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Digitale Unterschätzung

Schon wieder Rettungsaktion am Hochstaufen: Warum Wander-Apps zur Falle werden können

Rettungsaktionen am Hochstaufen und eine Karte
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Immer wieder kommt es zu Rettungseinsätzen am Goldtropfsteig wie am 4. März (links) oder am 4. Januar (rechts oben). In den letzten beiden Jahren haben diese zugenommen. Ein Grund: Fehleinschätzungen durch die Verwendung von Wander-Apps.

Wander-Apps werden immer beliebter. Doch bei der Tourenplanung ist Vorsicht geboten, wie man an den zahlreichen Einsätzen am Hochstaufen sehen kann. Erst am Samstag mussten wieder zwei junge Frauen aus dem Goldtropfsteig gerettet werden, weil sie auf ihr Smartphone vertrauten. Was man unbedingt beachten muss.

Bad Reichenhall – Viele Wege führen auf den Hochstaufen. Möchte man den Berg von der Südseite her bezwingen, gibt es den Normalweg über die Bartlmahd. Eine zweite Möglichkeit ist die anspruchsvollere „Stoanane Jaga“-Route. Bei beiden umgeht man seitlich die markante Goldtropfwand. Der dritte und wohl auch schwierigste Anstieg zum Staufengipfel erfolgt direkt durch die steile Südflanke – den Goldtropfsteig. Der Steig ist kein offizieller DAV-Wanderweg und wird daher auch nicht gewartet.

Franz Güntner, Sprecher beim Deutschen Alpenverein, kennt die Herausforderungen am Goldtropfsteig. „Das ist etwas für sehr erfahrene Alpinisten. Man braucht eine ziemlich hohe Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Man muss teilweise klettern oder zumindest die Hände mit verwenden. Der Mittelteil ist schottrig und der Weg ist doch recht lang. 800 Höhenmeter sind zu überwinden und es geht immer bergauf. Das muss man schaffen.“ Zudem hätten Bergsteiger auf der Route häufig psychische Probleme, fühlen Angst und Blockaden wegen der Ausgesetztheit.

Zwei Gründe für mehr Rettungseinsätze: Felsstürze und Wander-Apps

Auf der Goldtropf-Route ist es in den vergangenen Jahren vermehrt zu Unfällen und Rettungsaktionen gekommen. Dafür gibt es zwei Gründe. Der erste: Im Jahr 2022 gab es mehrere Felsabstürze, durch die die Begehung nochmals schwieriger geworden ist. Es gibt dort keine Wegweiser. Man befindet sich im freien alpinen Gelände.

Am Hochstaufen kam es im März 2022 zu einem Felssturz. Dabei wurde der unmarkierte Goldtropfsteig beeinträchtigt.

Zudem verlassen sich immer mehr Menschen auf Wander-Apps. Diese Apps nutzen auch nicht ortskundige oder weniger versierte Wanderer, die die tatsächlichen Herausforderungen unterschätzen. Das Problem hier: Beliebte und sogar von der Stiftung Warentest als „gut“ bewertete App-Anbieter wie Komoot und Outdooractive verwenden – zumindest in ihrer freien Basisversion – OpenStreetMap als Kartenmaterial. In die quelloffene Karte kann jeder einfach Wege einzeichnen. Zwar gibt es dort auch Hinweise über Schwierigkeiten und Gefahren, aber diese liegen im Ermessen derer, die die Route eintragen und kommentieren. Gelöscht werden falsche Routen nur, wenn sie gemeldet werden.

Auch die beliebte Alpenvereinaktiv-App verwendet in der Basisversion OpenStreetMap. Anders sieht es bei der Pro-Version aus, die kostenpflichtig ist. Dort sind die kompletten Alpenvereinskarten sowie die topografischen Karten vom Bayerischen Landesamt hinterlegt, sprich: hinter dem Ganzen steckt die Arbeit von Kartografen. Die Wegbeschreibungen werden von geschulten ehrenamtlichen Alpenvereinsautoren redaktionell bearbeitet und stetig aktualisiert.

Auf die Verwendung von Wander-Apps sind viele der vergangenen Rettungseinsätze an der Goldtropfwand zurückzuführen, wie die nachfolgende Auswahl zeigt.

