Binnen drei Stunden zur höchsten Meldestufe
„Blödsinn“: Ließ Seehamer See die Mangfall bei Feldolling so extrem anschwellen?
Binnen drei Stunden von keiner zur höchsten Meldestufe: Die Mangfall zeigte am 3. Juni auf beängstigende Weise, wie unberechenbar Wasser ist. Wie es zum dramatischen Anstieg des Pegels gekommen war – und welche Maßnahmen die Behörden noch in der Hinterhand hatten.
Feldkirchen-Westerham – Wie unberechenbar Wasser ist, zeigte die Mangfall bei Feldkirchen-Westerham am Montag, 3. Juni, auf eindrucksvolle, aber auch beängstigende Weise: Hatte der Fluss gegen 15 Uhr mit einem Wasserstand von 1,45 Metern noch nicht einmal die Meldestufe 1 auf der vierstufigen Hochwasser-Meldeskala erreicht, so riss das Gewässer nur drei Stunden später mit einem Stand von 2,71 Metern bereits die letzte Meldestufe vier. Die gute Nachricht: „Die Lage war eigentlich die ganze Zeit über recht entspannt“, wie Sven Gericke, Kommandant der Feuerwehr Feldkirchen-Westerham, am Dienstagmittag (4. Juni) betonte. Zu diesem Zeitpunkt war der Wasserstand bereits wieder auf unter 1,70 Meter abgesunken.
Wurde der Seehamer See auf Kosten des Mangfalltals abgelassen?
Doch was hatte die Mangfall so schnell so extrem anschwellen lassen? „Grund für den plötzlichen Anstieg der Mangfall war, dass der Seehamer See zur Entlastung abgelassen wurde“, teilte das Landratsamt Rosenheim in seinem „Hochwasser-Update“ am 3. Juni gegen 19.30 Uhr in Bezug auf die Meldestufe 4 bei Feldolling mit. Was wiederum bei einigen Bürgern in der Region für Verwunderung und die Befürchtung sorgte, die Ortschaften rund um den Seehamer See bei Weyarn (Landkreis Miesbach) könnten zulasten des Mangfalltals geschützt werden.
Spekulationen, die Andreas Holderer, als Abteilungsleiter am Wasserwirtschaftsamt Rosenheim zuständig für die Mangfalltal-Gemeinden und den Landkreis Miesbach, am Dienstag (4. Juni) als „Blödsinn“ bezeichnete. Es sei zwar richtig, dass die Stadtwerke München Wasser aus dem Seehamer See über Turbinen in die Mangfall einleite. Das sei aber ein „ganz korrektes Vorgehen“ und laufe nach klaren Vorgaben ab. Ein Vorgehen, das die Stadtwerke auf Wunsch des Wasserwirtschaftsamtes im Lauf des Montagnachmittags sogar gestoppt hätten.
Wobei Holderer gegenüber dem OVB deutlich machte, dass selbst diese Mengen für die Mangfall nur „marginal“ und keinesfalls für den heftigen Anstieg des Flusses verantwortlich seien. „Dass die Mangfall so schnell gestiegen ist, lag, wie so oft, einfach am Niederschlag“, so der Experte und verwies darauf, dass es über dem Mangfalltal stundenlang einfach „hohe Niederschläge in seltener Jährlichkeit“ gegeben habe. Derzeit seien seine Kollegen noch dabei, die Daten dazu genau auszuwerten.
Regenmengen, die die Feuerwehrler in Feldkirchen-Westerham zwar in Habacht-Stellung versetzten, letztlich aber nicht großartig forderten, wie Feuerwehr-Kommandant Gericke betonte. Zwar hatten die rund 100 Einsatzkräfte der Feuerwehren aus der Gemeinde circa 4000 Sandsäcke als Schutz gegen das Wasser befüllt, davon wurde aber nur rund die Hälfte gebraucht. Größter Einsatz für die Rettungskräfte: „Am Mühlbach haben wir eine Umleitung in die Mangfall gebaut“, berichtet Gericke. „Denn sonst hätte der Mühlbach dort für Überschwemmungen, auch an Wohnhäusern, sorgen können.“
Letztlich mussten die Einsatzkräfte keinen einzigen Keller, keine Garage auspumpen. Stattdessen hielten Schaulustige, die sich an der Mangfall positioniert hatten, die Rettungskräfte auf Trab. Was bei Gericke für Unverständnis sorgte. „Die bringen sich teilweise selbst damit in Gefahr“, so der Kommandant, der beispielsweise von einer Frau berichtete, die ihr kleines Kind über das Brückengeländer gehoben hatte, damit es das Wasser besser sehen kann. Gericke: „Manche Bürger sind da einfach auch nicht belehrbar.“ Irgendwann habe der Andrang von Schaulustigen dann ein so hohes Maß erreicht, dass er die Polizei gerufen habe.
