Flut in der Region Rosenheim
„So etwas noch nicht erlebt“: So schnell kam die Katastrophe und das sind die schlimmsten Schäden
Hart getroffen und doch Glück gehabt: Nach heftigen Regenfällen wurden Hunderte von Häusern im Landkreis Rosenheim in der Nacht auf Dienstag (4. Juni) geflutet, Autos versanken und wurden verschüttet. Doch kamen die Menschen wohl noch glimpflich davon.
Rosenheim/Raubling – Richard Schrank gehört zu den erfahrensten Katastrophenschützern im Süden Bayerns. Doch Umfang und Dynamik von Regen und Flut in der Region überraschten auch ihn. Die Unwetter hätten sich örtlich begrenzt, aber massiv entladen, sagte der Kreisbrandrat. „In einem solchen Ausmaß und einer solchen Geschwindigkeit habe ich das noch nicht erlebt.“
Die Region Rosenheim wurde hart erwischt von Regen und Hochwasser und hatte doch Glück im Unglück. Hunderte Häuser liefen voll, zahlreiche Straßen wurden überschwemmt. Von 400 „Einsatzstellen“ sprach die Feuerwehr, allein in Raubling dürften rund 300 Häuser geflutet worden sein. Aber: Die Flut selbst kostete keine Menschenleben. Zwar dauerte am Dienstag noch die Suche nach einem Vermissten an. Einen Unfall kann die Polizei allerdings in diesem Fall ausschließen.
„Für die Betroffenen ist das Hochwasser eine Katastrophe, für Privatleute, Firmen wie Gemeinden“, sagt Kreisbrandrat Richard Schrank. „Aber im Vergleich zu Pfaffenhofen an der Ilm sind wir gut weggekommen.“ Es habe, so sagte der Katastrophenschützer, keine Verletzten gegeben, weder unter den insgesamt 1600 Einsatzkräften noch unter der Bevölkerung. Schrank weist auf das Konzept für Brand- und Katastrophenbekämpfung hin, das im Kreis seit 2021 vorangetrieben werde. „Es bringt spürbare Verbesserungen“, sagt er.
Die meisten Einsätze in Raubling
Zahlreiche Gemeinden meldeten Land unter, der Schwerpunkt der Hochwasser lag im südlichen Landkreis Rosenheim mit den Gemeinden Bad Feilnbach, Raubling, Rohrdorf/Thansau, Nußdorf und Neubeuern. So mussten an der Wolfsgrubenstraße in Rohrdorf 60 Menschen aus ihren Wohnungen und Häusern evakuiert und in der Gemeindehalle in Sicherheit gebracht werden, weil das Wohngebiet überschwemmt wurde.
Besonders hart getroffen wurde auch Raubling. Dort bemühten sich Retter verzweifelt, das Feuerwehrhaus vor den Wassermassen zu schützen. Evakuiert mussten die Flüchtlinge der Container-Siedlung am Bahnhof
Aus allen betroffenen Gemeinden berichteten Augenzeugen von vollgelaufenen Kellern und Unterführungen. Auch Tiefgaragen wurden geflutet, etwa in Neubeuern, wo das Wasser bis über die Dächer geparkter Autos stieg. Auf den Straßen sorgten die Fluten ebenfalls für Chaos, so war die Autobahn A8 zwischen Frasdorf und Rohrdorf in Richtung München gesperrt. Der Verkehr wurde in Frasdorf abgeleitet. Die Kreisstraße RO14 musste zwischen Bernau und Aschau komplett gesperrt werden. Fotos aus Raubling zeigen, wie sich Fahrbahnen in reißende Bäche verwandeln.
Regenfälle verursachten Muren
Im Gebirge lösten die starken Regenfälle Erd- und Felsrutsche aus. Muren gingen zwischen Oberaudorf und Fischbach bei Kirnstein, in der Gemeinde Samerberg sowie an der Hohen Asten ab. In Brannenburg verschüttete ein reißender Bach, sonst eher ein Rinnsal, ein Auto an der Sudelfeldstraße. Im Mühltal zwischen Nußdorf und Samerberg wurde die parallel zum Steinbach verlaufende Straße teilweise weggespült.
Fluten drückten Schmutzwasser durch die Gullys
Von heftigen Zuständen unter anderem in Altenbeuern sprach Stefan Huber, Sprecher des Technischen Hilfswerks (THW) Rosenheim. Man habe gegen Mitternacht die Bemühungen im Kampf gegen die Wassermassen einstellen müssen, da mittlerweile die Kanalisation übergelaufen sei. Auch anderswo drückten die Wassermassen Schmutzwasser durch die Gullys nach oben. In Samerberg zogen die Wassermassen den Bauhof in Mitleidenschaft.
Die Unwetter erreichten die Region wie erwartet. Doch das Tempo der Überflutung überraschte die Behörden und Retter. Während in anderen bayerischen Landkreisen schon Flüsse über die Ufer traten und Keller voll liefen, herrschte rund um Rosenheim noch Ruhe. Erst ab dem frühen Nachmittag des Montags (3. Juni) verschärfte sich die Lage. Mehrere lokale Unwetter verbanden sich zu einem Großschadensfall.
Die Helfer eilten von Einsatz zu Einsatz
Um 17.41 Uhr wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Spezialisten der Feuerwehren im Landkreis, die zuvor schon in Petershausen bei Dachau und im Landkreis Pfaffenhofen die Verschmutzung durch Heizöl bekämpft hatten, begaben sich noch am Montagabend an ihre nächsten Einsatzorte – diesmal vor der eigenen Haustür. Helfer des THW wiederum füllten in Feldkirchen binnen weniger Stunden 4000 Sandsäcke, die in der Umgebung verteilt wurden. Anderswo pumpten Helfer oder bauten Sandsackbarrieren auf.
Die Bemühungen der Retter wurden am Landratsamt koordiniert. Am Dienstag (4. Juni) sah sich die Behörde gegen 12.10 Uhr endlich berechtigt, den Katastrophenfall aufzuheben. An zahlreichen Schulen unter anderem im Inntal war am Vormittag der Unterricht ausgefallen.
Einsatzkräfte freuen sich über Dankbarkeit
Rettungsdienste, THW, Feuerwehren: Sie alle stemmten sich gegen die Flut. Unterstützt wurden sie von der Polizei. „Wir hatten da nur eine Nebenrolle“, sagt Polizeisprecher Stefan Sonntag, „Lob und Dank gebühren ausschließlich den Ehrenamtlichen.“
Die Helfer gaben den Dank wiederum weiter. „Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit der Menschen waren wirklich beeindruckend“, berichtet Stefan Huber vom THW. Er weiß von anerkennenden Worten zu berichten, von Kaffee, der extra gereicht wurde. Und von Hilfe, die auf dem Fuß folgte: „Ein Betroffener, dessen Keller wir auspumpten, schenkte einem THWler, dessen Socken durchnässt worden waren, einfach selbst gestrickte Socken.“

