Erste Asylbewerber sollen im Juli einziehen
Landratsamt überstimmt Stadtrat: Aus Kolbermoorer Altenheim wird nun doch Flüchtlingsunterkunft
An der Oberen Breitensteinstraße in Kolbermoor entsteht nun doch eine Flüchtlingsunterkunft. Das Landratsamt hat die Stadträte überstimmt und die Baugenehmigung erteilt. Im Juli ziehen die ersten Asylbewerber ein. Warum das nun doch möglich ist.
Kolbermoor – Die Information war kurz, genauso wie das betretene Schweigen des Kolbermoorer Bauausschusses. „Das war doch klar“, sagt Stadtrat Kerim Bacak (Parteifreie). Erst in der Sitzung des Bauausschusses am 16. Mai hatte sich das Gremium mit 6:1 Stimmen gegen die Umnutzung des einstigen Altenheimes „Haus Mangfall“ zu einer Flüchtlingsunterkunft ausgesprochen. Kaum vier Wochen später wurde es von der Genehmigungsbehörde – dem Landratsamt Rosenheim – überstimmt.
So argumentiert der Bauausschuss
Die Kolbermoorer Stadträte sahen baurechtliche Hürden für die Umnutzung des Gebäudes in der Oberen Breitensteinstraße 2 und 2a vom Altenheim in eine Flüchtlingsunterkunft. Ihre Argumentation: Für jeden Bau sollten in Kolbermoor die gleichen Regeln gelten, dazu gehöre auch der Nachweis von ausreichend Stellplätzen. Eine Flüchtlingsunterkunft könne von Belegung und entsprechendem Stellplatzbedarf her mit einem Studentenwohnheim gleichgestellt werden. Dafür müssten 0,5 Stellplätze pro Bett sowie weitere zehn Prozent Besucherparkplätze vorgehalten werden. Die 14 Stellplätze, die der Bauwerber für die gewünschte Flüchtlingsunterkunft ausgewiesen habe, reichten nach Ansicht des Kolbermoorer Bauausschusses nicht aus.
So argumentiert das Landratsamt
Das Landratsamt sieht das anders und teilte der Stadt jetzt in einer E-Mail mit, dass das gemeindliche Einvernehmen ersetzt wurde. „Damit sind wir nicht mehr am Verfahren beteiligt“, erklärt Bürgermeister Peter Kloo (SPD).
„Das Landratsamt Rosenheim hat die Einwendungen der Stadt Kolbermoor im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens geprüft und kommt zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung hat“, erklärt Tanja Pfeffer, Pressesprecherin des Landratsamtes, auf Nachfrage des OVB. Deshalb sei eine nochmalige Behandlung des Vorhabens im Bauausschuss nicht erforderlich.
Stellplätze sind an Nutzung gekoppelt
Für das Siedlungsgebiet im Bereich der Oberen Breitensteinstraße gilt seit 1969 ein Bebauungsplan. „Darin sind keine Regelungen zu Stellplätzen enthalten“, erklärt Julia Wirth, die Leiterin der Kolbermoorer Bauverwaltung. Demzufolge habe für den Bau der Ein- und Zweifamilienhäuser die jeweils gültige Stellplatzsatzung der Stadt Kolbermoor gegolten. Aktuell müssten für Ein- und Zweifamilienhäuser zwei Stellplätze pro Wohnung und weitere 50 Prozent für Besucher errichtet werden. „Im Falle der Flüchtlingsunterkunft wiederum ist die Zahl der Stellplätze an die konkrete Nutzung gekoppelt“, erklärt Wirth.
Soziale Anlagen in Wohngebieten sind zulässig
„Da sich die für die Bebauung vorgesehenen Grundstücke an der Oberen Breitensteinstraße 2 und 2a im Geltungsbereich des Bebauungsplans ,Rechts der Mangfall‘ befinden, muss die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens nach Paragraph 30 des Baugesetzbuches (BauGB) beurteilt werden“, erläutert Tanja Pfeffer die baurechtliche Auffassung des Landratsamtes. Die Festsetzungen des Bebauungsplanes, so betont sie, würden vollständig eingehalten. Soziale Einrichtungen in Wohngebieten seien zulässig. Ein gemeindliches Einvernehmen sei nicht erforderlich.
Finale Entscheidung trifft die Bauaufsichtsbehörde
Dass der Kolbermoorer Bauausschuss „überstimmt“ werde, und das Landratsamt das gemeindliche Einvernehmen ersetze, sei rechtskonform“, so Pfeffer. Für das Bauvorhaben sei der Stellplatznachweis erbracht. „In der Stellplatzsatzung der Stadt Kolbermoor sind keine Festsetzungen bezüglich Flüchtlings- oder Gemeinschaftsunterkünften getroffen“, betont sie. Daher werde der entsprechende Stellplatzschlüssel aus der bayerischen „Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen sowie über die Zahl der notwendigen Stellplätze“ herangezogen.
Bewohner ziehen im Juli ein
Nach Berechnung des Landratsamtes sind das acht Pkw-Stellplätze. „Im Bestand sind 14 Stellplätze vorhanden, von denen zehn Stellplätze in der Planung weiterhin nachgewiesen werden“, informiert Tanja Pfeffer. Zudem seien 60 Fahrradstellplätze erforderlich, welche ebenfalls in der aktuellen Planung nachgewiesen wurden.
„Ausgehend von diesen Gesichtspunkten war das verfahrensgegenständliche Vorhaben genehmigungsfähig“, betont das Landratsamt: „Mit Bescheid vom 6. Juni wurde die Baugenehmigung für das beantragte Vorhaben erteilt.“ Im Gebäude seien keine größeren Umbaumaßnahmen erforderlich. „Die ersten Bewohner werden nach aktuellem Stand Anfang bis Mitte Juli einziehen“, kündigt Tanja Pfeffer an.
Auf welcher Grundlage das Landratsamt die Umnutzung genehmigt hat
Um die Umnutzung des Altenheimes in ein Asylbewerberheim zu bewerten, hat das Landratsamt folgende Gesetze angewandt:
• Bei einer Flüchtlingsunterkunft handelt es sich um eine Anlage für soziale Zwecke, welche gemäß Paragraph 4 Absatz 2 Nr. 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO) in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig ist.
• Gemäß Paragraph 36 Absatz 1 Satz 1 des Baugesetzbuches (BauGB) entscheidet die Bauaufsichtsbehörde über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den Paragraphen 31, 33 bis 35 BauGB im Einvernehmen mit der zuständigen Gemeinde. Bei Vorhaben gemäß § 30 BauGB ist kein gemeindliches Einvernehmen erforderlich.
• Die „Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen sowie über die Zahl der notwendigen Stellplätze“ definiert im Punkt 1.12. , wie viele Stellplätze für Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber vorgehalten werden müssen: Ein Stellplatz je 30 Betten, mindestens aber drei Stellplätze sowie weitere zehn Prozent für Besucherstellplätze.