Über Abgestrafte und den Stimmkönig der Region
Hochburgen und Tiefpunkte: Diese Orte im Kreis Rosenheim stechen bei der Bundestagswahl heraus
Die CSU hat bei der Bundestagswahl im Landkreis Rosenheim zugelegt. Doch der Vorsprung schrumpft bedenklich. Wo lagen die Hochburgen? Und wo lagen die Tiefpunkte für die anderen Parteien?
Rosenheim – Die CSU gewinnt, die AfD triumphiert. Im Landkreis Rosenheim herrschen zwar keine Thüringer Verhältnisse. Und die CSU legte gehörig zu. Doch die Zuwächse der „Alternative“ sind geradezu außerordentlich.
Auch in Oberbayern: Im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 hat sich der Anteil der in Teilen als rechtsextrem eingestuften Partei in der Region Rosenheim mehr als verdoppelt, von 8,3 Prozent (laut Bundeswahlleitung) auf 19,6 Prozent in 2025. Die CSU wiederum schnitt mit 38,6 Prozent im Wahlkreis 221 ziemlich gut ab, sie verzeichnet ein Plus von 6,6 Prozent zu 2021.
Der alte Grundsatz, dass hohe Wahlbeteiligungen eher schlecht für Parteien an den äußeren Rändern sind, scheint mit dem Erfolg für die AfD übrigens außer Kraft gesetzt: Mit 84 Prozent für Stadt und Landkreis Rosenheim war die Wahlbeteiligung so hoch wie lange nicht mehr. Und jeder Fünfte wählte die AfD.
Daniela Ludwig über Partei-Ergebnis
Die Bundstagswahl - auch eine Persönlichkeitswahl. Daniela Ludwig legte fast 5 Prozent zu, auf 40,9 Prozent. Fast überall blieb sie damit knapp über der CSU, anders als die Zweitplatzierte Leyla Bilge von der AfD, die fast überall knapp unter dem Partei-Resultat blieb.
Mit 49,6 Prozent erreichte Daniela Ludwig in Nußdorf ihr bestes Ergebnis, dort schnitt auch die CSU insgesamt mit 43,4 Prozent überdurchschnittlich ab.
Stimmkönig der Region ist Siegfried Walch
Der Stimmkönig des Südostens aber ist Siegfried Walch von der CSU. Der Traunsteiner Landrat erreichte mit 46,9 Prozent das viertbeste Eststimmen-Ergebnis in Bayern und gelangt damit in den Bundestag. Anders als beispielsweise Volker Ullrich in Augsburg. Der gewann seinen Wahlkreis mit zehn Prozent Vorsprung und 30 Prozent insgesamt, schafft es aber dennoch nicht in den Bundestag.
Der Grund ist eine Wahlrechtsreform: Die CSU konnte in Bayern zur Bundestagswahl mehr Direktmandate erringen, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil von 37,2 Prozent im Freistaat zustehen, insgesamt drei Kandidaten gehen daher siegreich leer aus.
Die AfD-Hochburgen im Landkreis
Insgesamt hat jeder fünfte Wähler in der Region Rosenheim sein Kreuz bei der AfD gemacht. In einigen Gemeinden oder Stimmbezirken aber haben Direktkandidatin Leyla Bilge und ihre Partei richtig abgeräumt. In Rott am Inn zum Beispiel kommt die AfD auf 26,7 Prozent der Zweitstimmen, in einem Stimmbezirk sogar auf 36,8 Prozent. Dass der erbitterte Streit über die Flüchtlingsunterkunft – in Rott am Inn sollen bis zu 270 Geflüchtete untergebracht werden – der AfD Wähler zuführte, darf man annehmen.
In Vogtareuth sorgte offenbar schon die Ankündigung einer Container-Unterkunft für Ärger. Unter anderem auf Facebook äußern sich erzürnte Vogtareuther eindeutig und ablehnend. „Alleinerziehende können kaum die Horrormieten bezahlen. Kümmert euch mal um die eigenen Leute“, schreibt etwa eine Frau. Bei der Wahl sammelte die AfD die Früchte dieser Debatte: In einem Bezirk kam sie auf 40 Prozent der Zweitstimmen.
Außergewöhnlich gut schnitt die AfD auch in der Gemeinde Tuntenhausen ab. Genauer: in Ostermünchen und in Lampferding. Auf gut 30 Prozent kam die AfD in den beiden Wahllokalen in Ostermünchen, in Lampferding schoss sie auf 40 Prozent hinauf. Rekordhalter ist aber der Bezirk Kematen-Dettendorf in der Gemeinde Bad Feilnbach. Dort wählte jeder Zweite blau, mit 47 Prozent der Zweitstimmen ließ die AfD die CSU (22 Prozent) deutlich hinter sich.
