA-Zeugen
„Es geht um Verbrechen, die es früher nicht gab: das Anbaggern und Gefügig machen sowie den Missbrauch übers Internet, überwiegend von Jugendlichen und Kindern“, berichtete das OVB, als sich Adrian M. kurz nach dem Urteil gegen Sebastian T. selbst vor Gericht verantworten musste. Am Ende stand das Urteil: vier Jahre und vier Monate Haft. Eine verhältnismäßig harte Strafe; wenn der Zeuge auf einen „Deal“ gehofft hatte, musste er sich in diesem Augenblick enttäuscht sehen.
Mord in Aschau: Der Mordprozess hing am seidenen Faden
Gut viereinhalb Jahre mehr sollten es bei Sebastian T. sein. Im März 2024 war der Angeklagte im Mordfall Hanna zu neun Jahren Haft verurteilt worden. Ein Urteil, das ohne die Aussage von Adrian M. vermutlich nicht zustande gekommen wäre. Als er, von der Staatsanwaltschaft als Zeuge geladen, überraschend am Landgericht auftauchte, hing der Prozess gerade am seidenen Faden. Dann die Zeugin, deren Aussage Sebastian T. überhaupt erst dringend tatverdächtig gemacht hatte, eine Schulfreundin: Sie konnte so gut wie nichts zur Klärung dessen beitragen, was sich am 3. Oktober 2022 abgespielt hatte. Kein Geständnis, kein sicherer Tatort, keine Tatwaffe, keine Zeugen: Ohne Adrian M. hätte der Prozess vor dem Aus gestanden.
Der Mithäftling sagte aber aus, dass Sebastian T. ihm gegenüber einen Mord zugegeben habe. Er habe, so soll es Sebastian T. zugegeben haben, Hanna W. aus sexuellem Interesse angegriffen, sie verletzt und in den Bärbach geworfen. Doch war diese Aussage glaubwürdig? Prof. Dr. Max Steller soll das prüfen.
In der ersten Auflage des Eiskeller-Prozesses wurde T. verurteilt. Und sitzt seitdem in der JVA Traunstein. Allerdings gab der Bundesgerichtshof im April der Revision statt. Voraussichtlich Mitte September soll die Neuauflage des Prozesses beginnen. Vor der 1. Jugendkammer des Landgerichts. Mit vielen Zeugen, aber auch Gutachtern – wohl mehr Experten als in der ersten Auflage von Oktober 2023 bis März 2024.