Ein ganzes Leben auf der Weide
Irische Rinder am Samerberg: Wieso Familie Tischner auf eine ungewöhnliche Rasse setzt
Auf dem Auer-Hof am Samerberg züchten Theresa und Hansi Tischner seit 2019 das irische Dexter-Rind. Warum sie sich für die außergewöhnliche Rasse entschieden haben und wovon sie noch träumen.
Samerberg – Genügsam und robust: Am Samerberg gibt es seit einigen Jahren irische Dexter-Rinder. 73 Kühe, Kälber und Bullen leben derzeit „Beim Auer“. Familie Tischner bewirtschaftet den Hof in der vierten Generation, hatte aber eine Zeit lang keine eigenen Tiere. 2019 sollte sich das ändern. „Wir wollten wieder mit Rindern arbeiten. Aber nicht mit dem normalen Fleckvieh“, sagt Theresa Tischner (42).
Ihr Mann Hansi (49) schlug damals vor, Bisons anzuschaffen. „Da habe ich gesagt, das geht nicht“, erinnert sich Theresa Tischner und lacht. Auch die beiden Töchter Annalena (15) und Katharina (11) waren nicht überzeugt. Bei einem Urlaub in der Schweiz stießen die Landwirte auf „die Dexter“, wie Theresa Tischner ihre Schützlinge nennt, und verliebten sich sofort.
Das Dexter-Rind ist kleiner und leichter als das weitverbreitete Fleckvieh. „Unsere Tiere verursachen deshalb weniger Trittschäden am Boden“, erklärt Theresa Tischner. „Außerdem ist es eine wahnsinnig genügsame und robuste Rasse.“ Die Dexter-Rinder sind immer einfarbig. Entweder schwarz, braun oder rot.
2019 kaufte Familie Tischner drei Rinder von einer Züchterin aus Hessen. Bereits ein Jahr später klingelte auf dem Auer-Hof das Telefon: Die Landwirtin gab ihre Zucht auf und wollte die Tiere in guten Händen wissen. Die Tischners sprangen ein und so zogen 30 neue Rinder auf den Auer-Hof. Hier leben sie das ganze Jahr auf der Weide.
Schlachtung mit Weideschuss
Die Samerberger Landwirte sind auf Fleischproduktion spezialisiert. Etwa alle sechs Wochen wird ein Rind geschlachtet – mit dem Weideschuss. „Die Genehmigung dafür zu bekommen, war alles andere als leicht“, betont Theresa Tischner. Geklappt habe es nur, weil ihre Tiere das ganze Jahr draußen stehen. Einige Tage vor dem Schuss wird das ausgewählte Rind mit Farbe angesprüht. Ein professioneller Schütze kommt dann auf den Hof und erlegt es direkt auf der Weide. „Bis zur letzten Minute bekommt es überhaupt nichts mit“, sagt Landwirtin Tischner.
Weideschuss in der Region
Im Landkreis Rosenheim dürfen derzeit sechs Betriebe den Weideschuss an Rindern durchführen. Das teilt das Landratsamt auf OVB-Anfrage mit. „Ganzjährig im Freien gehaltene Rinder dürfen nur im Einzelfall mit tierschutzrechtlicher Einwilligung der zuständigen Behörde per Kugelschuss betäubt beziehungsweise getötet werden“, erklärt Pressesprecherin Simone Beigel. Beim Weideschuss sind neben dem Tierhalter ein Metzger, ein amtlicher Tierarzt und ein Schütze vor Ort. Die Umgebung wird gesichert, das ausgewählte Tier in einem eingezäunten Areal gefüttert. „So kann der Weideschuss in Ruhe und tierschutzgerecht erfolgen“, sagt Beigel. Der Tierkörper werde danach in ein Schlachthaus gebracht.
Die Familie versucht, den ganzen Körper ihrer Tiere zu verwerten. Deshalb gibt es „beim Auer“ nicht nur Fleisch und Innereien zu kaufen, sondern auch Gürtel und Handtaschen aus dem Leder der irischen Rinder. Dafür lassen sie die Haut von einem Fachmann pflanzlich gerben. Eine Täschnerin verarbeitet sie dann weiter. Sehr charakteristisch für „die Dexter“ ist ihr Fleisch. „Es hat einen intensiven Geschmack“, so Theresa Tischner.
Wenn ein Rind geschlachtet wird oder verstirbt, fließen bei Tochter Annalena auch mal Tränen. „Das ist natürlich schlimm und traurig“, sagt ihr Vater Hansi. Als Landwirt dürfe man das aber nicht so nah an sich heranlassen. „Sonst kannst du nicht mehr schlafen“, sagt er.
Das gelte auch für die Maul- und Klauenseuche. Familie Tischner ist sich der Gefahr bewusst. Auf dem Auer-Hof werden alle Hygienevorschriften eingehalten. Dennoch: Ein Restrisiko bleibt immer. „Unsere Tiere sind das ganze Jahr draußen. Wir können sie nicht vor allem beschützen“, sagt Theresa Tischner. Sie will gar nicht darüber nachdenken, was eine Infektion für ihre Schützlinge bedeuten würde. Auch der Wolf kann zur Bedrohung werden. „Deshalb haben einige unserer Rinder Hörner“, erklärt die Landwirtin. Sie können im Notfall die Herde verteidigen.
Weil im Winter auf den Weideflächen nicht genug Gras wächst, müssen die Tischners zusätzlich Heu füttern. Ihre 73 Rinder leben deshalb in den kalten Monaten auf den Wiesen direkt am Hof. Wenn alles nach Plan läuft, kommen dann die meisten Kälber zur Welt. Das taktet Familie Tischner nicht ohne Grund so. „Die Geburt läuft zwar fast immer reibungslos, aber man ist schon lieber in der Nähe“, erklärt Theresa Tischner. Wenn im Frühjahr das Gras sprießt, geht es für die Rinder wieder raus auf die großen Weiden.
Camping und Showküche
Allein von der Fleischproduktion kann Familie Tischner nicht leben. „Als Landwirt braucht man noch andere Standbeine“, sagt Theresa Tischner. Deshalb hat die Familie vor einigen Jahren drei Stellplätze für Camper angelegt – benannt nach ihren Zuchtbullen Pompey, Cäsar und Montreal. Campen auf dem Bauernhof, das kommt bei vielen gut an. „Sogar an Silvester hatten wir Gäste“, sagt Theresa Tischner.
Ihr großer Traum ist es, im ehemaligen Stall eine Showküche einzurichten. Dort sollen Köche zeigen, dass man nicht nur das Fleisch der Tiere verwerten kann, sondern auch etwa die Zunge oder Leber. Auch für einen kleinen Laden gäbe es genug Platz. Momentan findet der Hofverkauf noch im Hausflur der Familie statt. „Durch den Laden hätten wir mehr Privatsphäre“, sagt Hansi Tischner. Trotzdem können die Landwirte nicht alles auf einmal stemmen. Erst vor Kurzem haben sie einen großen Unterstand für ihre Tiere gebaut. Hansi Tischner betont aber: „Pläne muss ein Landwirt immer haben.“
Der Hof bedeutet der Familie viel. „Es ist einfach Heimat“, so Theresa Tischner. Sie und ihr Mann Hansi wollen ihn noch lange weiterführen. „Bis die nächste Generation übernimmt“, sagt sie.



