Nach den Protesten in Kolbermoor
Polizeilicher Brennpunkt? – Das hat sich seit Einzug der Flüchtlinge im „Haus Mangfall“ getan
Es war der Aufreger 2023 in Kolbermoor: Die Flüchtlingsunterkunft, die im früheren Seniorenheim „Haus Mangfall“ entstanden ist. Vor zehn Monaten sind dort die ersten Bewohner eingezogen. Inzwischen ist das Haus fast voll belegt. Gibt es seither Beschwerden von Anwohnern? Das sagen Polizei und Landratsamt.
Kolbermoor – Von heftigen Diskussionen in den Stadtgremien über Brandbriefe aus der rechten Ecke bis zu Protesten auf der Straße: Die Flüchtlingsunterkunft an der Oberen Breitensteinstraße in Kolbermoor, die im ehemaligen Seniorenheim „Haus Mangfall“ geschaffen wurde, hatte bereits vor Einzug der ersten Bewohner für jede Menge Wirbel gesorgt. Mittlerweile sind fast zehn Monate vergangen, die Unterkunft ist nahezu voll belegt. Zeit für eine erste Bilanz.
Es war der große Aufreger im ersten Halbjahr 2023 in Kolbermoor: Nachdem die Bewohner des Seniorenheims „Haus Mangfall“ an der Oberen Breitensteinstraße im Frühjahr in neue Räumlichkeiten am Conradtypark gezogen waren, hatte der Inhaber des Gebäudes die Umnutzung vom Altenheim zur Flüchtlingsunterkunft beantragt. Was der Bauausschuss der Stadt in seiner Sitzung im Mai 2023 jedoch abgelehnt und als Begründung die Stellplatzsatzung ins Feld geführt hatte, die mit der neuen Nutzung nicht vereinbar sei.
Eine Entscheidung, die das Landratsamt Rosenheim wenig später kassierte: Denn die Stadt hatte nach Ansicht der Aufsichtsbehörde bei ihrer Entscheidung eine falsche Stellplatzsatzung zugrunde gelegt. So erklärte das Landratsamt Mitte Juni die Ablehnung der Nutzungsänderung durch den Bauausschuss als unzulässig und stellte damit die Weichen für die Nutzung des Komplexes als Unterkunft für Flüchtlinge.
AfD-Landtagsabgeordneter Winhart bezeichnet Bürgermeister Kloo als „Bürgerverräter“
Eine Entscheidung, die wiederum einige Anwohner sowie AfD-Vertreter in Rage brachte. So bezeichnete Andreas Winhart, AfD-Landtagsabgeordneter aus Bad Aibling, die Entwicklungen an der Oberen Breitensteinstraße als „Polit-Posse“ und brandmarkte Kolbermoors Bürgermeister Peter Kloo (SPD) als „Bürgerverräter“, weil sich der Rathauschef „ohne Not klar gegen die Interessen seiner eigenen Bürger im betroffenen Ortsteil“ stelle. Die Auseinandersetzung rund um die geplante Flüchtlingsunterkunft gipfelte schließlich Ende Juni in einer AfD-Kundgebung unter dem Titel „Bürgerwillen respektieren – Bürger informieren!“, der sich wiederum eine Gegendemo antifaschistischer Gruppierungen entgegenstellte.
Doch allen Protesten zum Trotz: Im August zogen schließlich die ersten Flüchtlinge in die neue Unterkunft an der Oberen Breitensteinstraße ein. Jetzt, knapp zehn Monate später, ist das Gebäude, das nach Angaben des Landratsamtes Rosenheim maximal 80 Bewohner fassen kann, fast voll belegt. Aktuell wohnen dort nach Angaben von Simone Beigel, Sprecherin der Behörde, 69 Menschen, darunter 38 männliche Einzelpersonen. Die Altersstruktur reicht von 0 bis 66 Jahre. Die Bewohner stammen aus Afghanistan, dem Jemen, Syrien, Nigeria, der Türkei, Aserbaidschan, der Ukraine und Jordanien.
„Keine Rückmeldungen“: Zuzug ist völlig geräuschlos verlaufen
Ein Zuzug in das Kolbermoorer Wohngebiet, der nach Angaben des Landratsamtes Rosenheim absolut geräuschlos verlaufen ist. So seien in den vergangenen Monaten „keine Rückmeldungen, weder positiv noch negativ“ zur Flüchtlingsunterkunft bei der Behörde eingegangen. Angaben, die Thomas Rothmayer, Leiter des städtischen Ordnungsamtes, aus Sicht der Kommune bestätigen kann. „Das ist mittlerweile in der Stadt überhaupt kein Thema mehr“, sagt der Amtsleiter, der sich ebenfalls an keinerlei Rückmeldungen oder Beschwerden seitens der Bevölkerung erinnert.
