Bürgermeister Zistl kritisiert „mangelnde Kontaktaufnahme“
Flüchtlings-Unterkunft Westerham: Warum die Gemeinde gegen das Landratsamt klagt
Rund um die geplante und umstrittene Flüchtlingsunterkunft in Westerham bleibt es vorerst spannend. Weil das Landratsamt die Baugenehmigung erteilt hat, zieht die Gemeinde nun vor Gericht. Worum es der Kommune dabei geht.
Feldkirchen-Westerham – Mit Spannung wurde die Gemeinderatssitzung in Feldkirchen-Westerham am Dienstagabend (23. Juli) erwartet. Die dabei entscheidende Frage: Wie geht es weiter mit der geplanten Flüchtlingsunterkunft in Westerham? Denn nachdem das Landratsamt Rosenheim die Baugenehmigung für die Containeranlage an der Walter-Gessner-Straße, die befristet auf elf Jahre 160 Flüchtlinge beherbergen soll, bereits am 25. Juni erteilt hatte, blieb der Gemeinde eine Frist von einem Monat, um dagegen rechtlich vorzugehen.
Nun ist bekannt, dass genau das passiert ist und dass die Gemeinde bereits vor gut zwei Wochen von diesem Recht Gebrauch gemacht hat. Die Verwaltung teilte hierzu mit, dass Bürgermeister Johannes Zistl die Rechtsanwaltskanzlei Döring Spieß schon am 11. Juli damit beauftragt habe, gegen die Baugenehmigung des Landratsamtes beim Verwaltungsgericht München Klage zu erheben.
Worum es in der Klage geht
„Wir haben ein paar Tage gezögert, ob wir Klage einreichen“, berichtet Zistl im Gemeinderatsgremium. Den Schritt sei man dann jedoch zeitnah gegangen, um nicht erst bis kurz vor Fristende zu reagieren. „Wir haben auch rechtzeitig mit dem Bauherrn Kontakt aufgenommen, damit dieser Bescheid weiß, dass wir klagen“, so der Bürgermeister.
Die Klage bezieht sich jedoch nicht auf die grundsätzliche Frage, ob Flüchtlinge in einer Unterkunft innerhalb der Gemeinde aufgenommen werden sollen, sondern lediglich um die angestrebte Nutzungsdauer der Einrichtung. So waren Gemeindeverwaltung und Rechtsanwaltskanzlei der Auffassung, dass Klage in erster Instanz beim Verwaltungsgericht München bezüglich der „langen Nutzungsdauer von elf Jahren“ eingereicht werden sollte. „Es ist mindestens fraglich, ob eine Befristung auf einen derart langen Zeitraum wirklich noch erforderlich und verhältnismäßig im Sinne der gesetzlichen Vorschriften ist“, so die Begründung.
Erfolgsaussicht bei geringem finanziellen Risiko
Die Gemeinde fühlt sich hierdurch in ihrer Planungshoheit zu stark eingeschränkt. Das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers könne hier nicht in der Verantwortung der Gemeindeverwaltung liegen, betonte Bürgermeister Zistl. Man gehe nun davon aus, dass bei der Klage Aussicht auf Erfolg bestehe und das finanzielle Risiko, welches im Falle einer gerichtlichen Niederlage auf 250 bis 2000 Euro geschätzt wird, sei „relativ gering“.
Klar ist nun aber auch, dass weitere Aspekte der Baugenehmigung, etwa die Anzahl der dort untergebrachten Geflüchteten oder die Überschreitung der Baugrenzen, nicht Teil der Klage sind. Hier sehe man keine Aussicht auf einen Klageerfolg. Rathauschef Zistl betonte noch einmal, dass es bei der grundsätzlichen Haltung bleibe, wonach man in der Gemeinde gerne Geflüchtete aufnehmen wolle. „Aber eben nicht in einer solchen Anlage und nicht an dieser Stelle.“ Zuletzt hatte er sich deshalb für mehrere kleinere Einheiten auf dem Gebiet der Gemeinde ausgesprochen, um die Integration der Geflüchteten zu erleichtern.
Wie reagiert das Landratsamt auf die Klage?
Zistl übte nun Kritik an der Aufsichtsbehörde. „Wir bedauern die mangelnde Kontaktaufnahme des Landratsamtes“, erklärte er. So hätte man sich gewünscht, Gedanken über mögliche Alternativen austauschen zu können. Nun müsse man aber abwarten, wie die Richter entscheiden, wobei Zistl mit einem relativ schnell gefassten Urteil rechnet. Bis dahin gelte: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.“
Auf die neue Entwicklung in Feldkirchen-Westerham reagiert das Landratsamt Rosenheim zunächst verhalten. „Die Klage wurde offensichtlich zur Fristwahrung ohne Begründung eingereicht und ging uns am Dienstag, den 23. Juli, vom Verwaltungsgericht zur Kenntnis zu“, erklärte Sibylle Gaßner-Nickl, Pressesprecherin der Behörde. Zu den Erfolgsaussichten könne man deshalb keine Stellung nehmen.
Landratsamt: Bürgermeister „wie allgemein üblich informiert“
Laut Landratsamt sei Feldkirchen-Westerhams Bürgermeister „wie allgemein üblich“ nach Abschluss des Mietvertrages über die beabsichtigte Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft informiert worden. Zudem verweist die Sprecherin auf die Informationsveranstaltung vom 19. April in Feldkirchen. „Weder in den vergangenen Jahren noch im Nachgang zur Infoveranstaltung wurden dem Landratsamt seitens der Gemeinde Alternativgrundstücke für kleinere Einheiten angeboten“, so Gaßner-Nickl. Deshalb sei es auch nicht möglich gewesen, diesbezüglich in einen Dialog zu treten.
Wie genau es nun also in Feldkirchen-Westerham weitergeht, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass die Debatte um die geplante Flüchtlingsunterkunft mit der Klage jetzt aber in eine neue Runde gehen wird. Denn schon vor Monaten hatte der Bauausschuss den eingereichten Bauantrag mit Verweis auf eine Überschreitung von Baugrenzen abgelehnt.
Als weiteren Schritt strich der Gemeinderat in seiner Sitzung Ende April einen Passus aus dem dort gültigen Bebauungsplan, wonach dort neben Gewerbe unter anderem auch „Anlagen für soziale Zwecke“, unter die eine Flüchtlingsunterkunft falle, errichtet werden dürfen. Zudem verhängte das Gremium eine sogenannte Verhinderungssperre, die nur Bauten, die sich exakt an die Vorgaben des Bebauungsplans halten, zulässt. Nachdem das Landratsamt trotz allem die Baugenehmigung erteilt hatte, wird das weitere Vorgehen nun also vor Gericht entschieden.
Parallelen zu Stephanskirchen
Wie in Feldkirchen-Westerham, kommt es auch in der Gemeinde Stephanskirchen zur Klage. Dort hat die Kommune die gleiche Rechtsanwaltskanzlei beauftragt. In Stephanskirchen will das Landratsamt eine Flüchtlingsunterkunft für 101 Menschen in einem Gewerbegebiet einrichten. In der Klage der Gemeindeverwaltung, die ebenfalls mit dem Gremium am Dienstagabend tagte, geht es jedoch nicht um die Nutzungsdauer, sondern um die Planungs- und Gestaltungshoheit, die die Gemeinde behalten möchte.