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Mehr als 700 Menschen protestierten

„Traurig, dass Rott zur Festung wurde“: So reagieren die Akteure nach dem Flüchtlings-Demo-Marathon

Zweiter Bürgermeister Alfred Zimpel blickt mit gemischten Gefühlen zurück auf den Demo-Marathon von Samstagabend (20. Januar) in Rott.
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Zweiter Bürgermeister Alfred Zimpel blickt mit gemischten Gefühlen zurück auf den Demo-Marathon von Samstagabend (20. Januar) in Rott.

Friedlich ist der Demo-Marathon am Samstagabend (20. Januar) in Rott vonstattengegangen. Was bleibt trotz Erleichterung über den guten Verlauf: ein Unbehagen, ein Vorwurf und ein Zweiter Bürgermeister, der sich gegen politische Einflussnahme von außen wehrt.

Rott – „Wir sind durchaus zufrieden mit der Resonanz auf die Versammlung der Gemeinde. Ich finde, wir konnten unsere Meinung und Einstellung gut herüberbringen“, sagt Rotts Zweiter Bürgermeister Alfred Zimpel. „Widerspruch Ja, AfD nein“, hatte die Kommune ihre Veranstaltung als Reaktion auf eine AfD-Kundgebung übertitelt.

Eine treffende Botschaft, denn Rott hält am Widerstand gegen die geplante Erstaufnahme-Einrichtung für bis zu 506 Flüchtlinge fest. Die Gemeinde möchte jedoch nicht, dass das Thema überörtlich vereinnahmt oder politisch instrumentalisiert wird, betont Zimpel. Er gehörte am Samstagabend (20. Januar) zu den Rednern bei der Demonstration auf Einladung der Kommune, die von der Bürgerinitiative „Rott rot(t)iert“ und dem Gewerbeverband sowie Vereinen aus dem Dorf unterstützt wurde.

Zweiter Bürgermeister Alfred Zimpel waren einer der Hauptredner bei der Versammlung auf Einladung der Gemeinde.

Zimpel bedankt sich ausdrücklich bei der Polizei, die mit ihrer starken Präsenz maßgeblich dazu beigetragen habe, dass der Versammlungs-Marathon friedlich verlaufen sei. Die Beamten hätten deeskalierend gewirkt und die Lage stets im Griff gehabt, freut sich der Zweite Bürgermeister.

„Ich persönlich fand es nur traurig, dass Rott zur Festung wurde“, gibt Zimpel angesichts der notwendigen starken Polizeipräsenz offen zu. Das passe nicht zu Rott. Er wünsche sich, dass die Problematik einer großen geplanten Flüchtlingsunterkunft im Dorf nicht länger von außen thematisch besetzt werde. „Wir kümmern uns selbst um unsere Sachen. Wir werden das alleine ausfechten – natürlich mit allen uns zur Verfügung stehenden politischen und rechtlichen Möglichkeiten“, betont er. „Rott darf aber nicht zu einer Plattform für einen allgemeinen politischen Diskurs werden, der von außen zu uns hineingetragen wird“, appelliert er. Im Widerstand gegen die geplante Erstaufnahme-Einrichtung würden die Rotter zusammenhalten, eine Vereinnahmung von links oder rechts ablehnen, zeigt er sich überzeugt.

Banner am Rathaus symbolisierten die Positionierung der Gemeinde.

„Menschenunwürdige Unterbringung“

Es geht nach seiner Meinung vielmehr darum, aufzuzeigen, dass die große Einrichtung für bis zu 506 Geflüchtete, so wie sie in Rott vom Landratsamt in der Gewerbehalle „Am Eckfeld“ geplant sei, ein kleines Dorf mit 4.200 Einwohnern überfordere und dass eine Unterbringung dieser Art „absolut menschenunwürdig“ sei.

Deshalb habe die Bürgerinitiative bei der Veranstaltung der Kommune auch Stellwände aufgestellt, auf denen Pläne für die Einrichtung gezeigt würden. Wie eng aufeinander die Menschen hier leben sollten, hätten auch nachgebaute Wohneinheiten mit Stockbetten aufgezeigt. „Die Veranstaltung diente nicht nur als Zeichen des Zusammenhaltens, sondern auch dazu, die Menschen transparent über den aktuellen Stand und die geplante Unterkunft für Geflüchtete zu informieren“, erklärt dazu die Bürgerinitiative (BI) „Rott rot(t)iert“.