Dabei handelt es sich mitunter um lokale Ausreißer. Mehr Sorgen sollten der CSU einige Resultate im Landkreis Mühldorf am Inn machen. In Waldkraiburg, der mit 26.000 Einwohnern größten Stadt im Landkreis, ist die AfD der CSU dicht auf den Fersen. 32,1 Prozent der Zweitstimmen holte die „Alternative“ dort, 34,3 Prozent die CSU.
Ampel-Parteien abgestraft
Da hat Martina Thalmayr die Wahl mal auf den Punkt gebracht. „Die Gruppen-Performance der Ampel Regierung war auf keinen Fall vertrauensbildend“, sagte die Sprecherin des Grünen-Kreisverbands Rosenheim. Und so verloren bei der vorgezogenen Bundestagswahl alle drei Ampelparteien, Grüne wie SPD und FDP.
Beispiel SPD. In Wasserburg, einer traditionell eher roten Stadt, haben die Sozialdemokraten zwar das beste Ergebnis im Landkreis erhalten. Doch mit 13,4 Prozent der Zweitstimmen haben sie auch dort alles andere als gut abgeschnitten. Die Grünen haben in der Bundestagswahl nicht gut abgeschnitten, die Region Rosenheim aber vertreten sie: Victoria Broßart hat den Einzug in den Bundestag geschafft.
Allerdings ging keine Partei so unter wie die FDP: Zwölf Prozent holten die Liberalen noch 2021 im gesamten Wahlkreis 221. Diesmal waren es 4,7 Prozent. Fast überall im Landkreis Rosenheim riss die FDP die Fünf-Prozent-Hürde. Eine der wenigen Ausnahmen: Prien am Chiemsee 6,3 Prozent.
Freie Wähler bleiben ein regionales Phänomen
Die Freien Wähler reißen auch im vierten Anlauf nichts auf Bundesebene. Neu ist, wie stark die Partei vom stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger auf ureignen Territorium verlor. Das lässt sich in der Region Rosenheim gut beobachten. Da gibt es einen Hofer-Cluster rund um Halfing, die Heimatgemeinde des Direktkandidaten Sepp Hofer.
In Halfing selbst überholte Hofer mit 19,7 Prozent sogar die AfD-Kandidatin. Auch drumherum, in Eiselfing, Amerang, Schonstett, Bad Endorf, Söchtenau und Vogtareuth, schnitt Hofer gut ab. In der gesamten Region wie auch in Bayern aber hielt sich das Interesse für die Freien Wähler diesmal in Grenzen. Beispiel Prutting: Mit 6,3 Prozent erreichten die FW dort nicht mal die Hälfte ihres Resultats bei der Bundestagswahl 2021. Insgesamt blieben die Freien Wähler damit sogar hinter der Linken, die mit 5,0 Prozent der Zweitstimmen ein für die Region überdurchschnittliches Resultat feierten. Wenig Greifbares dagegen für das BSW. In keiner Gemeinde im Landkreis landete die Partei über der Fünf-Prozent-Marke, am nächsten kam sie dem Ziel mit 4,1 Prozent in Kolbermoor.
Die Kleinen und die Allerkleinsten
Gewählt wurden auch die Kleinen. Auffällig: Die Tierschutzpartei holte 0,9 Prozent der Stimmen und überholte damit die Partei „dieBasis“ (0,6 Prozent). Auch die ÖDP landete mit 0,5 Prozent dahinter. Gar nicht erst in die Prozent-Skala gelangte die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands: Mit nur 31 Stimmen in Stadt und Landkreis erreichte die MLPD nicht mal ein Zehntelprozent.
Die „Partei“ holte zwar erheblich mehr Stimmen. Doch mit 0,4 Prozent blieb auch sie unter ferner liefen. Für den ironischen Blick auf die Politik war den Wählern die Lage offenbar zu ernst.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung hatten wir berichtet, dass die Grünen die Region Rosenheim lediglich über den „Betreuungsabgeordneten“ Karl Bär im Bundestag vertreten. Die Rosenheimer Kandidatin Victoria Broßart ist aber über die Liste in den Bundestag eingezogen. Martina Thalmayr hingegen ist lediglich die frühere Sprecherin des Kreisverbandes der Grünen. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.