Rettungsaktionen am Goldtropfsteig der vergangenen zwei Jahre

  • Erst am Samstag (4. Mai) rettete die Bergwacht zwei junge Frauen aus Schwaben, die wohl eine App benutzt hatten. Die 17-Jährige litt unter Höhenangst, war psychisch blockiert und kam nicht mehr weiter. Ihre 19-jährige Freundin alarmierte die Leitstelle Traunstein, woraufhin acht Bergretter zu Fuß aufstiegen, die Frauen sicherten und talwärts führten. Aufgrund der Steinschlag-Gefahr mussten weitere Absteiger während des Einsatzes warten und wurden gemeinsam mit den Rettern weitergeleitet. Insgesamt dauerte der Einsatz rund drei Stunden.
  • Eine 65-Jährige war am 6. April im durch den großen Felssturz zerstörten Abschnitt des alpinen Steigs, der nur mit einem Seil provisorisch gesichert ist, versehentlich nicht nach Westen hinauf, sondern nach Osten weitergegangen und saß schließlich im brüchigen Steilhang unterhalb des Ausbruchs fest. Sie musste von der Bergwacht gesichert und per Tau ausgeflogen werden.
  • Am 4. Januar musste ein 25-jähriger Unterfranke aus dem Goldtropfsteig per Hubschrauber ins Tal geflogen werden. Er hatte aufgrund des tiefen, harschigen und vereisten Altschnees den alpinen Steig verloren.
  • 13 Einsatzkräfte der Bergwachten Bad Reichenhall und Teisendorf-Anger und die Besatzung des Traunsteiner Rettungshubschraubers „Christoph 14“ waren am 3. September 2023 nötig, um einen 24-jährigen Urlauber aus Hessen zu retten. Der Wanderer war von seiner App über den Steig fehlgeleitet worden. In rund 1300 Metern Höhe war er mit dem alpinen Gelände überfordert, psychisch blockiert und kam nicht mehr weiter.
  • Am 22. September 2022 setzte ein junger Niederbayer einen Notruf ab, nachdem er sich beim Abstieg im unübersichtlichen Absturzgelände verirrt hatte. Ursprünglich wollte er über die Bartlmahd absteigen, ließ sich dann aber von seiner App zum Goldtropfsteig verlocken, weil diese den Weg als einen „sehr schönen Steig“ bezeichnet hatte.
  • Am 13. August 2022 rückten die Bergwachten in der Nacht aus, weil sich eine 27-jährige Urlauberin aus Schwaben im Abstieg über den Goldtropfsteig bei Dunkelheit das Knie und Sprunggelenk verletzt hatte.
  • Am 21. Juni 2022 wagten sich ein Mann aus Niedersachsen und eine Frau aus der Oberpfalz an den Aufstieg. Auf dem stark beschädigten Steig verloren sie die Orientierung und endeten an einer 50 Meter hohen Felswand, wo sie schließlich nicht mehr weiterkamen. Die Bergretter sicherten das Duo in Rettungssitzen und brachten es zusammen zu einem Aufnahmepunkt, wo sie dann der Heli in zwei Anflügen jeweils zusammen mit einem Retter per Winde aufnehmen und ins Tal fliegen konnte.
  • Am 13. März 2022 war ein 21-jähriger Oberpfälzer beim Abstieg einer Spur im Schnee in Richtung Goldtropfsteig gefolgt und hatte dann beim Versuch, mit seiner App wieder auf den Normalweg zu gelangen, den Weg verloren und saß schließlich zwischen Goldtropf und Bartlmahd fest. Ein nachtflugtauglicher Hubschrauber aus Tirol brachte den unterkühlten Mann dann ins Tal.

Realistische Selbsteinschätzung und gute Vorbereitung sind das A und O

Worauf muss man bei der Verwendung von Wander-Apps achten? Zusätzlich eine analoge Karte bei sich zu haben, schade nie, so Güntner, wobei die Alpenverein-App in der Pro-Version auch offline verfügbar sei, falls man einmal keinen Empfang am Smartphone hat. Aber: „Ob Papier oder App: Ich muss die Karte auch interpretieren können“, sagt der DAV-Sprecher. „Zum Beispiel, wenn eine kleine Leiter eingezeichnet ist. Das kann von einer kleinen Trittstufe bis zu einem unglaublich ausgesetzten Grat alles sein. Ich muss mir immer weitere Informationen einholen.“

Der DAV hat eine sehr nützliche Website erstellt, die sich „BergwanderCheck“ nennt. Hier gibt es auch einen Test zur Selbsteinschätzung, um zu erfahren, welche Wanderungen und Bergtouren sich für jeden persönlich eignen. Zudem sind sämtliche gefährliche Situationen erklärt, die am Berg eintreten können, wie etwa Überforderung oder der Verlust der Orientierung. Für jede Lage werden Maßnahmen vorgeschlagen, die man in solch einem Fall ergreifen kann.

Es zahlt sich aus, wenn man sich schon vor der Tour ausführlich mit den möglichen Gefahren auseinandergesetzt hat, denn nicht immer gehen Wanderungen per App glimpflich aus. Besonders tragisch endete die Tour für einen 34-Jährigen aus Siegen am 13. August 2023. Der Mann stürzte am Hohen Laafeld 150 Meter über die sogenannten Roten Wände ab und erlag seinen schweren Kopfverletzungen. Er war einem Weg auf seiner App gefolgt, den es gar nicht mehr gibt. Auch im März 2022 endete der Einsatz einer App tödlich: Gleich drei Bergsteiger stürzten an der Maiwand bei Flintsbach ab und verloren dabei ihr Leben.

mf

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