An der Oberen Breitensteinstraße in Kolbermoor
Ängste, Verständnis, Appelle: Das denken Anwohner über die Flüchtlingsunterkunft in Kolbermoor
Politiker und Behörden haben in den vergangenen Wochen zur Flüchtlingsunterkunft, die an der Oberen Breitensteinstraße in Kolbermoor entstehen wird, Stellung genommen. Doch was sagen eigentlich die Anwohner? Ein Besuch vor Ort.
Kolbermoor – Ein lauer Sommerabend mit viel Sonnenschein. Vogelgezwitscher dringt von der nahegelegenen Mangfall in die Siedlung, auch das Lachen von Kindern, die in einer Hauseinfahrt spielen, ist zu hören. Es ist eine familiär geprägte Siedlung rund um die Obere Breitensteinstraße in Kolbermoor, ein Mix aus einigen Mehrfamilienhäusern, vielen Einfamilienhäusern und wenigen, kleinen Gewerbebetrieben. Seit bekannt ist, dass das ehemalige Seniorenheim „Haus Mangfall“ an der Oberen Breitensteinstraße, dessen Bewohner im Frühjahr in ein neues Gebäude am Conradtypark gezogen sind, ab Mitte Juli zur Flüchtlingsunterkunft wird, sind jedoch dunkle Wolken über der Siedlung aufgezogen. Ein Besuch bei den Bewohnern im Westen der Stadt, die von ihren Ängsten, aber auch vom Verständnis für die politischen Entscheider berichten.
Gleich zu Beginn wird auf der Suche nach Gesprächspartnern in der Siedlung klar: Öffentlich über das Thema reden will eigentlich niemand. Und wenn, dann nur anonym. Zu groß ist scheinbar die Angst, als „Rechtsradikaler oder Nazi“ gebrandmarkt zu werden. Oder aber „von anderen Nachbarn“ angefeindet zu werden, weil man keine grundsätzliche Ablehnung gegen die Einrichtung zeige, wie eine Frau gegenüber dem OVB betont.
Ablehnung gegen die Einrichtung, die ein junges Paar, das in der Siedlung lebt, nicht leugnen will. „Natürlich haben wir Angst. Wir wissen ja auch nicht, wer da kommen wird“, sagt die Frau, die gemeinsam mit ihrem Mann eigentlich zu einem Spaziergang aufbrechen wollte, sich dann aber doch bereit erklärt, zu reden. Noch deutlicher wird ihr Mann. „Wenn da lauter junge Männer einziehen und meine Frau alleine hier ist, mache ich mir schon meine Gedanken, ob sie sicher ist“, sagt er und betont: „Von denen braucht sich niemand bei mir im Garten erwischen lassen.“ So habe er beispielsweise die Befürchtung, dass sich die Bewohner, wenn ihnen langweilig ist, beim nahegelegenen Supermarkt mit Alkohol eindecken „und es dann eskalieren“ könnte. Eine Gefahr, die nach Meinung des Paares bei ukrainischen Flüchtlingen weniger bestünde: „Die sind uns von der Kultur viel ähnlicher.“
Auch mit Familien, die dort laut Landratsamt primär einziegen sollen, könnte das Paar nach eigenen Angaben „besser leben“. Wobei sie aber nicht glauben, „dass darauf letztlich geachtet wird“. Nicht der einzige Vorwurf, den das Paar den Behörden und den politischen Entscheidern macht. „Wir werden hier über überhaupt nichts informiert“, bemängelt der Kolbermoorer die Informationspolitik gegenüber den Anwohnern. Er sei sich auch sicher, „dass die Stadt und der Bürgermeister das alles schon viel früher gewusst haben“.