Bruckmühl hält Bürger über neue App rund ums Hochwasser am Laufenden
Die App der Marktgemeinde Bruckmühl, die erst seit wenigen Wochen am Start ist und den Namen „Bruckmühl für d‘Hosntaschn“ trägt, hat ihren ersten Härtetest bestanden: „Wir konnten darüber nach dem Erreichen der Meldestufe 4 an der Mangfall die Bürger per Push-Nachricht warnen und auf ein Notfall-Telefon hinweisen, dass wir prophylaktisch eingerichtet haben“, erklärte Silvia Mischi, Marketing-Chefin der Marktgemeinde, gegenüber dem OVB. Dass es in der Marktgemeinde aber trotz des hohen Mangfallpegels völlig ruhig geblieben war, zeigte letztlich das Anruferaufkommen bei der Hotline: Keinen einzigen Anruf hatte die Kommune unter der Nummer zu verzeichnen. Die Bruckmühl-App ist für die Smartphone-Betriebssysteme iOS und Android erhältlich.
Die Gemeinde Feldkirchen-Westerham sprach im Zusammenhang mit dem Hochwasserereignis von einer „großen Herausforderung“, der man jedoch mit einer „koordinierten und effizienten Einsatzleitung“ begegnet sei, wie Sprecherin Karolin Lohwasser auf OVB-Anfrage mitteilte. So sei bei der Feuerwehr Feldkirchen-Westerham eine Einsatzzentrale eingerichtet worden, in der zur kritischen Zeit neben dem dritten Bürgermeister Josef Hupfauer als Vertreter von Rathauschef Johannes Zistl auch mehrere Mitglieder der Gemeindeverwaltung vertreten waren. „Der Informationsfluss und die Koordination zwischen alle Beteiligten funktionierte reibungslos, was maßgeblich zur Bewältigung der Hochwasserlage beitrug“, so Lohwasser weiter.
Große Mengen an Schwemmholz bleiben im Rechen an der Wuhr hängen
Letztlich sei es im Gemeindegebiet auch nur zu „kleineren Schäden“ durch das Hochwasser gekommen. An der Wuhr hatten zudem einige Bürger die Kommune über große Mengen an Schwemmholz informiert, die sich im dortigen Wildholzrechen verfangen hätten. Ein Sachbearbeiter des Wasserwirtschaftsamtes, der sich vor Ort selbst ein Bild davon machte, sah nach Angaben der Gemeinde aber keine Notwendigkeit, das Schwemmholz zu entfernen, woraufhin die Feuerwehr die Situation dort weiterhin im Auge behielt.
Doch was wäre gewesen, wenn die Mangfall noch extremer angestiegen wäre? Für einen „absoluten Extremfall“ hätten die Behörden einen Trumpf in der Hinterhand gehabt, wie Andreas Holderer vom Wasserwirtschaftsamt gegenüber dem OVB verriet. Denn dann hätte das noch nicht komplett fertiggestellte Hochwasserrückhaltebecken bei Feldolling eine vorgezogene Premiere gefeiert. „Wir hatten für den Fall der Fälle alles vorbereitet“, berichtet Holderer. „Die Leute standen Gewehr bei Fuß, um im Extremfall das Becken dort zu fluten.“ Allerdings hätte dann die komplette Baustelle unter Wasser gestanden, weshalb das Hochwasserrückhaltebecken eben nur für den „Extremstfall“ eine Option gewesen sei.