Auch aus polizeilicher Sicht habe sich die Flüchtlingsunterkunft seit dem Einzug der ersten Bewohner bis heute keineswegs als Brennpunkt für Straftaten oder Verfehlungen herausgestellt. Ganz im Gegenteil. „Meines Wissens hat es in dieser Zeit insgesamt einen einzigen Polizeieinsatz gegeben“, so Rothmayer. Der Grund für den Einsatz der Ordnungshüter: „Ein Rauchwarnmelder hatte Alarm geschlagen, weil er oberhalb eines Herdes falsch montiert war.“
Auch dem Polizeipräsidium Oberbayern Süd liegen im Zusammenhang mit der Asylbewerberunterkunft in der Oberen Breitensteinstraße „keine Erkenntnisse zu etwaigen Sicherheitsstörungen in der Vergangenheit vor“, wie Sprecher Michael Spessa auf Anfrage mitteilt. Spessa spricht im Zusammenhang mit der Unterkunft über eine „sehr geringe Anzahl zur Anzeige gebrachter beziehungsweise polizeilich erfasster Delikte“, bei denen es sich „hauptsächlich um Delikte von niedrigem Kriminalitätsniveau (Streitigkeiten) handelt und somit keine (erhebliche) Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel einhergeht“.
Polizei im regelmäßigen Austausch mit der Regierung von Oberbayern
Das Polizeipräsidium Oberbayern Süd befinde sich „in einem regelmäßigen Austausch mit der zuständigen Abteilung der Regierung von Oberbayern, um die aktuelle Lage in den Unterkünften zu evaluieren und zu bewerten“, so der Polizeisprecher weiter. Der Polizei sei jedoch bewusst, „dass das empfundene Sicherheitsgefühl vieler Bürgerinnen und Bürger im südöstlichen Oberbayern derzeit im Hinblick auf die steigenden Zahlen, vor allem im Hinblick auf illegale Migrantinnen und Migranten, beeinträchtigt sein kann“, so Spessa, der aber in Hinblick auf die Straffälligkeit von Migranten betont: „Die allermeisten davon treten polizeilich nicht in Erscheinung.“
Selbst AfD-Stadtrat Christian Demmel, dessen Partei einst die Protestkundgebung gegen die Flüchtlingsunterkunft organisiert hatte, sind seitens der Bevölkerung kaum Klagen zugetragen worden, wie er auf Anfrage des OVB berichtet. „Ich persönlich habe von der Unterkunft bisher keine Vorfälle gehört“, sagt der AfD-Vertreter. „Anwohner berichten, dass sie auch keine Vorfälle registriert hätten und froh sind, dass in der Unterkunft hauptsächlich Familien untergebracht sind und ein paar Jugendliche.“ Die Anwohner seien aber davon überzeugt, dass die Auswahl der Bewohner „zu mehr Familien mit Kindern“ auch auf die Proteste zurückzuführen sei.
AfD-Stadtrat Demmel nach eigenen Angaben „kein Gegner der Einrichtung selbst“
Wobei Demmel gegenüber dem OVB zudem betont, dass er persönlich „kein Gegner der Einrichtung selbst“ sei. „Unsere Kritik damals war der Tatsache geschuldet, dass der gesamte Vorgang ohne Bürgerbeteiligung und ohne ausreichende Informationen zu dem Projekt ablaufen sollte.“ So sei betroffenen Bürgern selbst bei einem Termin mit dem Bürgermeister „nicht die Wahrheit über die Pläne zur Umwandlung des Seniorenheims gesagt“ worden. „Bei der Unterkunft war die große Kritik an der Intransparenz und der Unaufrichtigkeit gegenüber den Anwohnern und besorgten Bürgern primär Anlass der Aufregung“, teilte der AfD-Stadtrat auf Anfrage schriftlich mit.
Doch ist dort nun – trotz früherer Sorgen und Ängste einzelner Bürger – ein friedliches Mit- oder zumindest Nebeneinander an der Oberen Breitensteinstraße entstanden? Fast, aber wohl nicht ganz. Eine Anwohnerin, die sich bereits vor dem Einzug der ersten Flüchtlinge besorgt gegenüber dem OVB gezeigt hatte, spricht zwar davon, „dass es ruhiger und besser ist, als wir erwartet haben“, verweist aber auch darauf, „dass jetzt natürlich der Sommer kommt, wo sich das Leben wieder mehr draußen abspielen wird“. „Da muss man abwarten, wie laut das dann teilweise wird“, so die Anwohnerin, da „es in diesen Kulturkreisen oftmals ja etwas lauter zugeht“.
Autos vor der Unterkunft bespuckt
Aufgeregt habe sie sich selbst darüber, dass Einzelpersonen aus der Flüchtlingsunterkunft – ob absichtlich oder unabsichtlich könne sie nicht beurteilen – Autos unterhalb der Unterkunft bespuckt hätten. Wobei eine Beschwerde dazu beim Landratsamt ins Leere gelaufen sei. Vorfälle, die sie zudem bei Flüchtlingshelfern angesprochen habe. Doch auch dort habe sie nicht das Gefühl gehabt, ernst genommen zu werden. „Die haben mir eher zu verstehen gegeben, dass ich halt ein bisschen Verständnis für die Flüchtlinge haben soll“, erzählt die Frau, die findet: „Ich habe Verständnis dafür, dass wir Menschen helfen müssen. Aber ich verlange dann auch Verständnis dafür, wie wir hier in Deutschland unser Leben leben und dafür, dass wir dieses Verhalten auch von ihnen einfordern.“