Eine Vermutung, die ein andere Anwohner „nicht beurteilen“ könne. Es sei zwar vorstellbar, auf der anderen Seite „habe ich bei Bürgermeister Peter Kloo schon das Gefühl, dass er keiner ist, der taktiert, sondern eher, dass er recht direkt und gerade heraus ist“, sagt der ältere Herr gegenüber dem OVB. Er selbst gibt zu, „dass eine Flüchtlingsunterkunft auch nicht das ist, was ich mir für das ,Haus Mangfall‘ vorgestellt habe“. Zumal er eigentlich gehofft habe, dass das Gebäude auch nach dem Auszug der Senioren weiterhin als Seniorenheim genutzt werden – „quasi als Erweiterung des neuen Heims am Conradtypark“. Dennoch zeigt der Mann auch Verständnis für die politischen Entscheider – und für die Geflüchteten: „Man kann die ja jetzt auch nicht immer in ein Gewerbegebiet setzen, wo gar nichts ist.“
Wunsch nach mehr Polizeipräsenz in der Siedlung
Im Zuge der Recherche an der Oberen Breitensteinstraße hatte ein Anwohner die Hoffnung geäußert, die Bad Aiblinger Polizei könnte, vor allem in der Anfangszeit, häufiger in der Siedlung Streife fahren, um etwaigen Ängsten von allen Seiten vorzubeugen. Ein Anliegen, das die Ordnungshüter auch umsetzen könnten, wie Bernd Heller, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Bad Aibling, auf Anfrage des OVB erklärt: „Das ist grundsätzlich schon denkbar, öfter mal dort vorbeizufahren.“ Zumal die Polizei das auch bei der Flüchtlingsunterkunft an der Krankenhausstraße in Bad Aibling getan habe. Gab‘s irgendwelche Auffälligkeiten? Heller: „Tatsächlich ist es überhaupt kein Brennpunkt.“
Skeptisch zeigt er sich allerdings bei der Ankündigung des Landratsamtes, dort primär Familien unterbringen zu wollen. „Der Druck, die Menschen unterzubringen, ist ja so groß, dass da dann irgendwann wahrscheinlich nur noch mit neu ankommenden Flüchtlingen aufgefüllt wird“, prophezeit der Mann und fügt an. „Das würde ich ehrlich gesagt wahrscheinlich dann auch nicht anders machen.“
Verwunderung über selbsternannte Sprecher der Siedlung
Doch nicht nur die Entwicklungen und Entscheidungen rund um das Haus Mangfall, sondern auch die Dynamik innerhalb der Siedlung, die durch das Thema entsteht, beobachtet er ganz genau. „Wir haben hier Menschen, die sich wirklich Sorgen machen und die man auch ernst nehmen muss“, sagt der Rentner, „aber wir haben in der Siedlung auch einen Teil, der einfach etwas gegen Ausländer hat – vor allem, wenn sie dunkle Haut haben.“ Und noch etwas stößt dem Rentner sauer auf: „Dass sich hier plötzlich Menschen in den Vordergrund drängen und sich als Sprecher der Siedlung hervortun, obwohl sie von niemandem dazu legitimiert sind.“ Derzeit stimme das Klima in der Nachbarschaft zwar noch, aber: „Das könnte wirklich zum Problem werden.“
Damit spricht er auch einer Frau aus der Nachbarschaft aus der Seele, die die Umnutzung des Seniorenheims in eine Flüchtlingsunterkunft sehr pragmatisch sieht. „Tatsache ist, dass die Stadt das ja nur aus baurechtlichen Gründen hätte ablehnen können “, sagt sie gegenüber dem OVB. „Aber aus baurechtlicher Sicht spricht wohl nichts dagegen. Daher müssen wir das akzeptieren.“ Wer letztlich welche Informationen über die geplante Nutzung eventuell schon früher gehabt habe, spiele letztlich keine Rolle und könne sie auch nicht beurteilen.
Wunsch nach einer „sachlicheren Diskussion“
Was ihr allerdings im Zuge der Diskussionen überhaupt nicht gefalle, sei, dass es innerhalb der Siedlung mittlerweile schon zu Anfeindungen käme, wenn man anderer Meinung sei. An die Nachbar richtet sie daher einen eindringlichen Appell: „Es würde allen gut tun, wenn die Diskussion einfach wieder deutlich sachlicher geführt wird“, sagt die Kolbermoorerin. „Die hochkochenden Emotionen sind es dann nämlich auch, die von verschiedenen Seiten instrumentalisiert werden, um noch mehr Stimmung zu machen.“
