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Der Kundgebung der AfD folgten nach Angaben der Veranstalter etwa hundert Personen. Bei der Gegendemo waren es etwas mehr, nach Angaben der Polizei rund 130 Personen.
Eine normale politische Veranstaltung oder das reine Schüren von Ängsten? Die Meinungen über die AfD-Kundgebung vom Freitag, 30. Juni, zur geplanten Flüchtlingsunterkunft in Kolbermoor sind geteilt. Das Polizeiaufgebot war jedenfalls enorm. Die Reaktionen.
Kolbermoor –„Eigentlich war es doch eine ganz normale und zivile Veranstaltung“, sagt eine Dame mittleren Alters, als sie nach der AfD-Kundgebung das Absperrgitter verlässt. „Nur: warum wird man, wenn man Sorgen und Ängste hat, schon automatisch in eine rechte Ecke gerückt? Ist das Demokratie? Heißt Demokratie nicht, sich ernsthaft zuzuhören und auch andere Meinungen gelten zu lassen?“ Aufwiegelung, weiteres Schüren von Ängsten, Hetze gar hat sie nach ihrer Aussage bei den Reden nicht feststellen können.
Das sieht eine junge Frau auf der Seite der Gegendemonstranten ganz anders. Sie sagt, dass sie nicht weit entfernt von der zukünftigen Migranten-Unterkunft wohne. Und das, was dort im Umlauf sei, an übertriebenen Befürchtungen, aber auch Parolen sei schlimm. „Dort hört man doch allen Ernstes immer wieder, dass jede Frau, die sich in Zukunft im Bikini an die Mangfall lege, todsicher vergewaltigt werde“. Für sie ist die AfD mitverantwortlich für diese Ängste, weil sie von dieser Partei bewusst geschürt würden.
Und beide Frauen konnten für ihre Einschätzung auch auf der Veranstaltung am Freitagabend Belege finden. Denn bei der AfD redet zunächst Stadtratsmitglied Christian Demmel, der die Kundgebung initiiert hat. Er spricht immer wieder von Demokratie als hohem Wert, auch davon, dass diese zu leben nicht leicht sei, und dass es dazu gehöre, dass die Bürger in ihren gewählten Vertretern Sprachrohre hätten. Die AfD habe sich das zur Aufgabe gemacht, gebe dabei auch einer weniger gehörten Minderheit Raum, das aber in Transparenz, ohne Hetze und Pauschalverurteilung.
AfD-Kundgebung und Gegendemo am 30. Juni in Kolbermoor
Da ist als Redner aber auch der AfD-Landtagsabgeordnete Andreas Winhart. Er spricht davon, dass in Folge der Zuwanderung die soziale Schere immer weiter aufgehe. Woche für Woche komme in Rosenheim ein Bus mit 50 Migranten an, von denen jeder einzelne am Ende den Einheimischen dringend benötigten Wohnraum wegnähme, sodass Kolbermoorer, die hier geboren wären, schließlich wegziehen müssten.
Und die Feststellung des Landratsamtes, dass in die geplante Unterkunft überwiegend Familien einziehen werden, die wenigen Einzelpersonen alle in einem festen Arbeitsverhältnis stünden, zieht er in Zweifel: „Wir werden sehen, ob es tatsächlich so kommt und ob es in ein paar Monaten nicht schon ganz anders aussieht“. Auch Kolbermoors Bürgermeister Peter Kloo greift er immer direkt wieder an, der spiele mit seiner Informationspolitik ein unredliches Spiel, bei dem er dank AfD ertappt worden sei.
Die tatsächliche Faktenlage samt ihrer Entwicklung, die der Bürgermeister wieder und wieder öffentlich und ausführlich dargelegt hat, spielt für Winhart offensichtlich keine Rolle. Er beharrt darauf: Es sei an den Bürgern „dem Peter Kloo zu sagen: So kommst Du nicht weiter“.
„Sieht so „Information“ aus?“ sagt nach Ende der von Veranstaltung und Gegendemo einer aus der Gruppe der Gegendemonstranten „Was ist das anderes als das Schüren von weiterer Unsicherheit, von Argwohn und damit Aufwiegelung?“ Für den Herrn, der im kirchlichen Dienst in Rosenheim arbeitet, ist dies eine Abwärtsspirale, die fatal ist.
„Je größer die Ängste werden, desto schwieriger wird ein rationales Gespräch darüber“ Um so schwieriger auch der Versuch, herauszubekommen, woher die Befürchtungen, die in den sozialen Medien immer weitere Auswüchse erfahren, denn eigentlich kommen: „Was ist es wirklich, was die Menschen in Angst versetzt, was steht da am Anfang?“
Hierauf eine Antwort zu finden wäre auch nach Ansicht eines weiteren Gegendemonstranten eine entscheidende Aufgabe: Andreas Salomon von der Initiative Gedenkkultur. Er hat sich intensiv mit der Geschichte Kolbermoors befasst und dabei vor allem Übergriffe auf Minderheiten und Andersdenkende dokumentiert, von der Räterepublik bis heute. Und für ihn ist klar: Ängste, die nur gehegt und weiterverbreitet, aber nicht wirklich besprochen werden, äußern sich früher oder später in Gewalt.