In alten Zeitungsbänden gestöbert
Bairisch-Expertin: Darum schreibt die Rosenheimer Zeitung um 1900 „Karneval“ und nicht „Fasching“
„Carneval“, „Carneval“, „Carneval“ überall ist in Zeitungsberichten und -Anzeigen um 1900 in Rosenheim nur davon die Rede, aber nicht vom „Fasching“. Was war da los? Wir haben uns bei Dr. Andrea Schamberger-Hirt, Redaktionsleiterin beim Bayerischen Wörterbuch an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München, erkundigt.
Rosenheim - Die Alpenvereins-Sektion Rosenheim lädt zum „Carnevalskränzchen“, der „Velocepid-Club Rosenheim“ zur „Maskierte Carnevalsunterhaltung“, der „Rosenheimer Anzeiger“ berichtet, dass „Prinz Karneval“ in der Stadt regiere. Wir haben die Faschingssaison der Jahre 1898 und 1899 und niemand scheint den Menschen damals gesagt zu haben, dass es „Fasching“ in Bayern heißt? Was war damals in unserer Region los, wo man heutzutage als Auswärtiger mehr oder minder sanft darauf hingewiesen wird, dass „Karneval“ eine Begrifflichkeit ist, die jenseits des Weißwurstäquators zu bleiben hat?!
„Karneval oder Carneval war in Bayern auf keinen Fall jemals ein bodenständiger Begriff!“, betont Dr. Andrea Schamberger-Hirt, Redaktionsleiterin beim Bayerischen Wörterbuch an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. „Das Bayerische Wörterbuch erforscht und dokumentiert den gesamten bairischen Wortschatz aus Oberbayern, Niederbayern, der Oberpfalz und den angrenzenden bairischen Gebieten Bayerisch-Schwabens sowie Mittel- und Oberfrankens. Neben den heute gesprochenen Mundarten wird auch die literarische Überlieferung aus Bayern seit ihren Anfängen im 8. Jahrhundert berücksichtigt“, so die Akademie. Unter den aktuell 270 Mitwirkenden ist übrigens auch Lydia Winner aus Stephanskirchen.
Bairisch-Expertin: Darum schreibt die Rosenheimer Zeitung um 1900 „Karneval“ und nicht „Fasching“
„‘Fasching‘ oder auch ‚Fasnacht‘ waren damals die in der Volkssprache üblichen Bezeichnungen für die Zeit vor dem Aschermittwoch“, fährt Dr. Andrea Schamberger-Hirt fort, „Schon in alten Urkunden aus dem 13. oder 14. Jahrhundert ist bereits von der ‚vasnath‘ oder vom ‚vaschang‘ die Rede.“ Wie aber kommt es dann, dass man in den Zeitungen um die Jahrhundertwende zu 1900 ständig nur vom „Carneval“ liest? Von „Fasching“ oder „Fasnacht“ ist dort nirgends ein Wort zu finden.
„Der norddeutsche Begriff ‚Karneval‘ war damals prestigeträchtiger, ein Wort des Bildungsbürgertums, das man gern in der Zeitung druckte:“ Ein Fall einer sprachlichen Modeerscheinung also, wie wir sie bis heute kennen. „In Münchner Zeitungen war übrigens zu dieser Zeit auch schon eher vom ‚Fasching‘ die Rede, weil München gerade bei der fünften Jahreszeit seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert mit seinen legendären Faschingsbällen eine Sache für sich war.“ Inzwischen sei der „Karneval“ übrigens gegenüber dem „Fasching“ auf dem Rückzug. „Wenn man sich eine aktuelle Untersuchung der Kollegen vom ‚Atlas der Deutschen Alltagssprache‘ anschaut, sieht man, dass der ‚Karneval‘ noch Rheinland, bekannt für den ‚Köllschen Karneval‘, die Rede ist. Abgesehen vom Südwesten und von Franken, wo man Fasnacht feiert, hat sich im Südosten, Nordosten und in der Mitte Deutschlands dagegen weitgehend der ‚Fasching‘ durchgesetzt.“
Mitarbeiter am Wörterbuch willkommen
Dr. Andrea Schamberger-Hirt, der Redaktionsleiterin des Bayerischen Wörterbuchs, hat derzeit 270 Frauen und Männer, die sie bei der Arbeit an dem Lexikon ehrenamtlich unterstützen. „Sie sprechen Bairisch? Dann können Sie beim Bayerischen Wörterbuch mitmachen und wir schicken Ihnen gerne regelmäßig Fragebögen zu. Bitte melden Sie sich dafür unter post@kmf.badw.de an.“
hs