Nach Urteil in Traunstein
Bewegung im Mordfall Hanna: Staatsanwalt antwortet auf Revisionsantrag – Wie es nun weitergeht
Am 19. März erging das Urteil im Fall Hanna, der Angeklagte Sebastian T. wurde wegen Mordes zu neun Jahren Jugendstrafe verurteilt. Ob das Urteil Gültigkeit erlangt, ist noch offen: Geprüft wird der Revisionsantrag der Verteidigung. Jetzt hat der Staatsanwalt Stellung bezogen.
Rosenheim – 1700 Seiten umfasste die Begründung des Revisionsantrages, die von der Verteidigung erstellt wurde. 1700 Seiten, die letztlich den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe davon überzeugen sollen, dass da etwas nicht korrekt lief; dass der Prozess um den gewaltsamen Tod von Hanna neu bewertet werden muss. Der Prozess zog sich vom 12. Oktober 2023 bis zum 19. März 2024 am Landgericht Traunstein hin. An 35 Tagen wurde verhandelt.
1700 Seiten wollen auch erstmal gelesen werden. In aller Sorgfalt. Denn die Staatsanwaltschaft kann Stellung zu dem beziehen, was die Verteidigung an der Verhandlung zu bemängeln hat. Das ist nach Auskunft von Gunther Scharbert von der Zweigstelle Rosenheim der Staatsanwaltschaft Traunstein, nunmehr geschehen.
Nur zehn Seiten Antwort auf 1700 Seiten der Verteidigung
Die Rügen liegen „im Bereich dessen, was wir erwartet haben“, sagt Scharbert. Die Entgegnung der Staatsanwaltschaft nimmt bei weitem nicht in dem Umfang ein, den die Verteidigung benötigte, die schließlich auch ganze Anträge scannen und in die Begründung kopieren musste, um ihr Anliegen zu untermauern. Um die zehn Seiten umfasse die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft, sagt Scharbert auf OVB-Anfrage. Man habe sich bemüht, die Sache auf den Punkt zu bringen. Man habe also nicht alles kommentiert, sondern „nur das, wo wir eine Entgegnung für angebracht halten“.
Dazu gehört nach Schaberts Worten auch die Korrektur eines Zeitpunkts: Wann wurde der JVA-Zeuge verlegt, der eine so wichtige Rolle in dem Verfahren spielte? Hatte er wirklich Gelegenheit, ein vertrautes Verhältnis zum Angeklagten Sebastian T. aufzubauen, sodass dieser dem Zeugen einen Mord gestehen würde? Die Staatsanwaltschaft geht davon aus.
Es ist eine Stellungnahme mit Gewicht. Denn nun ist der Generalbundesanwalt am Zug. Er wird auch die Erklärung der Staatsanwaltschaft abwägen. Danach wird er seinen Antrag formulieren: die Revision zu verwerfen, ihr teilweise stattzugeben oder ihr vollkommen stattzugeben.
Eiskeller-Prozess: Was die Verteidigung bemängelte
Im Visier der Verteidigung steht unter anderem der abgelehnte Befangenheitsantrag vom Februar 2024. Verteidigerin Regina Rick hatte ihn eingereicht, nachdem ein E-Mail-Austausch zwischen Richterin Jacqueline Aßbichler und Staatsanwalt Wolfgang Fiedler in den Ermittlungsakten aufgetaucht war: ein Austausch über die Notwendigkeit, den Tatvorwurf neu zu fassen.
Nach Regina Ricks Auffassung war der E-Mailverkehr in derart vertrautem Ton verfasst, dass Aßbichler ebenso wie zwei ihrer Kollegen „wegen Besorgnis der Befangenheit“ abzulehnen seien. Daneben äußerte die Anwältin den Verdacht, entlastende Unterlagen könnten der Verteidigung vorenthalten worden sein. Die Entscheidung über den Antrag lag bei der 2. Jugendkammer – und die lehnte ab.
Regina Rick geht Abweisung von Beweisanträgen nach
Auch die Ablehnung von Gutachtern rügt die Verteidigung. Unter anderem hatte Rick einen Gutachter der Uni Hamburg und einen Sachverständigen aus Halle befragen wollen. Sie hoffte damit nachzuweisen, dass Hannas Verletzungen durch das Treiben in der Hochwasser führenden Prien entstanden sein konnten. Das Gericht lehnte jedoch ab.
Außerdem will Rick den Zeitpunkt eines Tischtennisspiels geklärt wissen, an dem Sebastian T. teilgenommen haben soll. Trugen er und Freunde die Partie am 3. Oktober 2022 aus? Am Abend des Tages, an dem Hanna W. leblos in der Prien entdeckt worden war, nachdem sie am frühen Morgen des 3. Oktober den Club „Eiskeller“ in Aschau verlassen hatte? Oder doch erst am Tag darauf? Eine Freundin aus Schulzeiten will gehört haben, dass Sebastian T. noch am 3. Oktober von einem Mord erzählt haben soll. Ihr Hinweis auf Täterwissen hatte überhaupt erst zur Festnahme des jungen Manns geführt.
Revision im Fall Hanna: Langer Prozess des Abwägens
Eine Prognose, wie der Bundesgerichtshof entscheiden wird, ist schwierig. Dass der BGH lediglich fünf bis zehn Prozent der Revisionsanträge stattgibt, lässt keinerlei Rückschlüsse auf den Fall Hanna zu. Sicher ist: Mit dem Generalbundesanwalt, seinem Antrag und den Beratungen der fünf Richter des zuständigen Senats am BGH – es wird voraussichtlich der erste Senat sein – wird sich das Verfahren noch wochenlang hinziehen. „Wir rechnen nicht mit einer Entscheidung in diesem Jahr“, sagt Gunther Scharbert.