„Es wäre wünschenswert gewesen, wenn das Landratsamt im demokratischen Prozess von sich aus mehr Transparenz geboten hätte. Da dies bezüglich des Bauantrags und der Unterkunft bisher nicht ausreichend geschah, sah sich die Bürgerinitiative in der Verantwortung, diese Aufgabe zu übernehmen“, begründet sie die Präsentationen der Pläne auf Stellwänden.

Friedlich verliefen die Demos in Rott.

BI: Thematik bewege viele Menschen

Die Bürgeriniatiative „Rott rot(t)iert“ teilt auf Anfrage außerdem mit: „Es erfüllt uns als BI mit Freude, dass die Veranstaltung eine beachtliche Teilnahme verzeichnen konnte und trotz der klirrenden Kälte viele Menschen bis zum Ende geblieben sind. Wir möchten uns bei allen Teilnehmern und der Gemeinde herzlich für die gelungene Organisation der Veranstaltung bedanken. Aus unserer Sicht haben die Gemeinde und die Bürgerinitiative die Menschen äußerst gut erreicht.“

Die BI sei davon überzeugt, dass sie die Anliegen der Bürger am besten adressieren könne, „ohne dabei auf äußere Beeinflussung angewiesen zu sein“. Die Vielzahl an Demonstrationen in Rott zeige, dass die Thematik viele Menschen bewege. „Es erstaunt uns, dass trotz unterschiedlicher Beweggründe für die Demonstrationen in Rott alle Interessengruppen einen Konsens gefunden haben: die Ablehnung der Pläne des Landratsamts Rosenheim“, so die Initiative.

„Dies unterstreicht einmal mehr, dass die Errichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung für 506 Personen eine Fehlentscheidung ist. Wir hoffen, dass die Entscheidungsträger diese Einsicht bald gewinnen. Politiker sind schließlich auch nur Menschen, und Irrtümer sind menschlich. Sollte diese Einsicht jedoch weiterhin ausbleiben, werden wir im Rahmen der Demokratie weitere Aktionen durchführen“, heißt es in der Stellungnahme auf Anfrage der Redaktion abschließend.

Der Demonstrationszug auf Einladung der Jusos.

Eine positive Bilanz zu ihrer Kundgebung mit Demonstrationszug ziehen auch die Jusos Rosenheim-Land und ihre Verbündeten in einer Pressemitteilung vom späten Sonntagabend (21. Januar). Die AfD habe in Rott erneut eine herbe Niederlage einstecken müssen. Mehr als 700 Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten seien auch auf Einladung der Initiative „NoAfD“ gegen „neofaschistische Politik“ auf die Straße gegangen. Der Fokus habe dabei „auf der klaren Ablehnung der Bestrebungen der AfD, in Deutschland wieder Deportationen durchzuführen“ gelegen – „eine Position, die in demokratischen Kreisen eigentlich Konsens sein sollte“, so die Jusos Rosenheim-Land.

Streit über Aussagen

Vorwürfe, es habe sich bei dem zivilgesellschaftlichen Protest lediglich um eine Instrumentalisierung auf dem Rücken der Gemeinde gehandelt, würden sich daher verbieten. Weitaus schlimmer seien jedoch „Vorwürfe des Rotter Gewerbeverbands“, es würde sich bei den Organisatoren um „linke Brandstifter“ handeln, findet Juso-Sprecher Luca Fischer.

Franz Ametsbichler, Vorsitzender des Gewerbeverbands Rott, widerspricht: Er habe in seiner kurzen Rede keinesfalls von „linken Brandstiftern” gesprochen, „sondern den Wortlaut gewählt wie die Vorredner“, darunter seien Zweiter Bürgermeister Zimpel, Sebastian Mühlhuber, CSU, Max Zangerl, FW, Christoph Sewald, SPD, und Johann Kirschbaum, Rotter Forum, gewesen: „Wir brauchen hier in Rott keine Extreme, weder von ‚rechts‘ noch von ‚links“, so Ametsbichler.

Dass die AfD ihren Protest „gegen 18.50 Uhr nach nur 50 Minuten offensichtlich verfrüht für beendet erklärt“ habe, werten die Jusos in ihrer Presseerklärung als Erfolg der Gegendemonstration. „Der Dank gilt daher allen Teilnehmenden: den Ortsansässigen sowie den zahlreichen engagierten Einzelpersonen und Gruppierungen aus dem Umland“.

Die Jusos Rosenheim Land legen jedoch gleichzeitig Wert auf die Feststellung, dass „der Protest gegen die AfD und ein faschistoides Weltbild nicht nur auf der Straße, sondern auch im persönlichen und Arbeitsumfeld, den Vereinen und anderen sozialen Kontexten“ fortgesetzt werden müsse.

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